Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Italienische Ausstellungsrcise Als die kunstvollste aller Ausstellungen muß jedoch die sogenannte ethno¬ Ein Bericht wie dieser, der es zur Aufgabe hat, aus einer unermeßlichen Italienische Ausstellungsrcise Als die kunstvollste aller Ausstellungen muß jedoch die sogenannte ethno¬ Ein Bericht wie dieser, der es zur Aufgabe hat, aus einer unermeßlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319377"/> <fw type="header" place="top"> Italienische Ausstellungsrcise</fw><lb/> <p xml:id="ID_2079"> Als die kunstvollste aller Ausstellungen muß jedoch die sogenannte ethno¬<lb/> graphische auf der Piazza d'Armi bezeichnet werden, eine Huldigung der italie¬<lb/> nischen Provinzen an Rom, deren Pavillons. Nachahmungen berühmter Bau¬<lb/> werke, um einen schönen Teich in gut berechneter Anlage geordnet sind. So<lb/> sehen wir Venedig mit dem Uhrturm und der Libreria des Sansovino und<lb/> einem kleinen grünen Kanal zwischen zwei charakteristischen Häusern, sehen<lb/> Sizilien mit dem halb schon arabischen Palermitaner Dom. ein hohes Kastell<lb/> der Mark und, hoch, getragen, leuchtend, den Tempel von Poseidonia, ein<lb/> Gleichnis, wie Griechenland Rom überleuchtet und überragt. Das Innere jedes<lb/> Pavillons ist voll von Nachahmungen alter Zeit, am entzückendsten sind das<lb/> nach einer alten Miniatur wiederhergestellte Zimmer Petrarkas und das Schlaf¬<lb/> gemach der heiligen Ursula nach dem schönen Bilde des Carpaccio. Im Mai¬<lb/> länder Pavillon: Zeichnungen des Leonardo da Vinci. Zwei große Gebäude<lb/> für Volkskunst, hinter riesigen Vitrinen offene Theaterszenen mit kostümierter<lb/> lebensgroßen Puppen, geben eher gespenstischen Eindruck, bedrängen damit, daß<lb/> hier volles Leben mit dem Anschein des Lebendigen erstarrt ist und aus Ver¬<lb/> zauberung tieferen Zauber ausübt. Alle diese Schaustellungen sind jedoch kaum<lb/> mehr als Spiel; Bedeutung kommt allein der großen internationalen Kunst¬<lb/> ausstellung zu, die das weite Terrain der hügeligen Valle Giulia im Giardino<lb/> Borghese mit vielen kleinen, meist weißen Palästen bedeckt, und in der fast die<lb/> gesamte zeitgenössische Kunst zu einem ungeheuren Wettkampf zusammentraf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2080" next="#ID_2081"> Ein Bericht wie dieser, der es zur Aufgabe hat, aus einer unermeßlichen<lb/> Fülle das Wertvollste zu heben, und doch dafür nur geringen Raum besitzt,<lb/> wird vielleicht den Tadel des Flüchtigen auf sich nehmen müssen, aber dann<lb/> von sich selbst behaupten dürfen, daß er auf der Suche nach Größe war. —<lb/> Er ist ihr begegnet. Er fand sie in der historischen Ausstellung von<lb/> England: in dem herrlich ragenden Schottenfürsten von Raeburn, dein<lb/> springenden Pferd von Constable, in den Bildern von Gainsborough und<lb/> Romney, in den Lichtpoesien Turners. Bei den Präraffaeliten fand er sie nicht<lb/> mehr; nur Millais konnte bestehen (dies haben seine Porträts erwirkt) und<lb/> Beardslen, den seine Zeichnung rettet. In Deutschland fand er Größe bei<lb/> Leiht, bei Menzel, bei Feuerbach, Mar6es, Abbe und Schund. Er fand sie<lb/> unter Lebenden bei Robim, dessen schreitender Mann ohne Haupt furchtbar<lb/> bewegungslos durch den Saal ging, in Georges Minnes kolossaler Männerbüste<lb/> und seinen Zeichnungen, die etwas von der Art Segantinis an sich haben.<lb/> Auch beim Russen Trubetzkon und beim Serben Meftrovic findet sich<lb/> Größe. Meftrovic ist vielleicht der einzige nationale Bildhauer der Gegen¬<lb/> wart; sein Tempel von Kossovo mit Standbild und Heldentaten des Marko<lb/> Kraljevic mit dem großen Ausdruck in Erscheinung und Bewegung dürfte ihn<lb/> gegen die Gefahren zu heftiger Kraft und zu abseitiger Phantasie durch die<lb/> tiefe und ernste Kunst, die ihn aufgriff und verwandelte, vielleicht für lange<lb/> Zeiten bewahren. Größe steht ferner bei den Österreichern Metzner und Hauat,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
