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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Organisation der Volksbibliotheken

zusammenarbeitenden Faktoren wesentlich beitragen kann. Vor allen Dingen
hat aber erst mit Hilfe dieser Organisation und durch die Arbeit des Verbands¬
bibliothekars das in sachlicher Hinsicht wichtigste Werk bereits wesentlich gefördert
werden können: die gewissenhafte Auswahl des geeigneten, den betreffenden
örtlichen Bildungsverhältnissen umsichtig angepaßten Lesestoffs und seine fort¬
schreitende Vermehrung und Verbesserung." Die Organisationsform, die geschaffen
wurde, ist der 1903 gegründete "Verband oberschlesischer Volksbibliotheken", dessen
Satzungen als Kernpunkt hervorheben: "Der Verband bezweckt die Pflege des
Gemeingefühls der Bibliotheksverwaltungen und die einheitliche Verwertung
ihrer Erfahrungen für die innere und äußere Ausgestaltung des oberschlesischen
Volksbibliothekswesens". Verbandsbibliothekar ist Herr Kaisig in Gleiwitz, der
auch die Verbandszeitschrift "Die Volksbücherei in Oberschlesien" herausgiebt,
die einzige Zeitschrift, die wirklich den praktischen Fachinteressen -- wenn auch
nur eines begrenzten Gebietes -- dient.

Wesentlich anderer Art ist die Organisation in Posen. Die dünnere Be¬
siedlung des Gebiets und das Vorherrschen der Landwirtschaft mit dem geringeren
Lesebedürfnis ihrer Angehörigen bedingten eine andere Form. Dies hat von
vornherein der Organisator der Bibliotheken in der Provinz Posen Herr Direktor
Professor Dr. Focke klar erkannt und die Wanderbibliothek als die zweckmäßigste
Betriebsform in den Vordergrund gestellt. Die Begründung der Organisation
knüpft an an die Errichtung der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek in Posen, mit der
sie durch Personalunion verbunden ist. Man besitzt dort eine doppelte Form
der Wanderbüchereien: die Provinzial- und die Kreis-Wanderbibliothek.

"Die Provinzial-Wanderbibliothek, die als eine besondere Abteilung der
Kaiser-Wilhelm-Bibliothek eingerichtet worden ist, steht im Mittelpunkt der ganzen
Organisation. Sie dient zunächst dazu, als eine Wanderbibliothek höherer
Ordnung die Bücherbestände der öffentlichen Volksbibliotheken der Provinz, soweit
sie aus Staats- und Provinzialmitteln gefördert werden, durch sorgfältig aus¬
gewählten Lesestoff zu verstärken. Aber darüber hinaus ist sie der Stützpunkt
des Ganzen, die Zentral- und Auskunftsstelle aller ihr angeschlossenen Bibliotheken;
sie hilft ihnen mit Rat und Tat und wirkt auf die Hebung und Ausgestaltung
des gesamten Volksbibliothekswesens der Provinz hin. Deshalb ist Bedingung
für den Anschluß einer jeden Bibliothek, der größten wie der kleinsten, ihre
Einfügung in den einheitlichen Betrieb. Daneben ist der freien Entwicklung
und der Hilfe von Organen und Personen, die durch Begründung und Unter¬
stützung von Bibliotheken und Lesehallen an der Hebung einer gesunden Volks¬
bildung mitarbeiten wollen, der weiteste Spielraum gelassen.

Die Organisation der über die Provinz verteilten Bibliotheken von der
bezeichneten Gattung beruht nun wiederum im wesentlichen auf der Form der
Wanderbibliothek. In jedem der vierzig Landkreise der Provinz sind, je nach
Bedarf, eine oder mehrere Kreis-Wanderbibliotheken eingerichtet, sei es durch
Umgestaltung oder Zusammenschließung schon bestehender Bibliotheken, sei es


Organisation der Volksbibliotheken

zusammenarbeitenden Faktoren wesentlich beitragen kann. Vor allen Dingen
hat aber erst mit Hilfe dieser Organisation und durch die Arbeit des Verbands¬
bibliothekars das in sachlicher Hinsicht wichtigste Werk bereits wesentlich gefördert
werden können: die gewissenhafte Auswahl des geeigneten, den betreffenden
örtlichen Bildungsverhältnissen umsichtig angepaßten Lesestoffs und seine fort¬
schreitende Vermehrung und Verbesserung." Die Organisationsform, die geschaffen
wurde, ist der 1903 gegründete „Verband oberschlesischer Volksbibliotheken", dessen
Satzungen als Kernpunkt hervorheben: „Der Verband bezweckt die Pflege des
Gemeingefühls der Bibliotheksverwaltungen und die einheitliche Verwertung
ihrer Erfahrungen für die innere und äußere Ausgestaltung des oberschlesischen
Volksbibliothekswesens". Verbandsbibliothekar ist Herr Kaisig in Gleiwitz, der
auch die Verbandszeitschrift „Die Volksbücherei in Oberschlesien" herausgiebt,
die einzige Zeitschrift, die wirklich den praktischen Fachinteressen — wenn auch
nur eines begrenzten Gebietes — dient.

Wesentlich anderer Art ist die Organisation in Posen. Die dünnere Be¬
siedlung des Gebiets und das Vorherrschen der Landwirtschaft mit dem geringeren
Lesebedürfnis ihrer Angehörigen bedingten eine andere Form. Dies hat von
vornherein der Organisator der Bibliotheken in der Provinz Posen Herr Direktor
Professor Dr. Focke klar erkannt und die Wanderbibliothek als die zweckmäßigste
Betriebsform in den Vordergrund gestellt. Die Begründung der Organisation
knüpft an an die Errichtung der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek in Posen, mit der
sie durch Personalunion verbunden ist. Man besitzt dort eine doppelte Form
der Wanderbüchereien: die Provinzial- und die Kreis-Wanderbibliothek.

