Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Italienische Ansstellungsreise Brücken, wie sie in Bildern idyllischer Maler immer wiederkehren, und eben Wir gingen, leicht aufgeregt, bald zu dem, bald zu jenem Fenster, um die Rom Es ist hier von dem Rom der Ausstellungen zu sprechen, durch welche die Grenzboten III 1S11 W
Italienische Ansstellungsreise Brücken, wie sie in Bildern idyllischer Maler immer wiederkehren, und eben Wir gingen, leicht aufgeregt, bald zu dem, bald zu jenem Fenster, um die Rom Es ist hier von dem Rom der Ausstellungen zu sprechen, durch welche die Grenzboten III 1S11 W
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Italienische Ansstellungsreise
Brücken, wie sie in Bildern idyllischer Maler immer wiederkehren, und eben
trieben farbig gekleidete Bauern ein Maultier darüber hin. — Durch die Ebene
flog der Zug weiter, wieder traten Häuser hervor, grasten Herden, streckte sich das
grüneLcmd links hügelan und rechts zum Meer hinab, das aber nicht mehr wiederkam.
Wir gingen, leicht aufgeregt, bald zu dem, bald zu jenem Fenster, um die
Peterskuppel zu erspähen; aber wo Rom liegen mußte, war Nebel und bläulicher
Rauch . . . Ebene und Ebene . . . Endlich verraten Häuserketten die Stadt.
Pfiffe der Lokomotive bestätigen die Hoffnung und schon tun sich Straßen auf,
schwingen sich Fabrikschlote und Türme zur Höhe. An einer kleinen Station,
die bereits den Namen Roms trägt, hält der Zug; — im Weiterfahren donnert
er über eine Brücke. Ein gelber Strom fließt unter ihr, tückisch mit trägem
Gewässer schleichend. Das Herz bleibt uns einen Augenblick still: der Tiber.
Ich frage einen der vielredenden Herren im Coups: it levere?" —
„l'evere". — Wir sehen, tief erregt, auf das ruhige löwenfarbene Wasser. —
Wir sind in Rom und fahren nun langsam in die Halle.
Rom
Es ist hier von dem Rom der Ausstellungen zu sprechen, durch welche die
fünfzigjährige Wiederkehr der Erhebung Italiens zum Königtum verherrlicht wird.
Und man muß sagen, daß Rom sich selbst im Tiefsten erfaßt zu haben scheint,
weil es sich nicht wie Turin und Florenz mit einer Veranstaltung versinnbild¬
lichte, sondern sich fünffach ins Leben zurückrief: als Hauptstadt der Welt, des
Altertums, der Christenheit, Italiens und der Kunst. Das erste wird in einer
kleinen sogenannten Reiseausstellung skizziert, welche des Lebens berühmter Fremder
in Rom gedenkt und sür den Deutschen natürlich in Goethe ihre sehnsüchtigste
Lockung hat. Das zweite sucht eine archäologische Ausstellung in den überhohen
Wölbungshallen der weiten diokletianischen Thermen — wie jene zumeist mit
Photographien und Abgüssen — auszudrücken, indem hier alle früheren Pro¬
vinzen des alten Imperiums mit Tributen verschollener Zeiten versammelt sind,
am herrlichsten Griechenland, mit Kopien seiner schönsten Bildwerke, vor allem
der attischen Grabreliefs, und mit großen Bildern seiner göttlichen und sagen¬
haften Städte an Hellem Meer und in finsterem Bergreich. Das Rom der
Päpste lebt ein kleines Scheinleben in der Engelsburg. Mit großem Geschick
ist hier eine historische und kulturgeschichtliche Ausstellung geschaffen worden, an
der neben reizvollen Genrebildern wie: eine alte Barbierstube, eine alte Apotheke
mit einem leibhaftigen Magister in Spitzbart und feierlicher schwarzer Tracht,
auch große historische Eindrücke sich erleben lassen: zwei Schlafgemächer von
Päpsten, die Kerker des Giordano Bruno, des Benvenuto Cellini, der Beatrice
Cenci, endlich — das Bleibendste! — ein Saal, dem Andenken des Michelangelo
geweiht, neben mehr oder minder gelungenen Kopien eine Sammlung von
Bildnissen dieses höchsten Menschen enthaltend, die durch die Übereinstimmung
der schmerzlichsten Leidenszüge um den bitteren Mund und die asketisch ein¬
gesunkenen Wangen auf das innigste bewegt.
Grenzboten III 1S11 W
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