Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichssxiegcl Marokkoverhandlungm nur sehr lose zusammenhinge, aber Deutschlands Ansehen Bank und Geld Der Liquidationsprozeß um der Börse -- Erzwungene Etatsstellungen und Verluste -- Rückwirkung der Börsentendenz auf die wirtschaftliche Lage -- Kursrückgang der Reichsanleihe -- Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kurse der Staatspapiere -- Deutsche Kolonialgesellschaft -- Enttäuschungen -- Diamantcnzoll Der Liquidationsprozeß an der Börse ist im raschen Fortschreiten Reichssxiegcl Marokkoverhandlungm nur sehr lose zusammenhinge, aber Deutschlands Ansehen Bank und Geld Der Liquidationsprozeß um der Börse — Erzwungene Etatsstellungen und Verluste — Rückwirkung der Börsentendenz auf die wirtschaftliche Lage — Kursrückgang der Reichsanleihe — Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kurse der Staatspapiere — Deutsche Kolonialgesellschaft — Enttäuschungen — Diamantcnzoll Der Liquidationsprozeß an der Börse ist im raschen Fortschreiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319391"/> <fw type="header" place="top"> Reichssxiegcl</fw><lb/> <p xml:id="ID_2119" prev="#ID_2118"> Marokkoverhandlungm nur sehr lose zusammenhinge, aber Deutschlands Ansehen<lb/> in der ganzen Welt herabsetzen müßte, während England als machtvoller Lenker<lb/> der Weltpolitik dastünde. So zu sprechen erlauben mir die Ausführungen<lb/> des britischen Botschafters, des Herrn Cartwright zu Wien, die sich in<lb/> der Neuen Freien Presse finden. In Form einer Warnung vor dem Kriege wird<lb/> hier gewissenlos der Krieg geschürt. Denn die an Deutschland von unberufener<lb/> Seite gerichtete Aufforderung sich gefälligst vor Frankreich zurückzuziehen, zwingt<lb/> uns erst recht die Kriegswaffe in die Hand zu nehmen und dem dreisten Burschen<lb/> die Tür zu weisen, nicht um den Krieg zu beginnen, sondern ihn durch Festigkeit<lb/> zu verhindern. Was die Reichsregierung angesichts der Herausforderung zu tun<lb/> gedenkt, ist noch nicht bekannt, doch darf angenommen werden, daß sie in London<lb/> um Aufklärung ersuchen wird. Vorläufig heißt es abwarten und dem Auslande<lb/> klar machen, daß das deutsche Volk wie ein Mann geschlossen hinter seine<lb/> Regierung tritt, sobald eine Gefahr an seine Landesgrenzen pocht. Keine Kritik!<lb/> kein SchmähenI sondern nur einmütiges sich fügen! Der Wille des deutschen<lb/> Volkes sich von England keine Vorschriften machen zu lassen, sollte in mächtigen<lb/> Akkorden das Erdenrund erzittern machen! Dann bleibt uns der Krieg, den kein<lb/><note type="byline"> G. <Li,</note> Deutscher fürchtet, erspart. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bank und Geld</head><lb/> <note type="argument"> Der Liquidationsprozeß um der Börse — Erzwungene Etatsstellungen und Verluste —<lb/> Rückwirkung der Börsentendenz auf die wirtschaftliche Lage — Kursrückgang der<lb/> Reichsanleihe — Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kurse der Staatspapiere — Deutsche<lb/> Kolonialgesellschaft — Enttäuschungen — Diamantcnzoll</note><lb/> <p xml:id="ID_2120" next="#ID_2121"> Der Liquidationsprozeß an der Börse ist im raschen Fortschreiten<lb/> begriffen. Zeitweise gewann die Situation sogar ein recht unbehagliches Ansehen,<lb/> als die führenden Werte, vor allem die Montanpapiere Kursrückgänge erlitten,<lb/> welche sonst nur zuzeiten einer Panik aufzutreten pflegen. Den Anstoß zu diesem<lb/> Preisfall gab ein Börsengerücht über eine Verschärfung der Gegensätze in der<lb/> Marokkofrage. Indessen war dies nur der äußere Anlaß. Tatsächlich tritt jetzt,<lb/> unter dem Zusammenwirken verschiedener Umstände, politischer wie wirtschaftlicher<lb/> Natur, das ein, was Kundige schon längere Zeit vorausgesehen haben: eine<lb/> Reaktion gegen den so lange Zeit unbeschränkt herrschenden Optimismus, der das<lb/> Kursniveau infolge der spekulativen Käufe des Publikums höher und höher getrieben<lb/> hat, ohne auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Auch an dieser<lb/> Stelle ist schon vor geraumer Zeit auf die Überladung der Spekulation hingewiesen<lb/> worden. Insbesondere am Markte der gegen