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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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seiner Gattin, Frau Rubensohn-OPPlcr, die
Sammlung in einer Weise aufzustellen, die
kaum ihres Gleichen finden dürste.

Es ist ein ehemaliges Waisenhaus, in dem
die Schätze des neuen Museums untergebracht
sind, ein kleiner hübscher Sandsteinbau, un¬
mittelbar hinter dem Römermuseum gelegen,
mit dem es jetzt dnrch einen Anbau berbunden
ist. Natürlich hat das Haus einen? gründ¬
lichen Umbau unterzogen werden müssen, um
seiner neuen Bestimmung gerecht zu werden.
Das Gebäude ist an drei Seiten von gärt¬
nerischen Anlagen umschlossen, dadurch ist den
Sammlungsräumcn reichlich Licht und eine
sicher über den Bedarf der fernsten Zukunft hin¬
ausgehende Ausdchnungsmöglichkeit gewahrt.

Betreten wir das Museum, so gewahren
wir zunächst im Vorraum einige getönte Gips¬
abgüsse kunstgeschichtlich wichtiger Skulpturen
des Knirener Museums. Zur Rechten liegt
ein großes Verwaltnngszimmer sowie ein
VortragSraum, linker Hand gelangen wir in
einen Saal, der Prächtige Proben ägyptischer
Skulpturen enthält. Erwähnen möchte ich
einen trefflichen lebensgroßen Porträtkopf eines
Königs aus dem Ende des neuen Reiches
(um 1200 v. Chr.), ferner zwei große Reliefs
nus Tempeln der Ptolemäerzeit, das eine mit
frisch erhaltener, bunter Bemalung. Der kürz¬
lich erworbene schöne Granitsarg eines theba-
nischen Priesters des neuen Reiches wird die
Mitte des Saales einnehmen. Der zweite
Saal enthält eine einzigartige Sammlung
von Denksteinen, die von Privatleuten des
neuen Reiches zwei Statuen des Königs Ramses
dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) geweiht sind;
besonders merkwürdig ist ein Relief, das den
König zeigt, wie er unter die Scharen seiner
Getreuen Geschenke mannigfacher Art: Hals¬
ketten, Armbänder, aber auch Bratenstücke wirft.

Von den fünf Sälen des Obergeschosses
enthalten drei ägyptische Altertümer, während
die beiden übrigen der griechischen Kleinkunst
gewidmet sind.

Der größte Raum beherbergt außer einer
trefflichen Sammlung ägyptischer Altertümer
vor- und frühgeschichtlicher Zeiten (etwa 4000
bis 3300 v. Chr.) die Ergebnisse der oben
erwähnten Grabungen auf dem Pyramiden-
fnedhofbeiGise, während in dein anschließenden
Raum Grabbeigaben verschiedener Zeit Unter¬
kunft gefunden haben. Erwähnung verdient

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die hübsche Sammlung von Modellen aus
Gräbern des mittleren Reiches (um 1900
v. Chr.): Segel- und Ruderboote, Getreide¬
speicher, Schlachthöfe usw. Ein Unikum, das
in diesen: Saal aufgestellt ist, erregte am Er¬
öffnungstage das besondere Interesse der an¬
wesenden Fachgenossen: eine Maske ans ge¬
branntem Ton, die bei der Darstellung des
OsiriSmythus von dem Priester getragen wurde,
der den schakalköpfigen Gott Anubis zu ver¬
körpern hatte. Der letzte ägyptische Saal ent¬
hält die schon erwähnte Prächtige Sammlung
ägyptischer Götterbronzen sowie eines der
Hauptstücke des Museums: einen lebensgroßen
Bronzekopf von der Statue eines Königs des
neuen Reiches.

Nicht minder wertvoll ist die Sammlung
griechisch-römischer Altertümer. Ein kleiner
intimer Raum enthält eine wundervolle Kol¬
lektion antiker Gläser, zwei gute römische
Büsten, eine Statuette der Göttin Bubastis in
griechischer Gewandung sowie einen schönen
idealisierten Porträtkopf von einem griechisch-
Phönizischen Marmorsarkophag.

