Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Das deutsch-französische Grenzproblem die das Antlitz der Erde charakterisierenden Einheiten. Wie schon angedeutet, Aber nicht nur in seinen "Lebensvorgängen", sondern auch in seiner natür¬ Wenn an einem solchen tierischen Körper eine Abtrennung vorgenommen Grenzbolm III 1911
Das deutsch-französische Grenzproblem die das Antlitz der Erde charakterisierenden Einheiten. Wie schon angedeutet, Aber nicht nur in seinen „Lebensvorgängen", sondern auch in seiner natür¬ Wenn an einem solchen tierischen Körper eine Abtrennung vorgenommen Grenzbolm III 1911
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319360"/> <fw type="header" place="top"> Das deutsch-französische Grenzproblem</fw><lb/> <p xml:id="ID_2026" prev="#ID_2025"> die das Antlitz der Erde charakterisierenden Einheiten. Wie schon angedeutet,<lb/> wird diese Einheitlichkeit eines Flußgebietes durch die Wirkungen der Schwer¬<lb/> kraft zu lebendigem Ausdruck gebracht. Jede Bewegung von dem Muldenrande<lb/> nach der Mitte hin wird von der Schwerkraft unterstützt, jede Bewegung im<lb/> umgekehrten Sinn dagegen gehemmt. Aller Verkehr, den die Erde selbst unter¬<lb/> hält, bewegt sich ausschließlich in der erstbezeichneten Richtung. Die Gegen¬<lb/> stände desselben sind das Wasser, die verwitterten Gesteine, Pflanzen- und Tier¬<lb/> kadaver. Die Bahnen, in denen diese Bewegungen sich vornehmlich abspielen,<lb/> sind die Flußrinnen. Dabei hat jedes dieser Gewässer seinen eigenartigen<lb/> chemischen Bestand, seine ganz bestimmten Schottermassen, seine Besonderheiten<lb/> in der Pflanzen- und Tierwelt, seine klimatischen Eigentümlichkeiten. Die Wasser¬<lb/> arten des Rheins, der Elbe, der Seine, der Rhone lassen sich sowohl durch<lb/> chemische und mineralogische Analyse, als auch durch Untersuchung ihrer Klein¬<lb/> lebewesen bestimmen. So gleicht das Wasser eines Stromsystems dem Blut in<lb/> einem tierischen Körper, das auch bei den verschiedenen Arten seine besondere<lb/> Mischung hat, das sich auch im ganzen Körper mit Abfallstoffen oder auch mit<lb/> Baustoffen belade, um dieselben entweder aus dem Organismus hinaufzubringen<lb/> oder anderwärts als Knochen-, Muskel- oder Fettmasse aufzulagern, gleichwie<lb/> das Flußwasser die gelösten und leichtesten Stoffe aus dem Stromgebiet ins<lb/> Meer entführt, während es die schwereren Verwitterungsprodukte an geeigneten<lb/> Stelle,: als Tone, Sande, Kiese, Gerölle, Kohlenschlamme auflagert. Eine solche<lb/> Oberflächenmulde der Erde ohne lebendiges Flußsystem gleicht einem Körper<lb/> ohne Blut: beide sind tot.</p><lb/> <p xml:id="ID_2027"> Aber nicht nur in seinen „Lebensvorgängen", sondern auch in seiner natür¬<lb/> lichen Organisation gleicht ein Flußgebiet einem tierischen Organismus. Der<lb/> Körper aller höheren Tiere ist segmental gebaut, d. h. er besteht aus einer Reihe<lb/> hintereinanderliegender Abschnitte. Bei den Insekten, Krebsen, Ringelwürmern<lb/> sind diese äußerlich an der Ringelung des Körpers und der Verteilung der<lb/> Bewegungsorgane zu erkennen. Bei den Wirbeltieren (einschließlich des Menschen)<lb/> werden sie durch die Wirbel des Rückgrates, die Rippen, die Anordnung der<lb/> von den Hauptadern abzweigenden oder in sie einmündenden Nebenadern<lb/> angedeutet. Der Wirbelsäule (mit Rückenmark) und den Hauptadern gleichen<lb/> die Hauptströme inmitten eines Flußgebietes; ihren Gliedern bez. ihren Ver¬<lb/> zweigungen gleichen die Nebenflüsse, die von beiden Seiten her in den Haupt¬<lb/> fluß münden und sein Gebiet ebenfalls in hintereinander liegende Abschnitte<lb/> einteilen: Zwischen diesen sind die Wasserscheiden zweiten Ranges; sie trennen<lb/> die Mulden der Nebenflüsse von einander und sind querverlaufeude Abzweigungen<lb/> des Hauptrandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_2028" next="#ID_2029"> Wenn an einem solchen tierischen Körper eine Abtrennung vorgenommen<lb/> werden muß, z. B. durch eine Operation, so kann dies nur durch einen Schnitt<lb/> geschehen, der quer zur Hauptrichtung geführt ist, also im Sinne der segmentalen<lb/> Teilung. Hat z. B. ein Ringelwurm das Unglück, in der Mitte glatt durch-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbolm III 1911</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
