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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Rarl Anton Fürst von Hohenzollern

absolut nichts wissen wolle, ja selbst, daß er auf dem Boden der Maigesetze
stehe, aber er bekämpft die Art des Vorgehens im sogenannten Kulturkampf.
"Das fortiter in re, suaviter in moäo ist nicht Sache unserer Regierung."
Und wieder meinte er: "Wenn man nur in der Bekämpfung der Unglüubigkeit,
der Auflehnung der Massen gegen jede Autorität, der Sozialdemokratie über¬
haupt so viel Energie walten ließe wie im Kulturkampf!"

Das Jahr 1866 brachte für Karl Anton eine ereignisvolle und starkbewegte
Zeit. Als der Krieg gegen Österreich ausbrach, hatte er drei Söhne im
Felde stehen und ein vierter, Karl, stand im Begriff, die Regierung eines Landes
zu übernehmen, von dem Europa nicht viel Gutes wußte. Dabei trat an ihn
selbst die Notwendigkeit heran, als Militärgouverneur der Rheinprovinz und
Westfalens mit ungenügenden Kräften Preußen in diesen Gegenden vor Ein¬
fällen der Feinde zu schützen.

Als Vater stand ihm Schweres, sehr Schweres bevor. Am 5. August starb
der hoffnungsvolle Sohn, Prinz Anton, der in der Schlacht von Königgrätz
schwer verwundet worden war, noch nicht fünfundzwanzigjährig. Karl Anton
trug auch diesen Schmerz, er trug ihn mit edler Fassung, wie er an Großherzog
Friedrich von Baden schrieb: "Man kann älter werden, aber nicht schöner sterben!"

Durch die Misston seines Sohnes Karl wurde Karl Anton in dreifacher
Art in Mitleidenschaft gezogen. Es lag nahe, daß er den schwierigen politischen
Verhältnissen, die sich den: jungen Fürsten von Rumänien entgegenstellten, ein
sehr reges Interesse zuwendete. Die politische und soziale Entwicklung des
Landes beschäftigte ihn stark und was unten auf dein Balkan geschah, hatte
Resonanz bei ihm, dem Politiker und dem Vater.

"Ich verstehe dies nicht und urteile nur objektiv; mein Sohn und dessen
schwierige Lage beeinflußt nur mein Herz, nicht aber meine politische Vernunft",
schrieb er am 4. Juli 1878 an einen Bekannten. Wie eifrig er Anteil an allem
nimmt, was in Rumänien geschieht, an dessen finanziellen Schwierigkeiten in der
Eisenbahnfrage, an dessen innerpolitischen Kämpfen, an den russischen Wühlereien,
das zeigt uns das vierhändige Werk: "Aus dem Leben König Karls von
Rumänien", wo des beständigen Briefwechsels zwischen ihm und dem Herrscher
von Rumänien gedacht wird.

Und doch war alles das noch nicht der Höhepunkt! Der sollte für Karl Anton
erst in der hohenzollerisch-spanischen Thronkandidatur seines Sohnes kommen.

Ob wohl über eine Phase in der neueren Geschichte soviel geschrieben worden
ist, wie über den deutsch-französischen Krieg und dessen Vorgeschichte? Kaum!
Und noch ist das Ende nicht abzusehen. Das Ergebnis des Krieges war ein
gesegnetes und stand ganz außerhalb der Berechnung Frankreichs: die Einigung
Deutschlands. Es hatte so großartige Wirkungen im Gefolge, daß man sich
wohl erklären kann, wie sehr es den Geschichtschreiber angeregt hat. Ob aber
das, was alles geschrieben und gemutmaßt wurde, im Verhältnis zu.dem tat¬
sächlich Geschehenen, zu dem, was sich vor dem Ausbruche des Krieges ereignete,


Rarl Anton Fürst von Hohenzollern

absolut nichts wissen wolle, ja selbst, daß er auf dem Boden der Maigesetze
stehe, aber er bekämpft die Art des Vorgehens im sogenannten Kulturkampf.
„Das fortiter in re, suaviter in moäo ist nicht Sache unserer Regierung."
Und wieder meinte er: „Wenn man nur in der Bekämpfung der Unglüubigkeit,
der Auflehnung der Massen gegen jede Autorität, der Sozialdemokratie über¬
haupt so viel Energie walten ließe wie im Kulturkampf!"

Das Jahr 1866 brachte für Karl Anton eine ereignisvolle und starkbewegte
Zeit. Als der Krieg gegen Österreich ausbrach, hatte er drei Söhne im
Felde stehen und ein vierter, Karl, stand im Begriff, die Regierung eines Landes
zu übernehmen, von dem Europa nicht viel Gutes wußte. Dabei trat an ihn
selbst die Notwendigkeit heran, als Militärgouverneur der Rheinprovinz und
Westfalens mit ungenügenden Kräften Preußen in diesen Gegenden vor Ein¬
fällen der Feinde zu schützen.

Als Vater stand ihm Schweres, sehr Schweres bevor. Am 5. August starb
der hoffnungsvolle Sohn, Prinz Anton, der in der Schlacht von Königgrätz
schwer verwundet worden war, noch nicht fünfundzwanzigjährig. Karl Anton
trug auch diesen Schmerz, er trug ihn mit edler Fassung, wie er an Großherzog
Friedrich von Baden schrieb: „Man kann älter werden, aber nicht schöner sterben!"