Am bedeutsamsten sind die Schätze, welche
das letzte Zimmer birbe. Auch den Laien
werden die Prächtigen griechischen Vasen und
die reizenden Tanagrafigürchen entzücken.
Unendlich wertvoller ist aber eine kleine ge¬
schlossene Sammlung, an der gewiß die Mehr¬
zahl der Besucher achtlos Vorbeigehen wird,
ich meine den oben erwähnten Fund von an¬
tiken Abformungen hellenistischer Silbergefäße.
Die kunstgeschichtlicheBedeutung diescSSchatzes
kann nicht hoch genug angeschlagen werden:
mit Recht ist am Eröffnungstage mehrfach
hervorgehoben, daß dieser Besitz geeignet ist,
die Hildesheimer den an das Berliner Anti-
auarium verlorenen Silberfund verschmerzen
zu lassen.

Einzigartig ist, wie schon bemerkt, die Auf¬
stellung dieser Sammlung. Glasschränke mit
schmalen Einfassungen aus gebrannter Bronze,
Postamente aus den edelsten Hölzern, Be¬
spannungen aus Seide und Leinen in schön
abgestimmten Farben geben den Räumen einen
schlicht vornehmen Charakter; ich glaube, keiner
der bei der Eröffnungsfeier anwesenden aus¬
wärtigen Museumsbeamten hat diese prächtige
Schöpfung eines opferfreudigen Mäccns, eines
geschickten Museumsleiters und einer fein¬
sinnigen Kunstgewerblerin ohne das Gefühl

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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seiner Gattin, Frau Rubensohn-OPPlcr, die
Sammlung in einer Weise aufzustellen, die
kaum ihres Gleichen finden dürste.

Es ist ein ehemaliges Waisenhaus, in dem
die Schätze des neuen Museums untergebracht
sind, ein kleiner hübscher Sandsteinbau, un¬
mittelbar hinter dem Römermuseum gelegen,
mit dem es jetzt dnrch einen Anbau berbunden
ist. Natürlich hat das Haus einen? gründ¬
lichen Umbau unterzogen werden müssen, um
seiner neuen Bestimmung gerecht zu werden.
Das Gebäude ist an drei Seiten von gärt¬
nerischen Anlagen umschlossen, dadurch ist den
Sammlungsräumcn reichlich Licht und eine
sicher über den Bedarf der fernsten Zukunft hin¬
ausgehende Ausdchnungsmöglichkeit gewahrt.

Betreten wir das Museum, so gewahren
wir zunächst im Vorraum einige getönte Gips¬
abgüsse kunstgeschichtlich wichtiger Skulpturen
des Knirener Museums. Zur Rechten liegt
ein großes Verwaltnngszimmer sowie ein
VortragSraum, linker Hand gelangen wir in
einen Saal, der Prächtige Proben ägyptischer
Skulpturen enthält. Erwähnen möchte ich
einen trefflichen lebensgroßen Porträtkopf eines
Königs aus dem Ende des neuen Reiches
(um 1200 v. Chr.), ferner zwei große Reliefs
nus Tempeln der Ptolemäerzeit, das eine mit
frisch erhaltener, bunter Bemalung. Der kürz¬
lich erworbene schöne Granitsarg eines theba-
nischen Priesters des neuen Reiches wird die
Mitte des Saales einnehmen. Der zweite
Saal enthält eine einzigartige Sammlung
von Denksteinen, die von Privatleuten des
neuen Reiches zwei Statuen des Königs Ramses
dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) geweiht sind;
besonders merkwürdig ist ein Relief, das den
König zeigt, wie er unter die Scharen seiner
Getreuen Geschenke mannigfacher Art: Hals¬
ketten, Armbänder, aber auch Bratenstücke wirft.

Von den fünf Sälen des Obergeschosses
enthalten drei ägyptische Altertümer, während
die beiden übrigen der griechischen Kleinkunst
gewidmet sind.