Kasse gehandelten Jndustriepapiere<lb/> kannte das Publikum keine Selbstbeschränkung mehr. Alle Warnungen wurden in<lb/> den Wind geschlagen, und nun der Umschwung eingetreten ist, scheint eine gleich<lb/> große Mutlosigkeit und Beängstigung die Herrschaft zu übernehmen. Das wäre<lb/> wenig gerechtfertigt, da, wie wir wiederholt betont haben, die allgemeine wirt¬<lb/> schaftliche Lage gerade jetzt eine bessere Aussicht für die Zukunft zu bieten scheint,<lb/> als noch vor einigen Monaten. Allerdings ist zweierlei nicht zu übersehen. Ein¬<lb/> mal, daß ein eingeleiteter Liquidationsprozeß von dem gegenwärtigen Umfang<lb/> nicht leicht zum Stillstand gebracht werden kann. Ein Keil treibt hier den anderen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
Reichssxiegcl
Marokkoverhandlungm nur sehr lose zusammenhinge, aber Deutschlands Ansehen
in der ganzen Welt herabsetzen müßte, während England als machtvoller Lenker
der Weltpolitik dastünde. So zu sprechen erlauben mir die Ausführungen
des britischen Botschafters, des Herrn Cartwright zu Wien, die sich in
der Neuen Freien Presse finden. In Form einer Warnung vor dem Kriege wird
hier gewissenlos der Krieg geschürt. Denn die an Deutschland von unberufener
Seite gerichtete Aufforderung sich gefälligst vor Frankreich zurückzuziehen, zwingt
uns erst recht die Kriegswaffe in die Hand zu nehmen und dem dreisten Burschen
die Tür zu weisen, nicht um den Krieg zu beginnen, sondern ihn durch Festigkeit
zu verhindern. Was die Reichsregierung angesichts der Herausforderung zu tun
gedenkt, ist noch nicht bekannt, doch darf angenommen werden, daß sie in London
um Aufklärung ersuchen wird. Vorläufig heißt es abwarten und dem Auslande
klar machen, daß das deutsche Volk wie ein Mann geschlossen hinter seine
Regierung tritt, sobald eine Gefahr an seine Landesgrenzen pocht. Keine Kritik!
kein SchmähenI sondern nur einmütiges sich fügen! Der Wille des deutschen
Volkes sich von England keine Vorschriften machen zu lassen, sollte in mächtigen
Akkorden das Erdenrund erzittern machen! Dann bleibt uns der Krieg, den kein
G. <Li, Deutscher fürchtet, erspart.
Bank und Geld
Der Liquidationsprozeß um der Börse — Erzwungene Etatsstellungen und Verluste —
Rückwirkung der Börsentendenz auf die wirtschaftliche Lage — Kursrückgang der
Reichsanleihe — Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kurse der Staatspapiere — Deutsche
Kolonialgesellschaft — Enttäuschungen — Diamantcnzoll
Der Liquidationsprozeß an der Börse ist im raschen Fortschreiten
begriffen. Zeitweise gewann die Situation sogar ein recht unbehagliches Ansehen,
als die führenden Werte, vor allem die Montanpapiere Kursrückgänge erlitten,
welche sonst nur zuzeiten einer Panik aufzutreten pflegen. Den Anstoß zu diesem
Preisfall gab ein Börsengerücht über eine Verschärfung der Gegensätze in der
Marokkofrage. Indessen war dies nur der äußere Anlaß. Tatsächlich tritt jetzt,
unter dem Zusammenwirken verschiedener Umstände, politischer wie wirtschaftlicher
Natur, das ein, was Kundige schon längere Zeit vorausgesehen haben: eine
Reaktion gegen den so lange Zeit unbeschränkt herrschenden Optimismus, der das
Kursniveau infolge der spekulativen Käufe des Publikums höher und höher getrieben
hat, ohne auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Auch an dieser
Stelle ist schon vor geraumer Zeit auf die Überladung der Spekulation hingewiesen
worden. Insbesondere am Markte der gegen Kasse gehandelten Jndustriepapiere
kannte das Publikum keine Selbstbeschränkung mehr. Alle Warnungen wurden in
den Wind geschlagen, und nun der Umschwung eingetreten ist, scheint eine gleich
große Mutlosigkeit und Beängstigung die Herrschaft zu übernehmen. Das wäre
wenig gerechtfertigt, da, wie wir wiederholt betont haben, die allgemeine wirt¬
schaftliche Lage gerade jetzt eine bessere Aussicht für die Zukunft zu bieten scheint,
als noch vor einigen Monaten. Allerdings ist zweierlei nicht zu übersehen. Ein¬
mal, daß ein eingeleiteter Liquidationsprozeß von dem gegenwärtigen Umfang
nicht leicht zum Stillstand gebracht werden kann. Ein Keil treibt hier den anderen.
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