Das deutsch-französische Grenzproblem
die das Antlitz der Erde charakterisierenden Einheiten. Wie schon angedeutet,
wird diese Einheitlichkeit eines Flußgebietes durch die Wirkungen der Schwer¬
kraft zu lebendigem Ausdruck gebracht. Jede Bewegung von dem Muldenrande
nach der Mitte hin wird von der Schwerkraft unterstützt, jede Bewegung im
umgekehrten Sinn dagegen gehemmt. Aller Verkehr, den die Erde selbst unter¬
hält, bewegt sich ausschließlich in der erstbezeichneten Richtung. Die Gegen¬
stände desselben sind das Wasser, die verwitterten Gesteine, Pflanzen- und Tier¬
kadaver. Die Bahnen, in denen diese Bewegungen sich vornehmlich abspielen,
sind die Flußrinnen. Dabei hat jedes dieser Gewässer seinen eigenartigen
chemischen Bestand, seine ganz bestimmten Schottermassen, seine Besonderheiten
in der Pflanzen- und Tierwelt, seine klimatischen Eigentümlichkeiten. Die Wasser¬
arten des Rheins, der Elbe, der Seine, der Rhone lassen sich sowohl durch
chemische und mineralogische Analyse, als auch durch Untersuchung ihrer Klein¬
lebewesen bestimmen. So gleicht das Wasser eines Stromsystems dem Blut in
einem tierischen Körper, das auch bei den verschiedenen Arten seine besondere
Mischung hat, das sich auch im ganzen Körper mit Abfallstoffen oder auch mit
Baustoffen belade, um dieselben entweder aus dem Organismus hinaufzubringen
oder anderwärts als Knochen-, Muskel- oder Fettmasse aufzulagern, gleichwie
das Flußwasser die gelösten und leichtesten Stoffe aus dem Stromgebiet ins
Meer entführt, während es die schwereren Verwitterungsprodukte an geeigneten
Stelle,: als Tone, Sande, Kiese, Gerölle, Kohlenschlamme auflagert. Eine solche
Oberflächenmulde der Erde ohne lebendiges Flußsystem gleicht einem Körper
ohne Blut: beide sind tot.
Aber nicht nur in seinen „Lebensvorgängen", sondern auch in seiner natür¬
lichen Organisation gleicht ein Flußgebiet einem tierischen Organismus. Der
Körper aller höheren Tiere ist segmental gebaut, d. h. er besteht aus einer Reihe
hintereinanderliegender Abschnitte. Bei den Insekten, Krebsen, Ringelwürmern
sind diese äußerlich an der Ringelung des Körpers und der Verteilung der
Bewegungsorgane zu erkennen. Bei den Wirbeltieren (einschließlich des Menschen)
werden sie durch die Wirbel des Rückgrates, die Rippen, die Anordnung der
von den Hauptadern abzweigenden oder in sie einmündenden Nebenadern
angedeutet. Der Wirbelsäule (mit Rückenmark) und den Hauptadern gleichen
die Hauptströme inmitten eines Flußgebietes; ihren Gliedern bez. ihren Ver¬
zweigungen gleichen die Nebenflüsse, die von beiden Seiten her in den Haupt¬
fluß münden und sein Gebiet ebenfalls in hintereinander liegende Abschnitte
einteilen: Zwischen diesen sind die Wasserscheiden zweiten Ranges; sie trennen
die Mulden der Nebenflüsse von einander und sind querverlaufeude Abzweigungen
des Hauptrandes.
Wenn an einem solchen tierischen Körper eine Abtrennung vorgenommen
werden muß, z. B. durch eine Operation, so kann dies nur durch einen Schnitt
geschehen, der quer zur Hauptrichtung geführt ist, also im Sinne der segmentalen
Teilung. Hat z. B. ein Ringelwurm das Unglück, in der Mitte glatt durch-
Grenzbolm III 1911
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