Der größte Raum beherbergt außer einer
trefflichen Sammlung ägyptischer Altertümer
vor- und frühgeschichtlicher Zeiten (etwa 4000
bis 3300 v. Chr.) die Ergebnisse der oben
erwähnten Grabungen auf dem Pyramiden-
fnedhofbeiGise, während in dein anschließenden
Raum Grabbeigaben verschiedener Zeit Unter¬
kunft gefunden haben. Erwähnung verdient

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die hübsche Sammlung von Modellen aus
Gräbern des mittleren Reiches (um 1900
v. Chr.): Segel- und Ruderboote, Getreide¬
speicher, Schlachthöfe usw. Ein Unikum, das
in diesen: Saal aufgestellt ist, erregte am Er¬
öffnungstage das besondere Interesse der an¬
wesenden Fachgenossen: eine Maske ans ge¬
branntem Ton, die bei der Darstellung des
OsiriSmythus von dem Priester getragen wurde,
der den schakalköpfigen Gott Anubis zu ver¬
körpern hatte. Der letzte ägyptische Saal ent¬
hält die schon erwähnte Prächtige Sammlung
ägyptischer Götterbronzen sowie eines der
Hauptstücke des Museums: einen lebensgroßen
Bronzekopf von der Statue eines Königs des
neuen Reiches.

Nicht minder wertvoll ist die Sammlung
griechisch-römischer Altertümer. Ein kleiner
intimer Raum enthält eine wundervolle Kol¬
lektion antiker Gläser, zwei gute römische
Büsten, eine Statuette der Göttin Bubastis in
griechischer Gewandung sowie einen schönen
idealisierten Porträtkopf von einem griechisch-
Phönizischen Marmorsarkophag.

Am bedeutsamsten sind die Schätze, welche
das letzte Zimmer birbe. Auch den Laien
werden die Prächtigen griechischen Vasen und
die reizenden Tanagrafigürchen entzücken.
Unendlich wertvoller ist aber eine kleine ge¬
schlossene Sammlung, an der gewiß die Mehr¬
zahl der Besucher achtlos Vorbeigehen wird,
ich meine den oben erwähnten Fund von an¬
tiken Abformungen hellenistischer Silbergefäße.
Die kunstgeschichtlicheBedeutung diescSSchatzes
kann nicht hoch genug angeschlagen werden:
mit Recht ist am Eröffnungstage mehrfach
hervorgehoben, daß dieser Besitz geeignet ist,
die Hildesheimer den an das Berliner Anti-
auarium verlorenen Silberfund verschmerzen
zu lassen.

Einzigartig ist, wie schon bemerkt, die Auf¬
stellung dieser Sammlung. Glasschränke mit
schmalen Einfassungen aus gebrannter Bronze,
Postamente aus den edelsten Hölzern, Be¬
spannungen aus Seide und Leinen in schön
abgestimmten Farben geben den Räumen einen
schlicht vornehmen Charakter; ich glaube, keiner
der bei der Eröffnungsfeier anwesenden aus¬
wärtigen Museumsbeamten hat diese prächtige
Schöpfung eines opferfreudigen Mäccns, eines
geschickten Museumsleiters und einer fein¬
sinnigen Kunstgewerblerin ohne das Gefühl

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[0387] Maßgebliches und Unmaßgebliches seiner Gattin, Frau Rubensohn-OPPlcr, die Sammlung in einer Weise aufzustellen, die kaum ihres Gleichen finden dürste. Es ist ein ehemaliges Waisenhaus, in dem die Schätze des neuen Museums untergebracht sind, ein kleiner hübscher Sandsteinbau, un¬ mittelbar hinter dem Römermuseum gelegen, mit dem es jetzt dnrch einen Anbau berbunden ist. Natürlich hat das Haus einen? gründ¬ lichen Umbau unterzogen werden müssen, um seiner neuen Bestimmung gerecht zu werden. Das Gebäude ist an drei Seiten von gärt¬ nerischen Anlagen umschlossen, dadurch ist den Sammlungsräumcn reichlich Licht und eine sicher über den Bedarf der fernsten Zukunft hin¬ ausgehende Ausdchnungsmöglichkeit gewahrt. Betreten wir das Museum, so gewahren wir zunächst im Vorraum einige getönte Gips¬ abgüsse kunstgeschichtlich wichtiger Skulpturen des Knirener Museums. Zur Rechten liegt ein großes Verwaltnngszimmer sowie ein VortragSraum, linker Hand gelangen wir in einen Saal, der Prächtige Proben ägyptischer Skulpturen enthält. Erwähnen möchte ich einen trefflichen lebensgroßen Porträtkopf eines Königs aus dem Ende des neuen Reiches (um 1200 v. Chr.), ferner zwei große Reliefs nus Tempeln der Ptolemäerzeit, das eine mit frisch erhaltener, bunter Bemalung. Der kürz¬ lich erworbene schöne Granitsarg eines theba- nischen Priesters des neuen Reiches wird die Mitte des Saales einnehmen. Der zweite Saal enthält eine einzigartige Sammlung von Denksteinen, die von Privatleuten des neuen Reiches zwei Statuen des Königs Ramses dem Zweiten (um 1300 v. Chr.) geweiht sind; besonders merkwürdig ist ein Relief, das den König zeigt, wie er unter die Scharen seiner Getreuen Geschenke mannigfacher Art: Hals¬ ketten, Armbänder, aber auch Bratenstücke wirft. Von den fünf Sälen des Obergeschosses enthalten drei ägyptische Altertümer, während die beiden übrigen der griechischen Kleinkunst gewidmet sind. Der größte Raum beherbergt außer einer trefflichen Sammlung ägyptischer Altertümer vor- und frühgeschichtlicher Zeiten (etwa 4000 bis 3300 v. Chr.) die Ergebnisse der oben erwähnten Grabungen auf dem Pyramiden- fnedhofbeiGise, während in dein anschließenden Raum Grabbeigaben verschiedener Zeit Unter¬ kunft gefunden haben. Erwähnung verdient die hübsche Sammlung von Modellen aus Gräbern des mittleren Reiches (um 1900 v. Chr.): Segel- und Ruderboote, Getreide¬ speicher, Schlachthöfe usw. Ein Unikum, das in diesen: Saal aufgestellt ist, erregte am Er¬ öffnungstage das besondere Interesse der an¬ wesenden Fachgenossen: eine Maske ans ge¬ branntem Ton, die bei der Darstellung des OsiriSmythus von dem Priester getragen wurde, der den schakalköpfigen Gott Anubis zu ver¬ körpern hatte. Der letzte ägyptische Saal ent¬ hält die schon erwähnte Prächtige Sammlung ägyptischer Götterbronzen sowie eines der Hauptstücke des Museums: einen lebensgroßen Bronzekopf von der Statue eines Königs des neuen Reiches. Nicht minder wertvoll ist die Sammlung griechisch-römischer Altertümer. Ein kleiner intimer Raum enthält eine wundervolle Kol¬ lektion antiker Gläser, zwei gute römische Büsten, eine Statuette der Göttin Bubastis in griechischer Gewandung sowie einen schönen idealisierten Porträtkopf von einem griechisch- Phönizischen Marmorsarkophag. Am bedeutsamsten sind die Schätze, welche das letzte Zimmer birbe. Auch den Laien werden die Prächtigen griechischen Vasen und die reizenden Tanagrafigürchen entzücken. Unendlich wertvoller ist aber eine kleine ge¬ schlossene Sammlung, an der gewiß die Mehr¬ zahl der Besucher achtlos Vorbeigehen wird, ich meine den oben erwähnten Fund von an¬ tiken Abformungen hellenistischer Silbergefäße. Die kunstgeschichtlicheBedeutung diescSSchatzes kann nicht hoch genug angeschlagen werden: mit Recht ist am Eröffnungstage mehrfach hervorgehoben, daß dieser Besitz geeignet ist, die Hildesheimer den an das Berliner Anti- auarium verlorenen Silberfund verschmerzen zu lassen. Einzigartig ist, wie schon bemerkt, die Auf¬ stellung dieser Sammlung. Glasschränke mit schmalen Einfassungen aus gebrannter Bronze, Postamente aus den edelsten Hölzern, Be¬ spannungen aus Seide und Leinen in schön abgestimmten Farben geben den Räumen einen schlicht vornehmen Charakter; ich glaube, keiner der bei der Eröffnungsfeier anwesenden aus¬ wärtigen Museumsbeamten hat diese prächtige Schöpfung eines opferfreudigen Mäccns, eines geschickten Museumsleiters und einer fein¬ sinnigen Kunstgewerblerin ohne das Gefühl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/387>, abgerufen am 29.12.2024.