Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichsspiegel ebenso wie des deutsch-marokkanischen Handelsvertrages vom 1. Juli 1890, wie Reichsspiegel ebenso wie des deutsch-marokkanischen Handelsvertrages vom 1. Juli 1890, wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319388"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2113" prev="#ID_2112" next="#ID_2114"> ebenso wie des deutsch-marokkanischen Handelsvertrages vom 1. Juli 1890, wie<lb/> der Algecirasakte vom 7. April 1906 (Art. 105), wie des deutsch-französischen<lb/> Marokkoabkommens vom 9. Februar 1909, wie schließlich des französisch-<lb/> marokkanischen Abkommens vom 4. März 1910, das wesentlich unter dem Druck<lb/> der deutschen Diplomatie zustande gekommen ist. Dem Prinzip der offenen Tür<lb/> stellte Kaiser Wilhelm der Zweite seine persönlichen Dienste zur Verfügung, als<lb/> er am 31. März 1905 in Tanger landete. studiert man die angeführten Akten<lb/> der Marokkofrage und was dazu gehört unbefangen, so bekommt man auch ein<lb/> richtiges Bild von der Aufmerksamkeit, mit der unsere Diplomatie von Anfang an<lb/> und noch lange bevor deutsche Unternehmer sich in nennenswerter Zahl für das<lb/> Land am Atlas interessierten, die Vorgänge in Nordwestafrika verfolgte. Erst im<lb/> Jahre 1904 verstand es der kühne Theobald Ziegler, die deutschen Industriellen<lb/> für Marokko lebhaft zu begeistern, und erst das Jahr 1906 brachte einen der<lb/> Herren Mannesmann gelegentlich seiner Hochzeitsreise zufällig in das Land der<lb/> Scherifen. Nachdem aber z. V. Herr Thyssen erkannt hatte, daß in Marokko<lb/> Vorteile für seine industriellen Unternehmungen herauszuschlagen seien, arbeitete<lb/> er mit Theobald Ziegler einen diplomatischen Feldzugsplan aus und versuchte,<lb/> das Auswärtige Amt zu zwingen, ihn sich für sein ferneres Vorgehen in Marokko<lb/> zur Richtschnur zu nehmen. Tyssens Vorschläge liefen darauf hinaus, Deutschland<lb/> solle seinen Kampf um die offene Tür erweitern zu einem Kampf um den politischen<lb/> Einfluß in Marokko, und dort gerade die Mittel anwenden, die es bisher Frankreich<lb/> zu verwehren strebte. Auf Grund seiner Kenntnis der historischen Entwicklung<lb/> der Marokkofrage ebenso wie in richtiger Bewertung der inner-marokkanischen<lb/> Zustände lehnte Fürst Bülow derartige Vorschläge ab und verwies die deutschen<lb/> Interessenten auf den Weg, den der deutsche Handel seit der Reichs¬<lb/> gründung mit wachsendem Nutzen gegangen ist, aus' den Weg der freien Kon¬<lb/> kurrenz. Und nun begann die deutsche Presse Zeter und Mordio zu schreien und.<lb/> ganz besonders nach dem Kaiserbesuch in Tanger die Diplomatie der Schändung<lb/> deutscher Ehre anzuklagen. In Wirklichkeit konnte weder im Jahre 1905 noch<lb/> kann jetzt davon die Rede sein. Das deutsche Reichs- und Volksinteresse läuft<lb/> nicht immer parallel mit den Wünschen und Unternehmungen einzelner, und<lb/> wenn auch jeder einzelne Staatsbürger im Auslande sich auf die Wahrnehmung<lb/> seiner Interessen durch das Reich niuß verlassen können, so haben die obersten<lb/> Reichsinstanzen doch in jedem Falle abzuwägen, ob nicht die Unterstützung eines<lb/> einzelnen dem Wohls der Gesamtheit zuwiderläuft. Diese Auffassungen sind den<lb/> Herren Mannesmann klargelegt worden, und da sie dagegen nichts haben gut<lb/> einwenden können, haben ihre journalistischen Helfershelfer Wege gesucht, auf denen sie<lb/> glauben, das Einzelinteresse der Herren Mannesmann mit dem der Gesamtheit zu<lb/> decken. Wie solches geschehen, habe ich bereits in Ur. 32 der „Grenzboten" angedeutet<lb/> und habe auch gezeigt, auf welche Argumente sich die Blätter der Schwerindustrie und<lb/> einige Unentwegte bei ihrem Vorgehen in der Marokkofrage stützen, um sie zu einer<lb/> allgemein deutschen zu erheben. Wie ich mit Genugtuung feststellen darf, hat<lb/> besonders der Hinweis auf die Unmöglichkeit, Menschen in genügender Zahl aus<lb/> Deutschland zu exportieren, seine Wirkung nicht verfehlt. Heute darf ich die<lb/> beiden weiteren Gründe unter die Lupe nehmen, denen zuliebe Deutschland<lb/> einen Weltkrieg beginnen soll. Als das wichtigste Argument wurde die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
