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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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So müssen denn meines Erachtens die von
Müsiner mitgeteilten Äußerungen Storms
nicht als lapidare Urteile, sondern als Aus¬
flüsse vorübergehender Überschätzung des
eigenen Könnens und Unterwertung des
Könnens gleichzeitiger Märchendichter angesehen
Georg Bötticher werden.

Tagesfragen

Das Peliziiusumseum in Hildesheim.
Deutschland ist nicht arm an Altertumssamm¬
lungen, sieht man von Italien und Griechen¬
land ab, so ist es Wohl reicher an Museen
als irgendein anderes Land. Es verdankt
dies in erster Linie dem Sammeleifer seiner
Fürsten. So sind, um nur ein Beispiel an¬
zuführen, die Münchener Sammlungen recht
eigentlich Schöpfungen Ludwigs des Ersten,
durch ihn begründet, nach seinem Heimgang
kaum wesentlich vermehrt.

Alle diese Museen sind zu einer Zeit ge¬
schaffen, als das Zusammenbringen derartiger
Schätze noch verhältnismäßig leicht war, als
keinerlei Ausfuhrverbote den Antikenhandel
beengten, die Preise mäßig waren und das
Fälschergewerbe noch in den Kinderschuhen
steckte.

Das Pelizäusmuseum in Hildesheim, das
dieser Tage eröffnet wurde, ist unter wesent¬
lich ungünstigeren Verhältnissen ins Dasein
gerufen. Es ist das Werk eines Privatmannes,
der vor etwa fünfundzwanzig Jahren zu sam¬
meln begann: die Schätze, welche ihm den
Vorrang vor den meisten anderen deutschen
Sammlungen sichern, sind erst im Laufe der
letzten sieben Jahre erworben.

Es wird den Leser interessieren, zunächst
einiges über den Mann zu erfahren, der dieses
großartige Werk geschaffen hat.

Herr Wilhelm Pelizäus entstammt einer
alten Hildesheimer Familie. Nach beendeter
Lehrzeit als Kaufmann verließ er im Jahre
1869 die Heimat und ging nach Ägypten.
Bald gelang es ihm, in Kairo zu Wohlstand
und hohem Ansehen zu kommen; heute kann
man Wohl behaupten, daß fast alle großen
wohlgefestigten Unternehmungen im Untat,
soweit an ihnen deutsches Kapital beteiligt ist,
unter seiner hervorragenden Mitwirkung be¬
gründet, ja zum Teil eigentlich sein Werk sind.
Es genüge, die Deltakleinbahn und das Kom-
Ombo-Unternehmen als Beispiele zu nennen.

[Spaltenumbruch]

Daß diese glänzende Wirksamkeit das An¬
sehen der deutschen Kolonie Kairos in hohem
Maße gefördert hat, braucht nicht besonders
hervorgehoben zu werden.

Zu Beginn der achtziger Jahre begann
Herr Pelizäus Altertümer zu kaufen; aus
diesen Anfängen stammt eine Sammlung von
ägyptischen Götterbronzen, wie sie heutzutage
Wohl überhaupt nichtmehr zusammenzubringen
Wäre. Seither sind die Geschäftsbeziehungen
des Herrn PelizäuS zu den Kairener Antiken-
Händlern nicht wieder gelöst worden. Als
dann in: Jahre 1904 die ägyptische Antiken-
Verwaltung das Gräberfeld an den großen
Pyramiden von Gise ausländischen Forschern
zur Freilegung überließ -- Deutsche, Ameri¬
kaner und Italiener hatten sich darum be¬
worben --, beteiligte sich Herr PelizäuS an der
von der Leipziger Universität ausgesandten
Expedition durch zwei Grabungsperioden,
während eine dritte ausschließlich auf seine
Kosten durchgeführt wurde. Das Ergebnis
war eine Sammlung von Statuen des alten
Reiches (um 2S00 v. Chr.), der in Europa
nur noch Paris und Berlin Ebenbürtiges zur
Seite stellen können. Wenig später gelang es
Herrn PelizäuS durch rasches Zugreifen, einen
einzigartigen Fund antiker Abformungen helle¬
nistischer Gefäße aus Edelmetall in seinen
Besitz zu bringen.

