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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

vollendeten Organisation unseres Bankwesens. Und doch ist sie richtig. Wer
daran zweifeln wollte, hat nur nötig, sich die näheren Begleitumstände des
Zusammenbruchs der Bankfirma Kwiet u. Gans vor Augen zu halten, um sich
eines Besseren zu belehren. Eine "Bankfirma", die mit ganzen 10000 M.
Kapital ihren Betrieb anfängt, in Fachkreisen keinen Kredit genießt, trotzdem
aber sich einen Kundenkreis erwirbt, der in kurzem die Firmeninhaber anscheinend
zu reichen Männern macht, bis der Konkurs die völlige Mittellosigkeit offenbart
und Verluste des Privatpublikums in Höhe von zwei Millionen Mark zutage
treten! Einem Geschäft, das den reinen Typus des Bucketshops darstellt, welches
am Platze so schlecht akkreditiert ist, daß mit Leichtigkeit ausreichende Infor¬
mationen über seine Qualität hätten eingezogen werden können, werden von
Privatleuten zwei Millionen in bar und in Wertpapieren anvertrautI Das ist
doch nur denkbar, wenn in weiten Kreisen der Kapitalbesitzer eine völlige Welt-
fremdheit obwaltet, eine totale Unkenntnis auch der einfachsten Grundregeln des
Bank- und Börsenwesens. Unter den betrübten Gläubigern finden sich solche
mit Forderungen von nahezu hunderttausend Mark und nicht nur blindgläubige
Hinterwäldler, sondern Männer von Rang und Würden. Man sieht also, der
Kampf gegen diese Parasiten der Börse, den der Zentralverband des deutschen
Bank- und Bankiergewerbes seit einiger Zeit mit Energie aufgenommen hat, ist
ein solcher von höchstem Allgemeininteresse. Man darf sich aber nicht darauf
beschränken, einzelne Schädlinge, wo man deren gerade habhaft werden kann,
auszurotten; wichtiger noch wäre eine fortgesetzte Aufklärungsarbeit unter Mit¬
hilfe der Presse. Nun unterstützt die letztere ja freilich häufig die Bemühungen
des Zentralverbandes, indem sie zweideutige Firmen, namentlich des Auslandes
brandmarkt; überfliegt man dann aber den Inseratenteil, so findet man, nicht
vereinzelt, sondern in ganzen Gruppen jene anrüchigen Anzeigen, in denen
ungenannte Wohltäter "absolut sichere" Informationen über in- und auslän¬
dische Wertpapiere anpreisen. Diese Inserate sind eine der beliebtesten und,
aus ihrer Häufigkeit zu schließen, wohl auch wirkungsvollsten Methoden des
Gimpelfangs. Die Presse sollte unbedingt danach streben, diese indirekte Mit¬
wirkung an dem Treiben der Winkelbankiers zu vermeiden und solchen Inseraten
die Aufnahme versagen. Daß dies bei gutem Willen möglich ist, zeigt das
Beispiel einiger großen Zeitungen, die ihren Inseratenteil von diesen verdächtigen
Kostgängern gesäubert haben.

Es ist begreiflich, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein weit
verbreitetes Gefühl der Unsicherheit und des Mißtrauens sich regt. Mancherseits
wird sogar ein völliger Umschwung der Dinge und das Eintreten einer Krise
prophezeit. Nun läßt sich allerdings nicht in Abrede stellen, daß augenblicklich
gefahrdrohende Momente vorhanden sind, deren Zusammenwirken einen recht
nachteiligen Einfluß auf das gesamte Wirtschaftsleben ausüben kann. Zunächst
bleibt ja leider die Unsicherheit der politischen Lage noch auf weiteres bestehen.
Der Marokkohandel wird aller Voraussicht nach noch auf Wochen, wenn nicht


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vollendeten Organisation unseres Bankwesens. Und doch ist sie richtig. Wer
daran zweifeln wollte, hat nur nötig, sich die näheren Begleitumstände des
Zusammenbruchs der Bankfirma Kwiet u. Gans vor Augen zu halten, um sich
eines Besseren zu belehren. Eine „Bankfirma", die mit ganzen 10000 M.
Kapital ihren Betrieb anfängt, in Fachkreisen keinen Kredit genießt, trotzdem
aber sich einen Kundenkreis erwirbt, der in kurzem die Firmeninhaber anscheinend
zu reichen Männern macht, bis der Konkurs die völlige Mittellosigkeit offenbart
und Verluste des Privatpublikums in Höhe von zwei Millionen Mark zutage
treten! Einem Geschäft, das den reinen Typus des Bucketshops darstellt, welches
am Platze so schlecht akkreditiert ist, daß mit Leichtigkeit ausreichende Infor¬
mationen über seine Qualität hätten eingezogen werden können, werden von
Privatleuten zwei Millionen in bar und in Wertpapieren anvertrautI Das ist
doch nur denkbar, wenn in weiten Kreisen der Kapitalbesitzer eine völlige Welt-
fremdheit obwaltet, eine totale Unkenntnis auch der einfachsten Grundregeln des
Bank- und Börsenwesens. Unter den betrübten Gläubigern finden sich solche
mit Forderungen von nahezu hunderttausend Mark und nicht nur blindgläubige
Hinterwäldler, sondern Männer von Rang und Würden. Man sieht also, der
Kampf gegen diese Parasiten der Börse, den der Zentralverband des deutschen
Bank- und Bankiergewerbes seit einiger Zeit mit Energie aufgenommen hat, ist
ein solcher von höchstem Allgemeininteresse. Man darf sich aber nicht darauf
beschränken, einzelne Schädlinge, wo man deren gerade habhaft werden kann,
auszurotten; wichtiger noch wäre eine fortgesetzte Aufklärungsarbeit unter Mit¬
hilfe der Presse. Nun unterstützt die letztere ja freilich häufig die Bemühungen
des Zentralverbandes, indem sie zweideutige Firmen, namentlich des Auslandes
brandmarkt; überfliegt man dann aber den Inseratenteil, so findet man, nicht
vereinzelt, sondern in ganzen Gruppen jene anrüchigen Anzeigen, in denen
ungenannte Wohltäter „absolut sichere" Informationen über in- und auslän¬
dische Wertpapiere anpreisen. Diese Inserate sind eine der beliebtesten und,
aus ihrer Häufigkeit zu schließen, wohl auch wirkungsvollsten Methoden des
Gimpelfangs. Die Presse sollte unbedingt danach streben, diese indirekte Mit¬
wirkung an dem Treiben der Winkelbankiers zu vermeiden und solchen Inseraten
die Aufnahme versagen. Daß dies bei gutem Willen möglich ist, zeigt das
Beispiel einiger großen Zeitungen, die ihren Inseratenteil von diesen verdächtigen
Kostgängern gesäubert haben.

Es ist begreiflich, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein weit
verbreitetes Gefühl der Unsicherheit und des Mißtrauens sich regt. Mancherseits
wird sogar ein völliger Umschwung der Dinge und das Eintreten einer Krise
prophezeit. Nun läßt sich allerdings nicht in Abrede stellen, daß augenblicklich
gefahrdrohende Momente vorhanden sind, deren Zusammenwirken einen recht
nachteiligen Einfluß auf das gesamte Wirtschaftsleben ausüben kann. Zunächst
bleibt ja leider die Unsicherheit der politischen Lage noch auf weiteres bestehen.
Der Marokkohandel wird aller Voraussicht nach noch auf Wochen, wenn nicht


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[0493] Reichsspiegel vollendeten Organisation unseres Bankwesens. Und doch ist sie richtig. Wer daran zweifeln wollte, hat nur nötig, sich die näheren Begleitumstände des Zusammenbruchs der Bankfirma Kwiet u. Gans vor Augen zu halten, um sich eines Besseren zu belehren. Eine „Bankfirma", die mit ganzen 10000 M. Kapital ihren Betrieb anfängt, in Fachkreisen keinen Kredit genießt, trotzdem aber sich einen Kundenkreis erwirbt, der in kurzem die Firmeninhaber anscheinend zu reichen Männern macht, bis der Konkurs die völlige Mittellosigkeit offenbart und Verluste des Privatpublikums in Höhe von zwei Millionen Mark zutage treten! Einem Geschäft, das den reinen Typus des Bucketshops darstellt, welches am Platze so schlecht akkreditiert ist, daß mit Leichtigkeit ausreichende Infor¬ mationen über seine Qualität hätten eingezogen werden können, werden von Privatleuten zwei Millionen in bar und in Wertpapieren anvertrautI Das ist doch nur denkbar, wenn in weiten Kreisen der Kapitalbesitzer eine völlige Welt- fremdheit obwaltet, eine totale Unkenntnis auch der einfachsten Grundregeln des Bank- und Börsenwesens. Unter den betrübten Gläubigern finden sich solche mit Forderungen von nahezu hunderttausend Mark und nicht nur blindgläubige Hinterwäldler, sondern Männer von Rang und Würden. Man sieht also, der Kampf gegen diese Parasiten der Börse, den der Zentralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes seit einiger Zeit mit Energie aufgenommen hat, ist ein solcher von höchstem Allgemeininteresse. Man darf sich aber nicht darauf beschränken, einzelne Schädlinge, wo man deren gerade habhaft werden kann, auszurotten; wichtiger noch wäre eine fortgesetzte Aufklärungsarbeit unter Mit¬ hilfe der Presse. Nun unterstützt die letztere ja freilich häufig die Bemühungen des Zentralverbandes, indem sie zweideutige Firmen, namentlich des Auslandes brandmarkt; überfliegt man dann aber den Inseratenteil, so findet man, nicht vereinzelt, sondern in ganzen Gruppen jene anrüchigen Anzeigen, in denen ungenannte Wohltäter „absolut sichere" Informationen über in- und auslän¬ dische Wertpapiere anpreisen. Diese Inserate sind eine der beliebtesten und, aus ihrer Häufigkeit zu schließen, wohl auch wirkungsvollsten Methoden des Gimpelfangs. Die Presse sollte unbedingt danach streben, diese indirekte Mit¬ wirkung an dem Treiben der Winkelbankiers zu vermeiden und solchen Inseraten die Aufnahme versagen. Daß dies bei gutem Willen möglich ist, zeigt das Beispiel einiger großen Zeitungen, die ihren Inseratenteil von diesen verdächtigen Kostgängern gesäubert haben. Es ist begreiflich, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein weit verbreitetes Gefühl der Unsicherheit und des Mißtrauens sich regt. Mancherseits wird sogar ein völliger Umschwung der Dinge und das Eintreten einer Krise prophezeit. Nun läßt sich allerdings nicht in Abrede stellen, daß augenblicklich gefahrdrohende Momente vorhanden sind, deren Zusammenwirken einen recht nachteiligen Einfluß auf das gesamte Wirtschaftsleben ausüben kann. Zunächst bleibt ja leider die Unsicherheit der politischen Lage noch auf weiteres bestehen. Der Marokkohandel wird aller Voraussicht nach noch auf Wochen, wenn nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/493>, abgerufen am 04.01.2025.