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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Aarl Anton Fürst von Hohonzollorn

stand und steht, das möchte, wenigstens soweit es Hohenzollern und Preußen
angeht, zu bezweifeln sein. Wie dem aber nun auch sei, wir haben es hier
nur mit Karl Anton, mit dein fürstlichen Hause Hohenzollern zu tun.

Am 12. Juli 1870 schrieb Karl Anton an König Wilhelm: "Am fran¬
zösischen Gouvernement liegt es, heute Europa zu beweisen, daß es ihm durch
Fallenlassen des Kriegsvorwandes um die Festhaltung des Friedens ernst ist.
Wenn nicht, so ist es klargestellt, daß Napoleon nur noch das willenlose Werk¬
zeug der Kriegspartei ist, der er aus dynastischen Erhaltungsgründen blind zu
folgen gezwungen ist." *) An demselben Tage hatte Karl Anton dem Marschall
Prim telegraphiert, daß er im Namen seines Sohnes auf die Thronkandidatur
verzichte. Was Ollivier von der persönlichen Begegnung von Vater und Sohn
erzählt, ist lauter Unsinn. Am 20. August schrieb Karl Anton an seine Stief¬
mutter -- und so hat er sich oft geäußert -- "Die Geschichte wird die Ursachen
und die Folgen des gegenwärtigen Krieges klarlegen. Die spanische Frage war
ein leerer Vorwand; denn Frankreich wollte den Krieg. -- -- Glänzend wird
die Geschichtschreibung es rechtfertigen. Gott hat es so gewollt!" Der Fürst
wie sein Sohn behandelten die ganze Sache lediglich als eine Familienangelegenheit.
Erst als der Verzicht seines Sohnes ohne Folgen bleibt, schreibt er an König
Wilhelm: "Die Kriegsursache ist keine untergeordnete Familienangelegenheit
mehr -- der Krieg erhält einen nationalen Charakter und die deutsche Frage
wird ihrer notwendigen Lösung nähergebracht."

Es war eine aufregende Angelegenheit für den Fürsten, aufregender als alle
bisher an ihn herangetretenen Fragen. Hier handelte es sich nicht um den Glanz
des Hauses Hohenzollern allein; weit mehr stand auf dem Spiele. Das Wohl
und Wehe von Millionen wurde leichtfertig von den französischen Chauvinisten
in Frage gestellt. Das erkannte Karl Anton und deshalb tat er alles, was
in seinen Kräften stand, um die Kriegsfurie einzudämmen und die Kriegspartei
in Frankreich lahm zu legen.

Stand so Karl Anton inmitten der starken Bewegung jener Tage, so führte
auch der Krieg, der nun entbrannte, schwere, innere Kämpfe für ihn herbei.
Noch war es nicht so lange her, da hatte König Wilhelm ihm geschrieben:
"Für den Fall eines Krieges steht Dir unter allen Umständen eine führende
Stelle offen." Und nun da der Krieg mit Frankreich entbrennt, da kann er
nicht mehr so tätig sein, wie damals, als König Wilhelm ihm das geschrieben.
Wohl steht er noch in der Vollkraft des Alters -- denn kaum zählt er sechzig
Jahre und sein Geist ist urkräftig, wie je -- aber sein Beinleiden hat immer
größere Fortschritte gemacht. "Noch in keinem Moment habe meine trostlose
Invalidität ich tief schmerzlicher empfinden müssen, als heute, wo es mehr als
jemals gilt, Preußens und Deutschlands Fahnen hochzuhalten." schrieb er an
den König. Es packt einen, wenn man den Schmerz eines solchen Mannes sieht,



") c>, n, O, S. 267.
Grenzboten til 191139
Aarl Anton Fürst von Hohonzollorn

stand und steht, das möchte, wenigstens soweit es Hohenzollern und Preußen
angeht, zu bezweifeln sein. Wie dem aber nun auch sei, wir haben es hier
nur mit Karl Anton, mit dein fürstlichen Hause Hohenzollern zu tun.

Am 12. Juli 1870 schrieb Karl Anton an König Wilhelm: „Am fran¬
zösischen Gouvernement liegt es, heute Europa zu beweisen, daß es ihm durch
Fallenlassen des Kriegsvorwandes um die Festhaltung des Friedens ernst ist.
Wenn nicht, so ist es klargestellt, daß Napoleon nur noch das willenlose Werk¬
zeug der Kriegspartei ist, der er aus dynastischen Erhaltungsgründen blind zu
folgen gezwungen ist." *) An demselben Tage hatte Karl Anton dem Marschall
Prim telegraphiert, daß er im Namen seines Sohnes auf die Thronkandidatur
verzichte. Was Ollivier von der persönlichen Begegnung von Vater und Sohn
erzählt, ist lauter Unsinn. Am 20. August schrieb Karl Anton an seine Stief¬
mutter — und so hat er sich oft geäußert — „Die Geschichte wird die Ursachen
und die Folgen des gegenwärtigen Krieges klarlegen. Die spanische Frage war
ein leerer Vorwand; denn Frankreich wollte den Krieg. — — Glänzend wird
die Geschichtschreibung es rechtfertigen. Gott hat es so gewollt!" Der Fürst
wie sein Sohn behandelten die ganze Sache lediglich als eine Familienangelegenheit.
Erst als der Verzicht seines Sohnes ohne Folgen bleibt, schreibt er an König
Wilhelm: „Die Kriegsursache ist keine untergeordnete Familienangelegenheit
mehr — der Krieg erhält einen nationalen Charakter und die deutsche Frage
wird ihrer notwendigen Lösung nähergebracht."

Es war eine aufregende Angelegenheit für den Fürsten, aufregender als alle
bisher an ihn herangetretenen Fragen. Hier handelte es sich nicht um den Glanz
des Hauses Hohenzollern allein; weit mehr stand auf dem Spiele. Das Wohl
und Wehe von Millionen wurde leichtfertig von den französischen Chauvinisten
in Frage gestellt. Das erkannte Karl Anton und deshalb tat er alles, was
in seinen Kräften stand, um die Kriegsfurie einzudämmen und die Kriegspartei
in Frankreich lahm zu legen.

Stand so Karl Anton inmitten der starken Bewegung jener Tage, so führte
auch der Krieg, der nun entbrannte, schwere, innere Kämpfe für ihn herbei.
Noch war es nicht so lange her, da hatte König Wilhelm ihm geschrieben:
„Für den Fall eines Krieges steht Dir unter allen Umständen eine führende
Stelle offen." Und nun da der Krieg mit Frankreich entbrennt, da kann er
nicht mehr so tätig sein, wie damals, als König Wilhelm ihm das geschrieben.
Wohl steht er noch in der Vollkraft des Alters — denn kaum zählt er sechzig
Jahre und sein Geist ist urkräftig, wie je — aber sein Beinleiden hat immer
größere Fortschritte gemacht. „Noch in keinem Moment habe meine trostlose
Invalidität ich tief schmerzlicher empfinden müssen, als heute, wo es mehr als
jemals gilt, Preußens und Deutschlands Fahnen hochzuhalten." schrieb er an
den König. Es packt einen, wenn man den Schmerz eines solchen Mannes sieht,



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/473>, abgerufen am 01.01.2025.