Als sich im Jahre 1907 die Nachricht ver¬
breitete, Herr Pelizäus beabsichtige, sich schon
bei Lebzeiten von seiner schönen Schöpfung zu
trennen und sie seiner Vaterstadt Hildesheim
zu schenken, war das Aufsehen unter den
Fachleuten, die die Sammlung mit Bewun¬
derung und, wir wollen es eingestehen, mit
einigem Neid hatten wachsen sehen, nicht gering.
Entscheidend für diesen Schritt war der Wunsch
des Herrn Pelizäus, selbst für die würdige
Unterbringung, Verwaltung und Einrichtung
Sorge zu tragen.

Zunächst galt es, die Stadtverwaltung zur
Hergabe eines geeigneten Gebäudes und zur
dauernden Begründung einer Direktorstclle zu
bestimmen. Nachdem diese Schwierigkeiten
behoben waren, gewann Herr Pelizäus in Herrn
Dr. Rubcnsohn, den langjährigen Vertreter des
Preußischen Papyrusunternehmens in Ägypten,
einen Museumsleiter, der eS verstanden hat,
mit Hilfe der ihm von Herrn Pelizäus ge¬
währten reichen Mittel und unterstützt von

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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So müssen denn meines Erachtens die von
Müsiner mitgeteilten Äußerungen Storms
nicht als lapidare Urteile, sondern als Aus¬
flüsse vorübergehender Überschätzung des
eigenen Könnens und Unterwertung des
Könnens gleichzeitiger Märchendichter angesehen
Georg Bötticher werden.

Tagesfragen

Das Peliziiusumseum in Hildesheim.
Deutschland ist nicht arm an Altertumssamm¬
lungen, sieht man von Italien und Griechen¬
land ab, so ist es Wohl reicher an Museen
als irgendein anderes Land. Es verdankt
dies in erster Linie dem Sammeleifer seiner
Fürsten. So sind, um nur ein Beispiel an¬
zuführen, die Münchener Sammlungen recht
eigentlich Schöpfungen Ludwigs des Ersten,
durch ihn begründet, nach seinem Heimgang
kaum wesentlich vermehrt.

Alle diese Museen sind zu einer Zeit ge¬
schaffen, als das Zusammenbringen derartiger
Schätze noch verhältnismäßig leicht war, als
keinerlei Ausfuhrverbote den Antikenhandel
beengten, die Preise mäßig waren und das
Fälschergewerbe noch in den Kinderschuhen
steckte.

Das Pelizäusmuseum in Hildesheim, das
dieser Tage eröffnet wurde, ist unter wesent¬
lich ungünstigeren Verhältnissen ins Dasein
gerufen. Es ist das Werk eines Privatmannes,
der vor etwa fünfundzwanzig Jahren zu sam¬
meln begann: die Schätze, welche ihm den
Vorrang vor den meisten anderen deutschen
Sammlungen sichern, sind erst im Laufe der
letzten sieben Jahre erworben.

Es wird den Leser interessieren, zunächst
einiges über den Mann zu erfahren, der dieses
großartige Werk geschaffen hat.

Herr Wilhelm Pelizäus entstammt einer
alten Hildesheimer Familie. Nach beendeter
Lehrzeit als Kaufmann verließ er im Jahre
1869 die Heimat und ging nach Ägypten.
Bald gelang es ihm, in Kairo zu Wohlstand
und hohem Ansehen zu kommen; heute kann
man Wohl behaupten, daß fast alle großen
wohlgefestigten Unternehmungen im Untat,
soweit an ihnen deutsches Kapital beteiligt ist,
unter seiner hervorragenden Mitwirkung be¬
gründet, ja zum Teil eigentlich sein Werk sind.
Es genüge, die Deltakleinbahn und das Kom-
Ombo-Unternehmen als Beispiele zu nennen.