Reichsspiegel
ebenso wie des deutsch-marokkanischen Handelsvertrages vom 1. Juli 1890, wie
der Algecirasakte vom 7. April 1906 (Art. 105), wie des deutsch-französischen
Marokkoabkommens vom 9. Februar 1909, wie schließlich des französisch-
marokkanischen Abkommens vom 4. März 1910, das wesentlich unter dem Druck
der deutschen Diplomatie zustande gekommen ist. Dem Prinzip der offenen Tür
stellte Kaiser Wilhelm der Zweite seine persönlichen Dienste zur Verfügung, als
er am 31. März 1905 in Tanger landete. studiert man die angeführten Akten
der Marokkofrage und was dazu gehört unbefangen, so bekommt man auch ein
richtiges Bild von der Aufmerksamkeit, mit der unsere Diplomatie von Anfang an
und noch lange bevor deutsche Unternehmer sich in nennenswerter Zahl für das
Land am Atlas interessierten, die Vorgänge in Nordwestafrika verfolgte. Erst im
Jahre 1904 verstand es der kühne Theobald Ziegler, die deutschen Industriellen
für Marokko lebhaft zu begeistern, und erst das Jahr 1906 brachte einen der
Herren Mannesmann gelegentlich seiner Hochzeitsreise zufällig in das Land der
Scherifen. Nachdem aber z. V. Herr Thyssen erkannt hatte, daß in Marokko
Vorteile für seine industriellen Unternehmungen herauszuschlagen seien, arbeitete
er mit Theobald Ziegler einen diplomatischen Feldzugsplan aus und versuchte,
das Auswärtige Amt zu zwingen, ihn sich für sein ferneres Vorgehen in Marokko
zur Richtschnur zu nehmen. Tyssens Vorschläge liefen darauf hinaus, Deutschland
solle seinen Kampf um die offene Tür erweitern zu einem Kampf um den politischen
Einfluß in Marokko, und dort gerade die Mittel anwenden, die es bisher Frankreich
zu verwehren strebte. Auf Grund seiner Kenntnis der historischen Entwicklung
der Marokkofrage ebenso wie in richtiger Bewertung der inner-marokkanischen
Zustände lehnte Fürst Bülow derartige Vorschläge ab und verwies die deutschen
Interessenten auf den Weg, den der deutsche Handel seit der Reichs¬
gründung mit wachsendem Nutzen gegangen ist, aus' den Weg der freien Kon¬
kurrenz. Und nun begann die deutsche Presse Zeter und Mordio zu schreien und.
ganz besonders nach dem Kaiserbesuch in Tanger die Diplomatie der Schändung
deutscher Ehre anzuklagen. In Wirklichkeit konnte weder im Jahre 1905 noch
kann jetzt davon die Rede sein. Das deutsche Reichs- und Volksinteresse läuft
nicht immer parallel mit den Wünschen und Unternehmungen einzelner, und
wenn auch jeder einzelne Staatsbürger im Auslande sich auf die Wahrnehmung
seiner Interessen durch das Reich niuß verlassen können, so haben die obersten
Reichsinstanzen doch in jedem Falle abzuwägen, ob nicht die Unterstützung eines
einzelnen dem Wohls der Gesamtheit zuwiderläuft. Diese Auffassungen sind den
Herren Mannesmann klargelegt worden, und da sie dagegen nichts haben gut
einwenden können, haben ihre journalistischen Helfershelfer Wege gesucht, auf denen sie
glauben, das Einzelinteresse der Herren Mannesmann mit dem der Gesamtheit zu
decken. Wie solches geschehen, habe ich bereits in Ur. 32 der „Grenzboten" angedeutet
und habe auch gezeigt, auf welche Argumente sich die Blätter der Schwerindustrie und
einige Unentwegte bei ihrem Vorgehen in der Marokkofrage stützen, um sie zu einer
allgemein deutschen zu erheben. Wie ich mit Genugtuung feststellen darf, hat
besonders der Hinweis auf die Unmöglichkeit, Menschen in genügender Zahl aus
Deutschland zu exportieren, seine Wirkung nicht verfehlt. Heute darf ich die
beiden weiteren Gründe unter die Lupe nehmen, denen zuliebe Deutschland
einen Weltkrieg beginnen soll. Als das wichtigste Argument wurde die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |