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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Acirl Anton Fürst von Hohenzollern

Als der Prinzregent den Stammverwandten an die Spitze des neuen
Ministeriums rief, da stand Karl Anton in der Vollkraft des Alters und wollte
wirken. Man hat ihn: von Anfang an stark entgegengearbeitet. Aus den Kreisen
der Standesgenossen verübelte man es ihm, daß er überhaupt dem Staate in
solcher Stellung Dienste leiste. Wie er, der so gesund über Standesvormteile
dachte, auf diese Einwendungen antwortete, das lese man in meinem Buche über
Karl Anton nach*). Aber er hatte auch manche Gegner, so viele Äußerungen der
Freude, daß endlich ein anderer politischer Wind wehen werde, ihm auch zugingen.
Man erblickte hier und da in seinen liberal-aristokratischen Ansichten eine Gefahr
für das preußische Regime.

Karl Anton hat bis zum Jahre 1862 an der Spitze des Ministeriums
gestanden. Wenn er nicht erreichte, was er erstrebte, so muß man eine Reihe
von Umständen dabei in Betracht ziehen. Zunächst lagen die Militärverhältnisse
sehr im Argen; diese zu bessern, war von jeher des Prinzen Wilhelm angelegent¬
lichste Sorge. Sodann stieß er bei der fast ängstlichen Vorsicht seiner Kollegen,
besonders des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, auf Widerstand.
Wohl wollte er selbst dieses Ressort übernehmen, aber der Prinzregent gab es
nicht zu, weil er den Stammverwandten nicht in die Lage bringen wollte, vor
dem Parlament seine Maßregeln persönlich vertreten zu müssen. Sodann, und das
sollte man nie vergessen, war Preußen noch nicht so gereift, wie wenige Jahre
später. Eine politische Anschauung, wie sie Otto von Bismarck, der echt kon¬
servative Junker von damals, vertrat, konnte wohl im Gegensatz zu der Denk¬
weise eines Karl Anton stehen. Aber gerade er erkannte, daß dieser Mann
Preußen notwendig sei, daß er Preußen groß machen werde. Mehrere Male
lenkte er die Aufmerksamkeit des Monarchen auf den Gesandten hin, der die
auswärtige Politik des Herrn v. Schleinitz mit beißendem Sarkasmus "Gym¬
nasiastenpolitik" nennt. Aber zweimal vergebens. Und als dann König Wilhelm
1862 Bismarck doch an das Ruder rief, da war es Karl Anton, der den König
in einem längeren Briefe zu dieser Wahl beglückwünscht. In einem Schreiben
vom 17. September 1862 sagte er: "Es war schon längst meine innerste Über¬
zeugung, daß er eine der wenigen staatsmännischen Kapazitäten darstellt, die der
Schwierigkeit der Situation gewachsen sein dürften. Von ihm erwarten mit
Recht alle Parteien, daß er nichts der Ehre Preußens, also auch der Krone
und deren Ansehen kein Titelchen vergeben werde**)."

War nun Karl Anton ein Bismarckianer 8An8 Mass? In der äußeren
Politik hat er oft die Tatkraft, den klaren, weiten Blick und den eisernen Willen
des großen Kanzlers anerkannt, in der inneren Politik ist er nicht immer mit
seinen Maßnahmen einverstanden. Mehr als einmal spricht er es unumwunden
aus, daß er kein Ultramontaner sei, daß er von einem politischen Zentrum




") "Karl Anton, Fürst von Hohenzollern." Ein Lebensbild nach seinen hinterlassenen
Papieren. Stuttgart und Leipzig. Deutsche Verlagsanstalt 1911.
*"
) Karl Anton a. a. O, S, 121.
Acirl Anton Fürst von Hohenzollern

Als der Prinzregent den Stammverwandten an die Spitze des neuen
Ministeriums rief, da stand Karl Anton in der Vollkraft des Alters und wollte
wirken. Man hat ihn: von Anfang an stark entgegengearbeitet. Aus den Kreisen
der Standesgenossen verübelte man es ihm, daß er überhaupt dem Staate in
solcher Stellung Dienste leiste. Wie er, der so gesund über Standesvormteile
dachte, auf diese Einwendungen antwortete, das lese man in meinem Buche über
Karl Anton nach*). Aber er hatte auch manche Gegner, so viele Äußerungen der
Freude, daß endlich ein anderer politischer Wind wehen werde, ihm auch zugingen.
Man erblickte hier und da in seinen liberal-aristokratischen Ansichten eine Gefahr
für das preußische Regime.