Durch die Misston seines Sohnes Karl wurde Karl Anton in dreifacher
Art in Mitleidenschaft gezogen. Es lag nahe, daß er den schwierigen politischen
Verhältnissen, die sich den: jungen Fürsten von Rumänien entgegenstellten, ein
sehr reges Interesse zuwendete. Die politische und soziale Entwicklung des
Landes beschäftigte ihn stark und was unten auf dein Balkan geschah, hatte
Resonanz bei ihm, dem Politiker und dem Vater.

„Ich verstehe dies nicht und urteile nur objektiv; mein Sohn und dessen
schwierige Lage beeinflußt nur mein Herz, nicht aber meine politische Vernunft",
schrieb er am 4. Juli 1878 an einen Bekannten. Wie eifrig er Anteil an allem
nimmt, was in Rumänien geschieht, an dessen finanziellen Schwierigkeiten in der
Eisenbahnfrage, an dessen innerpolitischen Kämpfen, an den russischen Wühlereien,
das zeigt uns das vierhändige Werk: „Aus dem Leben König Karls von
Rumänien", wo des beständigen Briefwechsels zwischen ihm und dem Herrscher
von Rumänien gedacht wird.

Und doch war alles das noch nicht der Höhepunkt! Der sollte für Karl Anton
erst in der hohenzollerisch-spanischen Thronkandidatur seines Sohnes kommen.

Ob wohl über eine Phase in der neueren Geschichte soviel geschrieben worden
ist, wie über den deutsch-französischen Krieg und dessen Vorgeschichte? Kaum!
Und noch ist das Ende nicht abzusehen. Das Ergebnis des Krieges war ein
gesegnetes und stand ganz außerhalb der Berechnung Frankreichs: die Einigung
Deutschlands. Es hatte so großartige Wirkungen im Gefolge, daß man sich
wohl erklären kann, wie sehr es den Geschichtschreiber angeregt hat. Ob aber
das, was alles geschrieben und gemutmaßt wurde, im Verhältnis zu.dem tat¬
sächlich Geschehenen, zu dem, was sich vor dem Ausbruche des Krieges ereignete,


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[0472] Rarl Anton Fürst von Hohenzollern absolut nichts wissen wolle, ja selbst, daß er auf dem Boden der Maigesetze stehe, aber er bekämpft die Art des Vorgehens im sogenannten Kulturkampf. „Das fortiter in re, suaviter in moäo ist nicht Sache unserer Regierung." Und wieder meinte er: „Wenn man nur in der Bekämpfung der Unglüubigkeit, der Auflehnung der Massen gegen jede Autorität, der Sozialdemokratie über¬ haupt so viel Energie walten ließe wie im Kulturkampf!" Das Jahr 1866 brachte für Karl Anton eine ereignisvolle und starkbewegte Zeit. Als der Krieg gegen Österreich ausbrach, hatte er drei Söhne im Felde stehen und ein vierter, Karl, stand im Begriff, die Regierung eines Landes zu übernehmen, von dem Europa nicht viel Gutes wußte. Dabei trat an ihn selbst die Notwendigkeit heran, als Militärgouverneur der Rheinprovinz und Westfalens mit ungenügenden Kräften Preußen in diesen Gegenden vor Ein¬ fällen der Feinde zu schützen. Als Vater stand ihm Schweres, sehr Schweres bevor. Am 5. August starb der hoffnungsvolle Sohn, Prinz Anton, der in der Schlacht von Königgrätz schwer verwundet worden war, noch nicht fünfundzwanzigjährig. Karl Anton trug auch diesen Schmerz, er trug ihn mit edler Fassung, wie er an Großherzog Friedrich von Baden schrieb: „Man kann älter werden, aber nicht schöner sterben!" Durch die Misston seines Sohnes Karl wurde Karl Anton in dreifacher Art in Mitleidenschaft gezogen. Es lag nahe, daß er den schwierigen politischen Verhältnissen, die sich den: jungen Fürsten von Rumänien entgegenstellten, ein sehr reges Interesse zuwendete. Die politische und soziale Entwicklung des Landes beschäftigte ihn stark und was unten auf dein Balkan geschah, hatte Resonanz bei ihm, dem Politiker und dem Vater. „Ich verstehe dies nicht und urteile nur objektiv; mein Sohn und dessen schwierige Lage beeinflußt nur mein Herz, nicht aber meine politische Vernunft", schrieb er am 4. Juli 1878 an einen Bekannten. Wie eifrig er Anteil an allem nimmt, was in Rumänien geschieht, an dessen finanziellen Schwierigkeiten in der Eisenbahnfrage, an dessen innerpolitischen Kämpfen, an den russischen Wühlereien, das zeigt uns das vierhändige Werk: „Aus dem Leben König Karls von Rumänien", wo des beständigen Briefwechsels zwischen ihm und dem Herrscher von Rumänien gedacht wird. Und doch war alles das noch nicht der Höhepunkt! Der sollte für Karl Anton erst in der hohenzollerisch-spanischen Thronkandidatur seines Sohnes kommen. Ob wohl über eine Phase in der neueren Geschichte soviel geschrieben worden ist, wie über den deutsch-französischen Krieg und dessen Vorgeschichte? Kaum! Und noch ist das Ende nicht abzusehen. Das Ergebnis des Krieges war ein gesegnetes und stand ganz außerhalb der Berechnung Frankreichs: die Einigung Deutschlands. Es hatte so großartige Wirkungen im Gefolge, daß man sich wohl erklären kann, wie sehr es den Geschichtschreiber angeregt hat. Ob aber das, was alles geschrieben und gemutmaßt wurde, im Verhältnis zu.dem tat¬ sächlich Geschehenen, zu dem, was sich vor dem Ausbruche des Krieges ereignete,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/472>, abgerufen am 04.01.2025.