Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Grganisation der volksbibliotheken vollem Recht immer wieder auf die Volksbibliothek hingewiesen. Aber die Frage: Die Gründe für dieses Schweigen über die Volksbibliotheken sind mannigfach. Die Schwäche unserer Volksbibliotheken liegt in ihrer grenzenlosen Zer¬ Grganisation der volksbibliotheken vollem Recht immer wieder auf die Volksbibliothek hingewiesen. Aber die Frage: Die Gründe für dieses Schweigen über die Volksbibliotheken sind mannigfach. Die Schwäche unserer Volksbibliotheken liegt in ihrer grenzenlosen Zer¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319407"/> <fw type="header" place="top"> Grganisation der volksbibliotheken</fw><lb/> <p xml:id="ID_2198" prev="#ID_2197"> vollem Recht immer wieder auf die Volksbibliothek hingewiesen. Aber die Frage:<lb/> wie steht es mit unseren Volksbüchereien? ist seltsamerweise nie aufgeworfen<lb/> worden. Wäre sie an einen unterrichteten Fachmann gestellt worden, so hätte<lb/> die Antwort nur lauten können: es ist die höchste Zeit, mit durchgreifenden<lb/> Mitteln vorzugehen, wenn das Bestehende weiterentwickelt und Neues geschaffen<lb/> werden soll. Wem die Bedeutung des gedruckten Wortes für unser ganzes<lb/> Volksleben früher noch nicht aufgegangen ist, dem sollten die Debatten über die<lb/> Schundliteratur und zum Teil auch die über die Jugendfrage die Augen geöffnet<lb/> haben! Es handelt sich bei den Volksbibliotheken nicht um eine Frage, die nur<lb/> die Literaturfreunde beschäftigen sollte, sondern um eine nationale Angelegenheit.<lb/> Es kann dem Staat und der Gesellschaft nicht gleichgültig sein, welche Bücher<lb/> das Volk liest, denn diese Bücher üben einen geistigen Einfluß aus, der sich zum<lb/> Schaden oder Nutzen der Nation einmal äußern muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_2199"> Die Gründe für dieses Schweigen über die Volksbibliotheken sind mannigfach.<lb/> Zunächst handelt es sich hier um Dinge, die eindringende Kenntnisse verlangen,<lb/> die nur wenige besitzen. Es gibt in ganz Deutschland wohl kaum ein Dutzend<lb/> Männer, die diese wirklich haben, und sie sind so beschäftigt, daß ihnen für<lb/> eine große, schriftstellerische Tätigkeit keine Zeit bleibt. Vor allen Dingen aber<lb/> fehlt der Bewegung eine Persönlichkeit, die das nötige Ansehen, die nötige<lb/> Stellung und die Begeisterung besitzt, sich als uneigennütziger Führer an die<lb/> Spitze zu stellen. Was eine solche Persönlichkeit vermag, zeigt deutlich Herr<lb/> v. Schenckendorff. Was wäre die Sport- und Spielbewegung ohne seine nie<lb/> erlahmende, geschickte Tätigkeit! Diese Führerrolle auf dem Gebiete..des Volks¬<lb/> bibliothekwesens wäre allerdings schwieriger, denn hier handelt es sich nicht um<lb/> Einrichtungen, deren Erfolge so leicht sichtbar zu machen sind. Und hier fehlt<lb/> auch die mächtige Unterstützung, die Sport und Spiel durch das militärische<lb/> Interesse erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2200" next="#ID_2201"> Die Schwäche unserer Volksbibliotheken liegt in ihrer grenzenlosen Zer¬<lb/> splitterung. Wir haben Büchereien, die öffentlichen Körperschaften oder Vereinen,<lb/> solche, die Jndustriegesellschaften oder Privatpersonen gehören; wir haben<lb/> Bibliotheken, die mehr oder minder konfessionell oder politisch geleitet werden.<lb/> Diese Buntheit hat gewiß manchen Vorteil, infofern sie vor Schablone bewahrt<lb/> und einem freien Spiel der Kräfte Platz schafft. Aber diese Vorteile ließen sich<lb/> auch zum Teil auf anderem Wege erreichen. Unter den heutigen Verhältnissen<lb/> sind sie jedenfalls sehr teuer erkauft. Nicht nur zum Kriegführen, sondern auch<lb/> zur Errichtung und Unterhaltung von Volksbibliotheken gehört Geld. Wie steht<lb/> es aber damit? Wir haben eine sehr große Zahl von Städten, die dafür auch<lb/> nicht einen Pfennig hergeben, andere mit Tausenden von Einwohnern glauben<lb/> sehr viel geleistet zu haben, wenn sie sür diesen Zweck 50 bis 200 Mark in<lb/> ihren Etat einstellen. Zu dem chronischen Geldmangel gesellt sich häufig der<lb/> Mangel an einem geeigneten Lokal und vor allem an einem geeigneten Ver¬<lb/> walter. Ich kenne Fälle, in denen die Herren nicht einmal die Titel der in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