[Spaltenumbruch]

Daß diese glänzende Wirksamkeit das An¬
sehen der deutschen Kolonie Kairos in hohem
Maße gefördert hat, braucht nicht besonders
hervorgehoben zu werden.

Zu Beginn der achtziger Jahre begann
Herr Pelizäus Altertümer zu kaufen; aus
diesen Anfängen stammt eine Sammlung von
ägyptischen Götterbronzen, wie sie heutzutage
Wohl überhaupt nichtmehr zusammenzubringen
Wäre. Seither sind die Geschäftsbeziehungen
des Herrn PelizäuS zu den Kairener Antiken-
Händlern nicht wieder gelöst worden. Als
dann in: Jahre 1904 die ägyptische Antiken-
Verwaltung das Gräberfeld an den großen
Pyramiden von Gise ausländischen Forschern
zur Freilegung überließ — Deutsche, Ameri¬
kaner und Italiener hatten sich darum be¬
worben —, beteiligte sich Herr PelizäuS an der
von der Leipziger Universität ausgesandten
Expedition durch zwei Grabungsperioden,
während eine dritte ausschließlich auf seine
Kosten durchgeführt wurde. Das Ergebnis
war eine Sammlung von Statuen des alten
Reiches (um 2S00 v. Chr.), der in Europa
nur noch Paris und Berlin Ebenbürtiges zur
Seite stellen können. Wenig später gelang es
Herrn PelizäuS durch rasches Zugreifen, einen
einzigartigen Fund antiker Abformungen helle¬
nistischer Gefäße aus Edelmetall in seinen
Besitz zu bringen.

Als sich im Jahre 1907 die Nachricht ver¬
breitete, Herr Pelizäus beabsichtige, sich schon
bei Lebzeiten von seiner schönen Schöpfung zu
trennen und sie seiner Vaterstadt Hildesheim
zu schenken, war das Aufsehen unter den
Fachleuten, die die Sammlung mit Bewun¬
derung und, wir wollen es eingestehen, mit
einigem Neid hatten wachsen sehen, nicht gering.
Entscheidend für diesen Schritt war der Wunsch
des Herrn Pelizäus, selbst für die würdige
Unterbringung, Verwaltung und Einrichtung
Sorge zu tragen.

Zunächst galt es, die Stadtverwaltung zur
Hergabe eines geeigneten Gebäudes und zur
dauernden Begründung einer Direktorstclle zu
bestimmen. Nachdem diese Schwierigkeiten
behoben waren, gewann Herr Pelizäus in Herrn
Dr. Rubcnsohn, den langjährigen Vertreter des
Preußischen Papyrusunternehmens in Ägypten,
einen Museumsleiter, der eS verstanden hat,
mit Hilfe der ihm von Herrn Pelizäus ge¬
währten reichen Mittel und unterstützt von