„Die Provinzial-Wanderbibliothek, die als eine besondere Abteilung der
Kaiser-Wilhelm-Bibliothek eingerichtet worden ist, steht im Mittelpunkt der ganzen
Organisation. Sie dient zunächst dazu, als eine Wanderbibliothek höherer
Ordnung die Bücherbestände der öffentlichen Volksbibliotheken der Provinz, soweit
sie aus Staats- und Provinzialmitteln gefördert werden, durch sorgfältig aus¬
gewählten Lesestoff zu verstärken. Aber darüber hinaus ist sie der Stützpunkt
des Ganzen, die Zentral- und Auskunftsstelle aller ihr angeschlossenen Bibliotheken;
sie hilft ihnen mit Rat und Tat und wirkt auf die Hebung und Ausgestaltung
des gesamten Volksbibliothekswesens der Provinz hin. Deshalb ist Bedingung
für den Anschluß einer jeden Bibliothek, der größten wie der kleinsten, ihre
Einfügung in den einheitlichen Betrieb. Daneben ist der freien Entwicklung
und der Hilfe von Organen und Personen, die durch Begründung und Unter¬
stützung von Bibliotheken und Lesehallen an der Hebung einer gesunden Volks¬
bildung mitarbeiten wollen, der weiteste Spielraum gelassen.

Die Organisation der über die Provinz verteilten Bibliotheken von der
bezeichneten Gattung beruht nun wiederum im wesentlichen auf der Form der
Wanderbibliothek. In jedem der vierzig Landkreise der Provinz sind, je nach
Bedarf, eine oder mehrere Kreis-Wanderbibliotheken eingerichtet, sei es durch
Umgestaltung oder Zusammenschließung schon bestehender Bibliotheken, sei es


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[0463] Organisation der Volksbibliotheken zusammenarbeitenden Faktoren wesentlich beitragen kann. Vor allen Dingen hat aber erst mit Hilfe dieser Organisation und durch die Arbeit des Verbands¬ bibliothekars das in sachlicher Hinsicht wichtigste Werk bereits wesentlich gefördert werden können: die gewissenhafte Auswahl des geeigneten, den betreffenden örtlichen Bildungsverhältnissen umsichtig angepaßten Lesestoffs und seine fort¬ schreitende Vermehrung und Verbesserung." Die Organisationsform, die geschaffen wurde, ist der 1903 gegründete „Verband oberschlesischer Volksbibliotheken", dessen Satzungen als Kernpunkt hervorheben: „Der Verband bezweckt die Pflege des Gemeingefühls der Bibliotheksverwaltungen und die einheitliche Verwertung ihrer Erfahrungen für die innere und äußere Ausgestaltung des oberschlesischen Volksbibliothekswesens". Verbandsbibliothekar ist Herr Kaisig in Gleiwitz, der auch die Verbandszeitschrift „Die Volksbücherei in Oberschlesien" herausgiebt, die einzige Zeitschrift, die wirklich den praktischen Fachinteressen — wenn auch nur eines begrenzten Gebietes — dient. Wesentlich anderer Art ist die Organisation in Posen. Die dünnere Be¬ siedlung des Gebiets und das Vorherrschen der Landwirtschaft mit dem geringeren Lesebedürfnis ihrer Angehörigen bedingten eine andere Form. Dies hat von vornherein der Organisator der Bibliotheken in der Provinz Posen Herr Direktor Professor Dr. Focke klar erkannt und die Wanderbibliothek als die zweckmäßigste Betriebsform in den Vordergrund gestellt. Die Begründung der Organisation knüpft an an die Errichtung der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek in Posen, mit der sie durch Personalunion verbunden ist. Man besitzt dort eine doppelte Form der Wanderbüchereien: die Provinzial- und die Kreis-Wanderbibliothek. „Die Provinzial-Wanderbibliothek, die als eine besondere Abteilung der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek eingerichtet worden ist, steht im Mittelpunkt der ganzen Organisation. Sie dient zunächst dazu, als eine Wanderbibliothek höherer Ordnung die Bücherbestände der öffentlichen Volksbibliotheken der Provinz, soweit sie aus Staats- und Provinzialmitteln gefördert werden, durch sorgfältig aus¬ gewählten Lesestoff zu verstärken. Aber darüber hinaus ist sie der Stützpunkt des Ganzen, die Zentral- und Auskunftsstelle aller ihr angeschlossenen Bibliotheken; sie hilft ihnen mit Rat und Tat und wirkt auf die Hebung und Ausgestaltung des gesamten Volksbibliothekswesens der Provinz hin. Deshalb ist Bedingung für den Anschluß einer jeden Bibliothek, der größten wie der kleinsten, ihre Einfügung in den einheitlichen Betrieb. Daneben ist der freien Entwicklung und der Hilfe von Organen und Personen, die durch Begründung und Unter¬ stützung von Bibliotheken und Lesehallen an der Hebung einer gesunden Volks¬ bildung mitarbeiten wollen, der weiteste Spielraum gelassen. Die Organisation der über die Provinz verteilten Bibliotheken von der bezeichneten Gattung beruht nun wiederum im wesentlichen auf der Form der Wanderbibliothek. In jedem der vierzig Landkreise der Provinz sind, je nach Bedarf, eine oder mehrere Kreis-Wanderbibliotheken eingerichtet, sei es durch Umgestaltung oder Zusammenschließung schon bestehender Bibliotheken, sei es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/463>, abgerufen am 04.01.2025.