Grganisation der volksbibliotheken
vollem Recht immer wieder auf die Volksbibliothek hingewiesen. Aber die Frage:
wie steht es mit unseren Volksbüchereien? ist seltsamerweise nie aufgeworfen
worden. Wäre sie an einen unterrichteten Fachmann gestellt worden, so hätte
die Antwort nur lauten können: es ist die höchste Zeit, mit durchgreifenden
Mitteln vorzugehen, wenn das Bestehende weiterentwickelt und Neues geschaffen
werden soll. Wem die Bedeutung des gedruckten Wortes für unser ganzes
Volksleben früher noch nicht aufgegangen ist, dem sollten die Debatten über die
Schundliteratur und zum Teil auch die über die Jugendfrage die Augen geöffnet
haben! Es handelt sich bei den Volksbibliotheken nicht um eine Frage, die nur
die Literaturfreunde beschäftigen sollte, sondern um eine nationale Angelegenheit.
Es kann dem Staat und der Gesellschaft nicht gleichgültig sein, welche Bücher
das Volk liest, denn diese Bücher üben einen geistigen Einfluß aus, der sich zum
Schaden oder Nutzen der Nation einmal äußern muß.
Die Gründe für dieses Schweigen über die Volksbibliotheken sind mannigfach.
Zunächst handelt es sich hier um Dinge, die eindringende Kenntnisse verlangen,
die nur wenige besitzen. Es gibt in ganz Deutschland wohl kaum ein Dutzend
Männer, die diese wirklich haben, und sie sind so beschäftigt, daß ihnen für
eine große, schriftstellerische Tätigkeit keine Zeit bleibt. Vor allen Dingen aber
fehlt der Bewegung eine Persönlichkeit, die das nötige Ansehen, die nötige
Stellung und die Begeisterung besitzt, sich als uneigennütziger Führer an die
Spitze zu stellen. Was eine solche Persönlichkeit vermag, zeigt deutlich Herr
v. Schenckendorff. Was wäre die Sport- und Spielbewegung ohne seine nie
erlahmende, geschickte Tätigkeit! Diese Führerrolle auf dem Gebiete..des Volks¬
bibliothekwesens wäre allerdings schwieriger, denn hier handelt es sich nicht um
Einrichtungen, deren Erfolge so leicht sichtbar zu machen sind. Und hier fehlt
auch die mächtige Unterstützung, die Sport und Spiel durch das militärische
Interesse erhalten.
Die Schwäche unserer Volksbibliotheken liegt in ihrer grenzenlosen Zer¬
splitterung. Wir haben Büchereien, die öffentlichen Körperschaften oder Vereinen,
solche, die Jndustriegesellschaften oder Privatpersonen gehören; wir haben
Bibliotheken, die mehr oder minder konfessionell oder politisch geleitet werden.
Diese Buntheit hat gewiß manchen Vorteil, infofern sie vor Schablone bewahrt
und einem freien Spiel der Kräfte Platz schafft. Aber diese Vorteile ließen sich
auch zum Teil auf anderem Wege erreichen. Unter den heutigen Verhältnissen
sind sie jedenfalls sehr teuer erkauft. Nicht nur zum Kriegführen, sondern auch
zur Errichtung und Unterhaltung von Volksbibliotheken gehört Geld. Wie steht
es aber damit? Wir haben eine sehr große Zahl von Städten, die dafür auch
nicht einen Pfennig hergeben, andere mit Tausenden von Einwohnern glauben
sehr viel geleistet zu haben, wenn sie sür diesen Zweck 50 bis 200 Mark in
ihren Etat einstellen. Zu dem chronischen Geldmangel gesellt sich häufig der
Mangel an einem geeigneten Lokal und vor allem an einem geeigneten Ver¬
walter. Ich kenne Fälle, in denen die Herren nicht einmal die Titel der in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |