Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter kann ich Balg doch so viel kosten, ich bin das mit meiner Zeichnerei nicht wert; Er ist übrigens nicht zufrieden mit mir, nicht mit meinen Zeichnungen auf Schadow sprach neulich ernstlich mit mir darüber, ich solle doch Sonntags Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter kann ich Balg doch so viel kosten, ich bin das mit meiner Zeichnerei nicht wert; Er ist übrigens nicht zufrieden mit mir, nicht mit meinen Zeichnungen auf Schadow sprach neulich ernstlich mit mir darüber, ich solle doch Sonntags <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319426"/> <fw type="header" place="top"> Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter</fw><lb/> <p xml:id="ID_2272" prev="#ID_2271"> kann ich Balg doch so viel kosten, ich bin das mit meiner Zeichnerei nicht wert;<lb/> wenn ich das bedenke, so wünsche ich mir oft das Malen, daß ich bald an ein<lb/> Bild komme und was verdiene, anderseits aber bin ich doch um meiner selbst<lb/> willen froh, daß ich noch am Zeichnen bin, ich fühle jetzt, wie nötig es war, ich<lb/> will gar nicht ans Malen, bis ich nicht flott zeichnen kann; was hilft's mir am<lb/> Ende, wenn ich früh und schön male und nicht zeichnen kann; ist aber ein fester<lb/> Grundstein da, so wird das darauf errichtete Haus fest stehen gegen allen Andrang.<lb/> — Ich will an die anderen nicht denken, die mich etwa überflügeln, es ist ihre<lb/> Sache, ich darf wenigstens dreist sagen, daß ich es im Aktzeichnen mit den meisten<lb/> Malern ausnehme. — Ich habe seit der Zeit ungemein mehr technische Fertigkeit<lb/> und Gewandtheit erworben, das fühle ich an allem, es geht viel schneller und<lb/> besser, alles fällt mir so leicht, aber ich habe noch so viel zu lernen (könnte ich<lb/> nur einmal eine Figur aus dem Kopfe richtig zeichnen). — Sehr oft schon habe<lb/> ich Schadow'n zugesehen, wenn er ein Porträt begann, ich meinte, ich müsse ihm<lb/> helfen zeichnen oder malen, wenn ich nur dürfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2273"> Er ist übrigens nicht zufrieden mit mir, nicht mit meinen Zeichnungen auf<lb/> der Akademie, sondern daß ich nichts komponiere. — Er fragte mich erst neulich,<lb/> als ich ihm meine letzte Figur zeigte, ob Sohn mich noch nicht ans Malen lassen<lb/> wolle, ich hätte wohl großes Verlangen danach usw. Damit ist er schon zufrieden,<lb/> ihm wäre es aber viel lieber, wenn ich ihm eine gute Komposition zeigte, er<lb/> nötigte mich fast. — Gegen Großartigkeit hat er nichts, wenn ich es nur aus¬<lb/> führen kann, ich zerbreche mir den Kopf und kann nichts finden. — Es ist gerade<lb/> so, als wenn mein dienstbarer Geist erzürnt wäre, daß ich ihm gänzlich entsagt,<lb/> als ick hierher kam. Ich mußte mich ja da mit Gewalt zwingen und dachte gar<lb/> an nichts anderes als an Komponieren. Die letzte Zeit zu Hause belagerten mich<lb/> Ideen, jetzt, da ich will und soll, kann ich es nimmer. — Ich habe es zehnmal<lb/> versucht, das, was ich wollte, zu Papier zu bringen, aber vergebens.</p><lb/> <p xml:id="ID_2274" next="#ID_2275"> Schadow sprach neulich ernstlich mit mir darüber, ich solle doch Sonntags<lb/> nicht auf der Akademie arbeiten, sondern zu Hause komponieren; er gab mir auf,<lb/> etwas aus der altpatriarchalischen Zeit im Alten Testamente zu komponieren oder<lb/> aus dem Buche Ruth, aber ich habe kein Altes Testament. Und wenn ich da nicht<lb/> eine außerordentliche Idee habe, so ist es nichts, da alles schon so oft behandelt<lb/> ist und wird. — Wolle ich da nicht komponieren, so solle ich an die alten Deutschen<lb/> und Hermann, an die Kämpfe denken. — Da fiel mir wunderliches Zeug ein,<lb/> was ich aber nicht zeichnen kann, z. B. die Verschwörung gegen die Römer auf<lb/> dem Ting im Eichenwald, oder, wie den schwelgenden Teutonen am Arno ihr<lb/> Untergang geweissagt wird, von einer germanischen Zauberin, oder der Triumph<lb/> Hermanns nach geschlagener Schlacht, Opfer zu den Göttern, das hätte ich so<lb/> ziemlich da, aber alles ist zu dumm, zu großartig, zu viel „sie sollen ihn nicht<lb/> haben." — Meine Bemerkung über das Mittelalter schlug er zurück. Ihm hätte<lb/> da immer zu viel der Schneider und der Waffenschmied zu tun, ich solle den reinen<lb/> Menschen ohne Affekterei darstellen; dazu eignen sich die dargebotenen Themas<lb/> sehr gut; er hat sehr wahr gesprochen, einfach, einfach, einfach, und wieder einfach,<lb/> schreib' dir's hinter die Ohren, dummer Junge! — Doch ich kriege nichts heraus,<lb/> das ist eine schöne Geschichte. — Doch, wenn ein Herzog, ein König einem<lb/> Cornelius, Kaulbach einen Auftrag gibt, so bestimmt er ihm den Gegenstand auch,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter
kann ich Balg doch so viel kosten, ich bin das mit meiner Zeichnerei nicht wert;
wenn ich das bedenke, so wünsche ich mir oft das Malen, daß ich bald an ein
Bild komme und was verdiene, anderseits aber bin ich doch um meiner selbst
willen froh, daß ich noch am Zeichnen bin, ich fühle jetzt, wie nötig es war, ich
will gar nicht ans Malen, bis ich nicht flott zeichnen kann; was hilft's mir am
Ende, wenn ich früh und schön male und nicht zeichnen kann; ist aber ein fester
Grundstein da, so wird das darauf errichtete Haus fest stehen gegen allen Andrang.
— Ich will an die anderen nicht denken, die mich etwa überflügeln, es ist ihre
Sache, ich darf wenigstens dreist sagen, daß ich es im Aktzeichnen mit den meisten
Malern ausnehme. — Ich habe seit der Zeit ungemein mehr technische Fertigkeit
und Gewandtheit erworben, das fühle ich an allem, es geht viel schneller und
besser, alles fällt mir so leicht, aber ich habe noch so viel zu lernen (könnte ich
nur einmal eine Figur aus dem Kopfe richtig zeichnen). — Sehr oft schon habe
ich Schadow'n zugesehen, wenn er ein Porträt begann, ich meinte, ich müsse ihm
helfen zeichnen oder malen, wenn ich nur dürfte.
Er ist übrigens nicht zufrieden mit mir, nicht mit meinen Zeichnungen auf
der Akademie, sondern daß ich nichts komponiere. — Er fragte mich erst neulich,
als ich ihm meine letzte Figur zeigte, ob Sohn mich noch nicht ans Malen lassen
wolle, ich hätte wohl großes Verlangen danach usw. Damit ist er schon zufrieden,
ihm wäre es aber viel lieber, wenn ich ihm eine gute Komposition zeigte, er
nötigte mich fast. — Gegen Großartigkeit hat er nichts, wenn ich es nur aus¬
führen kann, ich zerbreche mir den Kopf und kann nichts finden. — Es ist gerade
so, als wenn mein dienstbarer Geist erzürnt wäre, daß ich ihm gänzlich entsagt,
als ick hierher kam. Ich mußte mich ja da mit Gewalt zwingen und dachte gar
an nichts anderes als an Komponieren. Die letzte Zeit zu Hause belagerten mich
Ideen, jetzt, da ich will und soll, kann ich es nimmer. — Ich habe es zehnmal
versucht, das, was ich wollte, zu Papier zu bringen, aber vergebens.
Schadow sprach neulich ernstlich mit mir darüber, ich solle doch Sonntags
nicht auf der Akademie arbeiten, sondern zu Hause komponieren; er gab mir auf,
etwas aus der altpatriarchalischen Zeit im Alten Testamente zu komponieren oder
aus dem Buche Ruth, aber ich habe kein Altes Testament. Und wenn ich da nicht
eine außerordentliche Idee habe, so ist es nichts, da alles schon so oft behandelt
ist und wird. — Wolle ich da nicht komponieren, so solle ich an die alten Deutschen
und Hermann, an die Kämpfe denken. — Da fiel mir wunderliches Zeug ein,
was ich aber nicht zeichnen kann, z. B. die Verschwörung gegen die Römer auf
dem Ting im Eichenwald, oder, wie den schwelgenden Teutonen am Arno ihr
Untergang geweissagt wird, von einer germanischen Zauberin, oder der Triumph
Hermanns nach geschlagener Schlacht, Opfer zu den Göttern, das hätte ich so
ziemlich da, aber alles ist zu dumm, zu großartig, zu viel „sie sollen ihn nicht
haben." — Meine Bemerkung über das Mittelalter schlug er zurück. Ihm hätte
da immer zu viel der Schneider und der Waffenschmied zu tun, ich solle den reinen
Menschen ohne Affekterei darstellen; dazu eignen sich die dargebotenen Themas
sehr gut; er hat sehr wahr gesprochen, einfach, einfach, einfach, und wieder einfach,
schreib' dir's hinter die Ohren, dummer Junge! — Doch ich kriege nichts heraus,
das ist eine schöne Geschichte. — Doch, wenn ein Herzog, ein König einem
Cornelius, Kaulbach einen Auftrag gibt, so bestimmt er ihm den Gegenstand auch,
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