Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Die Kulturarbeit des Privatversicheruugsivcscus und unzulängliche Schadenregulierung betrifft, so möchte ich zu diesem Punkte "Auf Grund der von uns in einer nunmehr achtjährigen Aufsichtstätigkeit Im Jahre 1907 liefen bei den von uns beaufsichtigten Feuerversicherungs¬ Aus dieser gutachtlichen Äußerung geht hervor, daß in Wirklichkeit die Daß dem jetzigen Zustande des Privatversicherungswesens hie und da noch Die Kulturarbeit des Privatversicheruugsivcscus und unzulängliche Schadenregulierung betrifft, so möchte ich zu diesem Punkte „Auf Grund der von uns in einer nunmehr achtjährigen Aufsichtstätigkeit Im Jahre 1907 liefen bei den von uns beaufsichtigten Feuerversicherungs¬ Aus dieser gutachtlichen Äußerung geht hervor, daß in Wirklichkeit die Daß dem jetzigen Zustande des Privatversicherungswesens hie und da noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319447"/> <fw type="header" place="top"> Die Kulturarbeit des Privatversicheruugsivcscus</fw><lb/> <p xml:id="ID_2362" prev="#ID_2361"> und unzulängliche Schadenregulierung betrifft, so möchte ich zu diesem Punkte<lb/> unser zum Schutze der Versicherten bestelltes Kaiserliches Aufsichtsamt für Privat¬<lb/> versicherung sprechen lassen. Diese Reichsbehörde hat sich auf die Anfrage der<lb/> königlich bayerischen Regierung, ob eine Verstaatlichung der Mobiliarversicherung<lb/> zu empfehlen sei, in ihrem Gutachten folgendermaßen geäußert:</p><lb/> <p xml:id="ID_2363"> „Auf Grund der von uns in einer nunmehr achtjährigen Aufsichtstätigkeit<lb/> gemachten Wahrnehmungen halten wir uns zu dem Urteil berechtigt, daß im<lb/> allgemeinen die in Deutschland arbeitenden privaten Versicherungsunternehmungen<lb/> ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe, zuverlässigen und billigen Feuerversicherungs¬<lb/> schutz zu gewähren, in durchaus befriedigender Weise gerecht werden, und daß<lb/> erhebliche Mißstände, die die Errichtung staatlicher Mobiliarversicherungsanstalten<lb/> geboten erscheinen ließen, nicht zu beklagen sind. Daß bei den millionenfachen<lb/> Versicherungsverträgen und den nach vielen Tausenden zählenden Schadenfällen<lb/> mannigfach Unzufriedenheiten und Beschwerden hervortreten, ist in der Natur<lb/> der Sache gegeben und würde auch gegenüber einer aufs vollkommenste ver¬<lb/> walteten staatlichen Anstalt unausbleiblich sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2364"> Im Jahre 1907 liefen bei den von uns beaufsichtigten Feuerversicherungs¬<lb/> unternehmungen im Inland insgesamt 10 974 454 Versicherungsverträge und<lb/> waren 235885 Schäden zu regulieren. Wenn dem gegenüber jährlich etwa<lb/> hundert Beschwerden gegen Feuerversicherungsgesellschaften bei uns einlaufen,<lb/> von denen sich übrigens nur ein sehr geringer Prozentsatz als sachlich begründet<lb/> zu erweisen pflegt, so darf die deutsche Feuerversicherung mit Stolz aus dieses<lb/> Ergebnis hinweisen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2365"> Aus dieser gutachtlichen Äußerung geht hervor, daß in Wirklichkeit die<lb/> berechtigten Interessen der versicherungsbedürftigen Staatsbürger unter der<lb/> privaten Betriebsform keineswegs so leiden, wie man das in manchen, der<lb/> gründlichen Orientierung entbehrenden Kreisen vermeint und behauptet. Diese<lb/> ungünstige Meinung wird übrigens vielfach nur dadurch hervorgerufen, daß<lb/> bei der Pr-ivatverstcherung die Interessenten gar oft aus Vorurteil gegen den<lb/> „profitsuchenden" Unternehmer das Betriebsnotwendige für unrecht halten,<lb/> während sie ganz das gleiche und sogar schlimmeres ohne Murren fatalistisch<lb/> über sich ergehen lassen, wenn es ihnen durch Gesetz und Behörde beschert wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2366" next="#ID_2367"> Daß dem jetzigen Zustande des Privatversicherungswesens hie und da noch<lb/> Mängel der behaupteten Art anhaften, soll mit alledem keineswegs bestritten<lb/> werden. Aber