Karl Anton hat bis zum Jahre 1862 an der Spitze des Ministeriums
gestanden. Wenn er nicht erreichte, was er erstrebte, so muß man eine Reihe
von Umständen dabei in Betracht ziehen. Zunächst lagen die Militärverhältnisse
sehr im Argen; diese zu bessern, war von jeher des Prinzen Wilhelm angelegent¬
lichste Sorge. Sodann stieß er bei der fast ängstlichen Vorsicht seiner Kollegen,
besonders des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, auf Widerstand.
Wohl wollte er selbst dieses Ressort übernehmen, aber der Prinzregent gab es
nicht zu, weil er den Stammverwandten nicht in die Lage bringen wollte, vor
dem Parlament seine Maßregeln persönlich vertreten zu müssen. Sodann, und das
sollte man nie vergessen, war Preußen noch nicht so gereift, wie wenige Jahre
später. Eine politische Anschauung, wie sie Otto von Bismarck, der echt kon¬
servative Junker von damals, vertrat, konnte wohl im Gegensatz zu der Denk¬
weise eines Karl Anton stehen. Aber gerade er erkannte, daß dieser Mann
Preußen notwendig sei, daß er Preußen groß machen werde. Mehrere Male
lenkte er die Aufmerksamkeit des Monarchen auf den Gesandten hin, der die
auswärtige Politik des Herrn v. Schleinitz mit beißendem Sarkasmus „Gym¬
nasiastenpolitik" nennt. Aber zweimal vergebens. Und als dann König Wilhelm
1862 Bismarck doch an das Ruder rief, da war es Karl Anton, der den König
in einem längeren Briefe zu dieser Wahl beglückwünscht. In einem Schreiben
vom 17. September 1862 sagte er: „Es war schon längst meine innerste Über¬
zeugung, daß er eine der wenigen staatsmännischen Kapazitäten darstellt, die der
Schwierigkeit der Situation gewachsen sein dürften. Von ihm erwarten mit
Recht alle Parteien, daß er nichts der Ehre Preußens, also auch der Krone
und deren Ansehen kein Titelchen vergeben werde**)."

War nun Karl Anton ein Bismarckianer 8An8 Mass? In der äußeren
Politik hat er oft die Tatkraft, den klaren, weiten Blick und den eisernen Willen
des großen Kanzlers anerkannt, in der inneren Politik ist er nicht immer mit
seinen Maßnahmen einverstanden. Mehr als einmal spricht er es unumwunden
aus, daß er kein Ultramontaner sei, daß er von einem politischen Zentrum




") „Karl Anton, Fürst von Hohenzollern." Ein Lebensbild nach seinen hinterlassenen
Papieren. Stuttgart und Leipzig. Deutsche Verlagsanstalt 1911.
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[0471] Acirl Anton Fürst von Hohenzollern Als der Prinzregent den Stammverwandten an die Spitze des neuen Ministeriums rief, da stand Karl Anton in der Vollkraft des Alters und wollte wirken. Man hat ihn: von Anfang an stark entgegengearbeitet. Aus den Kreisen der Standesgenossen verübelte man es ihm, daß er überhaupt dem Staate in solcher Stellung Dienste leiste. Wie er, der so gesund über Standesvormteile dachte, auf diese Einwendungen antwortete, das lese man in meinem Buche über Karl Anton nach*). Aber er hatte auch manche Gegner, so viele Äußerungen der Freude, daß endlich ein anderer politischer Wind wehen werde, ihm auch zugingen. Man erblickte hier und da in seinen liberal-aristokratischen Ansichten eine Gefahr für das preußische Regime. Karl Anton hat bis zum Jahre 1862 an der Spitze des Ministeriums gestanden. Wenn er nicht erreichte, was er erstrebte, so muß man eine Reihe von Umständen dabei in Betracht ziehen. Zunächst lagen die Militärverhältnisse sehr im Argen; diese zu bessern, war von jeher des Prinzen Wilhelm angelegent¬ lichste Sorge. Sodann stieß er bei der fast ängstlichen Vorsicht seiner Kollegen, besonders des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, auf Widerstand. Wohl wollte er selbst dieses Ressort übernehmen, aber der Prinzregent gab es nicht zu, weil er den Stammverwandten nicht in die Lage bringen wollte, vor dem Parlament seine Maßregeln persönlich vertreten zu müssen. Sodann, und das sollte man nie vergessen, war Preußen noch nicht so gereift, wie wenige Jahre später. Eine politische Anschauung, wie sie Otto von Bismarck, der echt kon¬ servative Junker von damals, vertrat, konnte wohl im Gegensatz zu der Denk¬ weise eines Karl Anton stehen. Aber gerade er erkannte, daß dieser Mann Preußen notwendig sei, daß er Preußen groß machen werde. Mehrere Male lenkte er die Aufmerksamkeit des Monarchen auf den Gesandten hin, der die auswärtige Politik des Herrn v. Schleinitz mit beißendem Sarkasmus „Gym¬ nasiastenpolitik" nennt. Aber zweimal vergebens. Und als dann König Wilhelm 1862 Bismarck doch an das Ruder rief, da war es Karl Anton, der den König in einem längeren Briefe zu dieser Wahl beglückwünscht. In einem Schreiben vom 17. September 1862 sagte er: „Es war schon längst meine innerste Über¬ zeugung, daß er eine der wenigen staatsmännischen Kapazitäten darstellt, die der Schwierigkeit der Situation gewachsen sein dürften. Von ihm erwarten mit Recht alle Parteien, daß er nichts der Ehre Preußens, also auch der Krone und deren Ansehen kein Titelchen vergeben werde**)." War nun Karl Anton ein Bismarckianer 8An8 Mass? In der äußeren Politik hat er oft die Tatkraft, den klaren, weiten Blick und den eisernen Willen des großen Kanzlers anerkannt, in der inneren Politik ist er nicht immer mit seinen Maßnahmen einverstanden. Mehr als einmal spricht er es unumwunden aus, daß er kein Ultramontaner sei, daß er von einem politischen Zentrum ") „Karl Anton, Fürst von Hohenzollern." Ein Lebensbild nach seinen hinterlassenen Papieren. Stuttgart und Leipzig. Deutsche Verlagsanstalt 1911. *" ) Karl Anton a. a. O, S, 121.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/471>, abgerufen am 04.01.2025.