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[0386] Maßgebliches und Unmaßgebliches So müssen denn meines Erachtens die von Müsiner mitgeteilten Äußerungen Storms nicht als lapidare Urteile, sondern als Aus¬ flüsse vorübergehender Überschätzung des eigenen Könnens und Unterwertung des Könnens gleichzeitiger Märchendichter angesehen Georg Bötticher werden. Tagesfragen Das Peliziiusumseum in Hildesheim. Deutschland ist nicht arm an Altertumssamm¬ lungen, sieht man von Italien und Griechen¬ land ab, so ist es Wohl reicher an Museen als irgendein anderes Land. Es verdankt dies in erster Linie dem Sammeleifer seiner Fürsten. So sind, um nur ein Beispiel an¬ zuführen, die Münchener Sammlungen recht eigentlich Schöpfungen Ludwigs des Ersten, durch ihn begründet, nach seinem Heimgang kaum wesentlich vermehrt. Alle diese Museen sind zu einer Zeit ge¬ schaffen, als das Zusammenbringen derartiger Schätze noch verhältnismäßig leicht war, als keinerlei Ausfuhrverbote den Antikenhandel beengten, die Preise mäßig waren und das Fälschergewerbe noch in den Kinderschuhen steckte. Das Pelizäusmuseum in Hildesheim, das dieser Tage eröffnet wurde, ist unter wesent¬ lich ungünstigeren Verhältnissen ins Dasein gerufen. Es ist das Werk eines Privatmannes, der vor etwa fünfundzwanzig Jahren zu sam¬ meln begann: die Schätze, welche ihm den Vorrang vor den meisten anderen deutschen Sammlungen sichern, sind erst im Laufe der letzten sieben Jahre erworben. Es wird den Leser interessieren, zunächst einiges über den Mann zu erfahren, der dieses großartige Werk geschaffen hat. Herr Wilhelm Pelizäus entstammt einer alten Hildesheimer Familie. Nach beendeter Lehrzeit als Kaufmann verließ er im Jahre 1869 die Heimat und ging nach Ägypten. Bald gelang es ihm, in Kairo zu Wohlstand und hohem Ansehen zu kommen; heute kann man Wohl behaupten, daß fast alle großen wohlgefestigten Unternehmungen im Untat, soweit an ihnen deutsches Kapital beteiligt ist, unter seiner hervorragenden Mitwirkung be¬ gründet, ja zum Teil eigentlich sein Werk sind. Es genüge, die Deltakleinbahn und das Kom- Ombo-Unternehmen als Beispiele zu nennen. Daß diese glänzende Wirksamkeit das An¬ sehen der deutschen Kolonie Kairos in hohem Maße gefördert hat, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Zu Beginn der achtziger Jahre begann Herr Pelizäus Altertümer zu kaufen; aus diesen Anfängen stammt eine Sammlung von ägyptischen Götterbronzen, wie sie heutzutage Wohl überhaupt nichtmehr zusammenzubringen Wäre. Seither sind die Geschäftsbeziehungen des Herrn PelizäuS zu den Kairener Antiken- Händlern nicht wieder gelöst worden. Als dann in: Jahre 1904 die ägyptische Antiken- Verwaltung das Gräberfeld an den großen Pyramiden von Gise ausländischen Forschern zur Freilegung überließ — Deutsche, Ameri¬ kaner und Italiener hatten sich darum be¬ worben —, beteiligte sich Herr PelizäuS an der von der Leipziger Universität ausgesandten Expedition durch zwei Grabungsperioden, während eine dritte ausschließlich auf seine Kosten durchgeführt wurde. Das Ergebnis war eine Sammlung von Statuen des alten Reiches (um 2S00 v. Chr.), der in Europa nur noch Paris und Berlin Ebenbürtiges zur Seite stellen können. Wenig später gelang es Herrn PelizäuS durch rasches Zugreifen, einen einzigartigen Fund antiker Abformungen helle¬ nistischer Gefäße aus Edelmetall in seinen Besitz zu bringen. Als sich im Jahre 1907 die Nachricht ver¬ breitete, Herr Pelizäus beabsichtige, sich schon bei Lebzeiten von seiner schönen Schöpfung zu trennen und sie seiner Vaterstadt Hildesheim zu schenken, war das Aufsehen unter den Fachleuten, die die Sammlung mit Bewun¬ derung und, wir wollen es eingestehen, mit einigem Neid hatten wachsen sehen, nicht gering. Entscheidend für diesen Schritt war der Wunsch des Herrn Pelizäus, selbst für die würdige Unterbringung, Verwaltung und Einrichtung Sorge zu tragen. Zunächst galt es, die Stadtverwaltung zur Hergabe eines geeigneten Gebäudes und zur dauernden Begründung einer Direktorstclle zu bestimmen. Nachdem diese Schwierigkeiten behoben waren, gewann Herr Pelizäus in Herrn Dr. Rubcnsohn, den langjährigen Vertreter des Preußischen Papyrusunternehmens in Ägypten, einen Museumsleiter, der eS verstanden hat, mit Hilfe der ihm von Herrn Pelizäus ge¬ währten reichen Mittel und unterstützt von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/386>, abgerufen am 29.12.2024.