Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter rissen hat, der, sie verteidigend, gefallen ist. Sie ist die höchste Figur im ganzen, Ich habe sie bloß skizziert, wie es Vater immer haben wollte. sDüsseldorfl, 22. Januar 184". Liebe Mutter! Ich habe Dir auf drei liebe Briefe zu antworten, der erste traf gerade Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter rissen hat, der, sie verteidigend, gefallen ist. Sie ist die höchste Figur im ganzen, Ich habe sie bloß skizziert, wie es Vater immer haben wollte. sDüsseldorfl, 22. Januar 184». Liebe Mutter! Ich habe Dir auf drei liebe Briefe zu antworten, der erste traf gerade <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319425"/> <fw type="header" place="top"> Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter</fw><lb/> <p xml:id="ID_2268" prev="#ID_2267"> rissen hat, der, sie verteidigend, gefallen ist. Sie ist die höchste Figur im ganzen,<lb/> majestätisch, schön und schlank. — Ihr zur Seite liegt ein Germane auf seinem<lb/> Schild, von unbekanntem Pfeil getroffen, bei seinem Kopfe kniet seine Mutter,<lb/> oder uoch besser, seine Geliebte, die ihn umfaßt und mit einem schmerzlichen, vor¬<lb/> wurfsvollen Blick zu der unerschütterten Heldin aufblickt, in deren Verteidigung<lb/> der junge Germane gefallen ist. — Es wäre ein schöner Gegensatz, die zarte,<lb/> weibliche Figur, vom Schmerze und Zärtlichkeit gebeugt, zu der ernst aufgerichteten<lb/> Figur, die das Hünenschwert schwingt, um den Römern Rache und Tod zu bringen,<lb/> ungerührt durch den Tod ihres heldenmütigen Verteidigers. — Rechts, über die<lb/> Trümmer der Wagenburg klimmend, eilt ein anderer junger Krieger zu ihrer<lb/> Beschützung herbei, aus dem Kampfgewühl, nur auf sie blickend, unbekümmert<lb/> um die Feinde, die sich nahen; mit einem Schilde, worauf das Bild des Todes<lb/> gemalt ist. — Hinter ihm stürzt ein germanisches Weib einen feigen Sklaven in<lb/> die Flammen und Feinde; hinten Germanen, eine Furie das Lager ansteckend<lb/> (die schlechteste von allen). Eine Germanin ermahnt, mit der Fackel in der Hand<lb/> einen nur an den Schmerz seiner Todeswunden denkenden Germanen. — Unten<lb/> der alte Germane, der wütend die Leiche seines Sohnes verteidigt; ganz rechts<lb/> ein verwundeter Germane, das Schwert im Mund, schwingt sich an einer Achse<lb/> in die Wagenburg hinein. — Ganz im Vordergrunde die Gruppe in matterem<lb/> Lichte und Reflex, hebt sich hell gegen das Kampfgewühl der Römer. — Ein alter<lb/> Germane steigt wie ein wütender Löwe in meinen Gedanken den Berg herauf,<lb/> majestätisch und wild. Er zerbricht mit dem Drucke seiner gewaltigen Faust den<lb/> Legionsadler einem jungen Fahnenträger, der von der Gewalt rücklings stürzt,<lb/> im Kampfe noch mit einem zottigen, geketteten Hunde; rechts davon windet sich<lb/> ein Römer, den ein toter Deutscher krampfhaft gefaßt hält. — Zwischendurch nun<lb/> drängt sich dunkel der geordnete Knäuel der anstürmenden Römer, ich denke sie<lb/> absichtlich dunkel; wie eine verworrene finstere Maschine, in eiserner Manneszucht,<lb/> rücken die Römer an; wie ein ungeheures Tier mit hundert Armen zugleich,<lb/> langsam, aber vernichtend, dringen sie vor, man weiß nicht, wo man hinbauen<lb/> soll, dunkel, listig und todbringend ist die Schar — auch der Hund rüttelt an den<lb/> vielen dichten Schilden. — Hinten der Numidier, dessen Pferd angefallen ist;<lb/> ganz hinten in Nebel Marius, gebietend, vom Kern der Truppen umringt. Im<lb/> Feuer meiner Schilderung finde ich keinen Platz mehr, verzeiht mein Geschwätz,<lb/> ein anderer würde darüber lachen, aber Ihr seid ja so gut, ich habe einmal mit<lb/><note type="bibl"> Euer Anselm.</note> Euch gesprochen. </p><lb/> <p xml:id="ID_2269"> Ich habe sie bloß skizziert, wie es Vater immer haben wollte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2270"> sDüsseldorfl, 22. Januar 184».</p><lb/> <note type="salute"> Liebe Mutter!</note><lb/> <p xml:id="ID_2271" next="#ID_2272"> Ich habe Dir auf drei liebe Briefe zu antworten, der erste traf gerade<lb/> Silvesterabend, wie wir in Gerresheim zu Tische saßen, ein, er machte mir selbigen<lb/> Abend unendliche Freude, so ein schöner Gruß zum Neuen Jahre, es traf sich<lb/> herrlich, ich dachte recht an Euch und wünschte mich herzlich zu Euch, nur nicht<lb/> im Museum; der zweite traf von Koblenz aus bald darauf ein und der dritte<lb/> mit dem großen Wechsel gestern. — Ach, wie kann ich Dir genug danken für die<lb/> gütigen Mahnungen und für das viele, viele Geld; ich erschrecke ordentlich, wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0478]
Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter
rissen hat, der, sie verteidigend, gefallen ist. Sie ist die höchste Figur im ganzen,
majestätisch, schön und schlank. — Ihr zur Seite liegt ein Germane auf seinem
Schild, von unbekanntem Pfeil getroffen, bei seinem Kopfe kniet seine Mutter,
oder uoch besser, seine Geliebte, die ihn umfaßt und mit einem schmerzlichen, vor¬
wurfsvollen Blick zu der unerschütterten Heldin aufblickt, in deren Verteidigung
der junge Germane gefallen ist. — Es wäre ein schöner Gegensatz, die zarte,
weibliche Figur, vom Schmerze und Zärtlichkeit gebeugt, zu der ernst aufgerichteten
Figur, die das Hünenschwert schwingt, um den Römern Rache und Tod zu bringen,
ungerührt durch den Tod ihres heldenmütigen Verteidigers. — Rechts, über die
Trümmer der Wagenburg klimmend, eilt ein anderer junger Krieger zu ihrer
Beschützung herbei, aus dem Kampfgewühl, nur auf sie blickend, unbekümmert
um die Feinde, die sich nahen; mit einem Schilde, worauf das Bild des Todes
gemalt ist. — Hinter ihm stürzt ein germanisches Weib einen feigen Sklaven in
die Flammen und Feinde; hinten Germanen, eine Furie das Lager ansteckend
(die schlechteste von allen). Eine Germanin ermahnt, mit der Fackel in der Hand
einen nur an den Schmerz seiner Todeswunden denkenden Germanen. — Unten
der alte Germane, der wütend die Leiche seines Sohnes verteidigt; ganz rechts
ein verwundeter Germane, das Schwert im Mund, schwingt sich an einer Achse
in die Wagenburg hinein. — Ganz im Vordergrunde die Gruppe in matterem
Lichte und Reflex, hebt sich hell gegen das Kampfgewühl der Römer. — Ein alter
Germane steigt wie ein wütender Löwe in meinen Gedanken den Berg herauf,
majestätisch und wild. Er zerbricht mit dem Drucke seiner gewaltigen Faust den
Legionsadler einem jungen Fahnenträger, der von der Gewalt rücklings stürzt,
im Kampfe noch mit einem zottigen, geketteten Hunde; rechts davon windet sich
ein Römer, den ein toter Deutscher krampfhaft gefaßt hält. — Zwischendurch nun
drängt sich dunkel der geordnete Knäuel der anstürmenden Römer, ich denke sie
absichtlich dunkel; wie eine verworrene finstere Maschine, in eiserner Manneszucht,
rücken die Römer an; wie ein ungeheures Tier mit hundert Armen zugleich,
langsam, aber vernichtend, dringen sie vor, man weiß nicht, wo man hinbauen
soll, dunkel, listig und todbringend ist die Schar — auch der Hund rüttelt an den
vielen dichten Schilden. — Hinten der Numidier, dessen Pferd angefallen ist;
ganz hinten in Nebel Marius, gebietend, vom Kern der Truppen umringt. Im
Feuer meiner Schilderung finde ich keinen Platz mehr, verzeiht mein Geschwätz,
ein anderer würde darüber lachen, aber Ihr seid ja so gut, ich habe einmal mit
Euer Anselm. Euch gesprochen.
Ich habe sie bloß skizziert, wie es Vater immer haben wollte.
sDüsseldorfl, 22. Januar 184».
Liebe Mutter!
Ich habe Dir auf drei liebe Briefe zu antworten, der erste traf gerade
Silvesterabend, wie wir in Gerresheim zu Tische saßen, ein, er machte mir selbigen
Abend unendliche Freude, so ein schöner Gruß zum Neuen Jahre, es traf sich
herrlich, ich dachte recht an Euch und wünschte mich herzlich zu Euch, nur nicht
im Museum; der zweite traf von Koblenz aus bald darauf ein und der dritte
mit dem großen Wechsel gestern. — Ach, wie kann ich Dir genug danken für die
gütigen Mahnungen und für das viele, viele Geld; ich erschrecke ordentlich, wie
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