Italienische Ausstellungsrcise
Als die kunstvollste aller Ausstellungen muß jedoch die sogenannte ethno¬
graphische auf der Piazza d'Armi bezeichnet werden, eine Huldigung der italie¬
nischen Provinzen an Rom, deren Pavillons. Nachahmungen berühmter Bau¬
werke, um einen schönen Teich in gut berechneter Anlage geordnet sind. So
sehen wir Venedig mit dem Uhrturm und der Libreria des Sansovino und
einem kleinen grünen Kanal zwischen zwei charakteristischen Häusern, sehen
Sizilien mit dem halb schon arabischen Palermitaner Dom. ein hohes Kastell
der Mark und, hoch, getragen, leuchtend, den Tempel von Poseidonia, ein
Gleichnis, wie Griechenland Rom überleuchtet und überragt. Das Innere jedes
Pavillons ist voll von Nachahmungen alter Zeit, am entzückendsten sind das
nach einer alten Miniatur wiederhergestellte Zimmer Petrarkas und das Schlaf¬
gemach der heiligen Ursula nach dem schönen Bilde des Carpaccio. Im Mai¬
länder Pavillon: Zeichnungen des Leonardo da Vinci. Zwei große Gebäude
für Volkskunst, hinter riesigen Vitrinen offene Theaterszenen mit kostümierter
lebensgroßen Puppen, geben eher gespenstischen Eindruck, bedrängen damit, daß
hier volles Leben mit dem Anschein des Lebendigen erstarrt ist und aus Ver¬
zauberung tieferen Zauber ausübt. Alle diese Schaustellungen sind jedoch kaum
mehr als Spiel; Bedeutung kommt allein der großen internationalen Kunst¬
ausstellung zu, die das weite Terrain der hügeligen Valle Giulia im Giardino
Borghese mit vielen kleinen, meist weißen Palästen bedeckt, und in der fast die
gesamte zeitgenössische Kunst zu einem ungeheuren Wettkampf zusammentraf.
Ein Bericht wie dieser, der es zur Aufgabe hat, aus einer unermeßlichen
Fülle das Wertvollste zu heben, und doch dafür nur geringen Raum besitzt,
wird vielleicht den Tadel des Flüchtigen auf sich nehmen müssen, aber dann
von sich selbst behaupten dürfen, daß er auf der Suche nach Größe war. —
Er ist ihr begegnet. Er fand sie in der historischen Ausstellung von
England: in dem herrlich ragenden Schottenfürsten von Raeburn, dein
springenden Pferd von Constable, in den Bildern von Gainsborough und
Romney, in den Lichtpoesien Turners. Bei den Präraffaeliten fand er sie nicht
mehr; nur Millais konnte bestehen (dies haben seine Porträts erwirkt) und
Beardslen, den seine Zeichnung rettet. In Deutschland fand er Größe bei
Leiht, bei Menzel, bei Feuerbach, Mar6es, Abbe und Schund. Er fand sie
unter Lebenden bei Robim, dessen schreitender Mann ohne Haupt furchtbar
bewegungslos durch den Saal ging, in Georges Minnes kolossaler Männerbüste
und seinen Zeichnungen, die etwas von der Art Segantinis an sich haben.
Auch beim Russen Trubetzkon und beim Serben Meftrovic findet sich
Größe. Meftrovic ist vielleicht der einzige nationale Bildhauer der Gegen¬
wart; sein Tempel von Kossovo mit Standbild und Heldentaten des Marko
Kraljevic mit dem großen Ausdruck in Erscheinung und Bewegung dürfte ihn
gegen die Gefahren zu heftiger Kraft und zu abseitiger Phantasie durch die
tiefe und ernste Kunst, die ihn aufgriff und verwandelte, vielleicht für lange
Zeiten bewahren. Größe steht ferner bei den Österreichern Metzner und Hauat,
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