diese Mängel entbehren durchaus jener Allgemeinheit, die ihnen<lb/> schlecht unterrichtete Kritiker vielfach nachsagen, und sie bedeuten bei weitem nicht<lb/> eine solche Herabminderung des Gesamtnutzens der privaten Versicherung, wie<lb/> sie von der übelwollenden Kritik behauptet wird. Trotz der noch vorhandenen<lb/> Unvollkommenheiten leistet gerade unser fein entwickeltes, durch eine eifrige Fach¬<lb/> wissenschaft unterstütztes deutsches Privatversicherungswesen eine vielseitige Be¬<lb/> friedigung des Versicherungsbedürfnisses, die an Umfang und Qualität sehr hohen<lb/> Anforderungen genügt. Dabei aber ist zu berücksichtigen, daß die soziale Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Die Kulturarbeit des Privatversicheruugsivcscus
und unzulängliche Schadenregulierung betrifft, so möchte ich zu diesem Punkte
unser zum Schutze der Versicherten bestelltes Kaiserliches Aufsichtsamt für Privat¬
versicherung sprechen lassen. Diese Reichsbehörde hat sich auf die Anfrage der
königlich bayerischen Regierung, ob eine Verstaatlichung der Mobiliarversicherung
zu empfehlen sei, in ihrem Gutachten folgendermaßen geäußert:
„Auf Grund der von uns in einer nunmehr achtjährigen Aufsichtstätigkeit
gemachten Wahrnehmungen halten wir uns zu dem Urteil berechtigt, daß im
allgemeinen die in Deutschland arbeitenden privaten Versicherungsunternehmungen
ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe, zuverlässigen und billigen Feuerversicherungs¬
schutz zu gewähren, in durchaus befriedigender Weise gerecht werden, und daß
erhebliche Mißstände, die die Errichtung staatlicher Mobiliarversicherungsanstalten
geboten erscheinen ließen, nicht zu beklagen sind. Daß bei den millionenfachen
Versicherungsverträgen und den nach vielen Tausenden zählenden Schadenfällen
mannigfach Unzufriedenheiten und Beschwerden hervortreten, ist in der Natur
der Sache gegeben und würde auch gegenüber einer aufs vollkommenste ver¬
walteten staatlichen Anstalt unausbleiblich sein.
Im Jahre 1907 liefen bei den von uns beaufsichtigten Feuerversicherungs¬
unternehmungen im Inland insgesamt 10 974 454 Versicherungsverträge und
waren 235885 Schäden zu regulieren. Wenn dem gegenüber jährlich etwa
hundert Beschwerden gegen Feuerversicherungsgesellschaften bei uns einlaufen,
von denen sich übrigens nur ein sehr geringer Prozentsatz als sachlich begründet
zu erweisen pflegt, so darf die deutsche Feuerversicherung mit Stolz aus dieses
Ergebnis hinweisen."
Aus dieser gutachtlichen Äußerung geht hervor, daß in Wirklichkeit die
berechtigten Interessen der versicherungsbedürftigen Staatsbürger unter der
privaten Betriebsform keineswegs so leiden, wie man das in manchen, der
gründlichen Orientierung entbehrenden Kreisen vermeint und behauptet. Diese
ungünstige Meinung wird übrigens vielfach nur dadurch hervorgerufen, daß
bei der Pr-ivatverstcherung die Interessenten gar oft aus Vorurteil gegen den
„profitsuchenden" Unternehmer das Betriebsnotwendige für unrecht halten,
während sie ganz das gleiche und sogar schlimmeres ohne Murren fatalistisch
über sich ergehen lassen, wenn es ihnen durch Gesetz und Behörde beschert wird.
Daß dem jetzigen Zustande des Privatversicherungswesens hie und da noch
Mängel der behaupteten Art anhaften, soll mit alledem keineswegs bestritten
werden. Aber diese Mängel entbehren durchaus jener Allgemeinheit, die ihnen
schlecht unterrichtete Kritiker vielfach nachsagen, und sie bedeuten bei weitem nicht
eine solche Herabminderung des Gesamtnutzens der privaten Versicherung, wie
sie von der übelwollenden Kritik behauptet wird. Trotz der noch vorhandenen
Unvollkommenheiten leistet gerade unser fein entwickeltes, durch eine eifrige Fach¬
wissenschaft unterstütztes deutsches Privatversicherungswesen eine vielseitige Be¬
friedigung des Versicherungsbedürfnisses, die an Umfang und Qualität sehr hohen
Anforderungen genügt. Dabei aber ist zu berücksichtigen, daß die soziale Be-
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