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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Karl Anton Fürst von Hohonzollorn

der in demselben Briefe in den Ruf ausbricht: "Tue Eure Majestät es einen:
.Hohenzollern' nicht an, daß Sie ihn heute als ganz unbrauchbar verwerfen!"
Und König Wilhelm verwarf den allzeit Getreuen nicht.

Nach dem Kriege nahm Karl Anton seinen Abschied als Militärgouverneur
der Rheinprovinz und Westfalens. Kaiser Wilhelm schrieb ihm einen ungemein
anerkennenden Brief und, um ihm Freude zu machen, verlieh er seinem Sohne,
dem Erbprinzen, das Prädikat Hoheit.

Der Fürst kehrte auf sein "fabelhaftes Bergschloß", wie es Friedrich Wilhelm
der Vierte 1856 genannt hatte, zurück, wo er nun bis zu seinem Tode lebte. Aber
das beatus ille qui procul ne^otiig nahm Karl Anton nur wenig für sich in
Anspruch. Nun hatte er erst recht Zeit, seine ausgebreitete Korrespondenz zu
pflegen. Wie umfangreich die war, wie allseitig sein Interesse sich bewies, wie
er alltäglich vom Morgen bis zum Abend beschäftigt war, daß er mit Recht
sagen konnte: "Die Fülle der Arbeit erdrückt mich fast", das wissen die, die
ihm im Leben näher gestanden.

Nach Berlin konnte er nicht mehr gehen zur Geburtstagsfeier seines ver¬
götterten Königs und Kaisers, das verbot seine immer mehr zunehmende Inva¬
lidität, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Torheit ist, was Ollivier erzählt, daß
der Fürst nicht mehr nach Berlin kommen durfte, weil er in Ungnade gefallen
sei. Seine Kinder, vor allem sein Sohn, Erbprinz Leopold, vertrat ihn all¬
jährlich am Kaiserhofe, und keiner seiner Briefe, die er regelmäßig um diese Zeit
an den Kaiser und die Kaiserin schrieb, ist frei von schmerzlicher Klage darüber,
daß er nicht mehr kommen kann. Aber Kaiser Wilhelm und Kaiserin Augusta
besuchen ihn und das ist dann allemal ein Frohfest für ihn; denn immer wieder
erkennt er, daß Kaiser Wilhelm ihm seine Zuneigung, sein Vertrauen, seine
Freundschaft bewahrt hat.

Karl Anton nimmt an allem, was das Vaterland bewegt, lebhaften Anteil
und aus seiner ungemein starken Korrespondenz geht hervor, mit welchem Eifer,
mit welchem Feuer, aber auch mit welchem Verständnis und warmer Vaterlands¬
liebe er das tut. -- Am 2. Juni 1885 stirbt Karl Anton. Am 11. Oktober 1884
hat der Kaiser noch durch seine Gegenwart das Fest der goldenen Hochzeit
seines getreuen Stammverwandten geehrt. Es war dies das letzte Mal, daß
sich die beiden sahen. Am 5. Juni 1885 wird Karl Anton in der fürstlichen
Gruft beigesetzt. Hinter seinem Sarge schreitet Kronprinz Friedrich Wilhelm.
Es war der letzte Gruß des kaiserlichen Herrn und seines edlen Sohnes.




Karl Anton Fürst von Hohonzollorn

der in demselben Briefe in den Ruf ausbricht: „Tue Eure Majestät es einen:
.Hohenzollern' nicht an, daß Sie ihn heute als ganz unbrauchbar verwerfen!"
Und König Wilhelm verwarf den allzeit Getreuen nicht.

Nach dem Kriege nahm Karl Anton seinen Abschied als Militärgouverneur
der Rheinprovinz und Westfalens. Kaiser Wilhelm schrieb ihm einen ungemein
anerkennenden Brief und, um ihm Freude zu machen, verlieh er seinem Sohne,
dem Erbprinzen, das Prädikat Hoheit.

Der Fürst kehrte auf sein „fabelhaftes Bergschloß", wie es Friedrich Wilhelm
der Vierte 1856 genannt hatte, zurück, wo er nun bis zu seinem Tode lebte. Aber
das beatus ille qui procul ne^otiig nahm Karl Anton nur wenig für sich in
Anspruch. Nun hatte er erst recht Zeit, seine ausgebreitete Korrespondenz zu
pflegen. Wie umfangreich die war, wie allseitig sein Interesse sich bewies, wie
er alltäglich vom Morgen bis zum Abend beschäftigt war, daß er mit Recht
sagen konnte: „Die Fülle der Arbeit erdrückt mich fast", das wissen die, die
ihm im Leben näher gestanden.

Nach Berlin konnte er nicht mehr gehen zur Geburtstagsfeier seines ver¬
götterten Königs und Kaisers, das verbot seine immer mehr zunehmende Inva¬
lidität, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Torheit ist, was Ollivier erzählt, daß
der Fürst nicht mehr nach Berlin kommen durfte, weil er in Ungnade gefallen
sei. Seine Kinder, vor allem sein Sohn, Erbprinz Leopold, vertrat ihn all¬
jährlich am Kaiserhofe, und keiner seiner Briefe, die er regelmäßig um diese Zeit
an den Kaiser und die Kaiserin schrieb, ist frei von schmerzlicher Klage darüber,
daß er nicht mehr kommen kann. Aber Kaiser Wilhelm und Kaiserin Augusta
besuchen ihn und das ist dann allemal ein Frohfest für ihn; denn immer wieder
erkennt er, daß Kaiser Wilhelm ihm seine Zuneigung, sein Vertrauen, seine
Freundschaft bewahrt hat.

Karl Anton nimmt an allem, was das Vaterland bewegt, lebhaften Anteil
und aus seiner ungemein starken Korrespondenz geht hervor, mit welchem Eifer,
mit welchem Feuer, aber auch mit welchem Verständnis und warmer Vaterlands¬
liebe er das tut. — Am 2. Juni 1885 stirbt Karl Anton. Am 11. Oktober 1884
hat der Kaiser noch durch seine Gegenwart das Fest der goldenen Hochzeit
seines getreuen Stammverwandten geehrt. Es war dies das letzte Mal, daß
sich die beiden sahen. Am 5. Juni 1885 wird Karl Anton in der fürstlichen
Gruft beigesetzt. Hinter seinem Sarge schreitet Kronprinz Friedrich Wilhelm.
Es war der letzte Gruß des kaiserlichen Herrn und seines edlen Sohnes.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/474>, abgerufen am 29.12.2024.