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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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des Neides belassen. Das; schließlich Arbeiten,
wie die Prächtigen Vitrinen des neuen Mu¬
seums, fast ausschließlich durch einheimische
Handwerker einer Provinzstadt wie Hildesheim
bewältigt werden konnten, ist eine Leistung,
auf die alle Beteiligten stolz sein dürfen
G, Mölle


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stellen das Haupttoutingeut an Soldaten!)
Es ist unseres Erachtens der Grund des
Stillstandes auch dieser Angelegenheiten nicht
nur in Berlin zu suchen, sondern in der ab¬
lehnenden Haltung, die die ostpreußischen
"Junker" gegen alle BilduugSinstitute, die
Universität einbegriffen, einnehmen. Eine
allgemein sichtbare Wahrnehmung ist es, daß
ein erheblicher Prozentsatz der Söhne der in
die Städte abgewanderten niedrigen Land¬
bevölkerung als Unteroffiziere oder Subaltern¬
beamte aller Art, ja mittels Stipendien an
Universitäten, technischen Hochschulen und
Kunstakademien in sozial höhere Schichten
hinaufstrebt. Es geht also nicht nur der
einzelne abgewanderte Landarbeiter, sondern
oft die ganze Familie dem Landbezirke ver¬
loren. Stets wird im Herrenhause von den
"Herren" das ganze Gebiet "Allgemeine
Bildungsanstalten" kühl behandelt -- sollte
also in der Hochburg der Agrarier nicht diese
auffallende Vernachlässigung Ostpreußens in
der behandelten Frage auf -- sagen wir --
Gleichgültigkeit der eigentlich interessiert sein
sollenden Kreise zurückzuführen sein?

Durch die Zeitungen ging kürzlich die
Notiz, daß an die Berliner Universität auf
Drängen des Professor Wölfflin ein Lektor
für Zeichenunterricht berufen werden soll.
Wölfflin hat hier nur Wünsche ausgesprochen,
die vor siebzehn Jahren schon Konrad Lange,
der damals den Lehrstuhl für Kunstgeschichte
an der Königsberger Universität inne hatte,
in einem Buche eingehend begründet hat.
Der Universität Königsberg gebührt aber
auch das Verdienst, unter lebhafter Anteil¬
nahme von Professor Haendckc, bereits vor
mehreren Jahren wiederholt vom Kultus¬
ministerium die Errichtung eines Lektorats
für Zeichenunterricht erbeten und sogar als
erste aller preußischen Universitäten einen
Zeichensaal mit geeigneten Tischen eingerichtet
zu haben. Der Lektor wurde aber nicht be¬
willigt, und der Saal dient jetzt nur dem
Projektionszeichnen der Mathematiker. So
wird in Ostpreußen ehrlich für die Kunst von
den aufgeklärten Köpfen gekämpft, aber ohne
daß von der "Reichszentralstelle" in ent¬
sprechendem Maße Verständnis offenbart wird.

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im Osten erhalten den Westen, denn wir


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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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des Neides belassen. Das; schließlich Arbeiten,
wie die Prächtigen Vitrinen des neuen Mu¬
seums, fast ausschließlich durch einheimische
Handwerker einer Provinzstadt wie Hildesheim
bewältigt werden konnten, ist eine Leistung,
auf die alle Beteiligten stolz sein dürfen
G, Mölle


[Spaltenumbruch]

stellen das Haupttoutingeut an Soldaten!)
Es ist unseres Erachtens der Grund des
Stillstandes auch dieser Angelegenheiten nicht
nur in Berlin zu suchen, sondern in der ab¬
lehnenden Haltung, die die ostpreußischen
„Junker" gegen alle BilduugSinstitute, die
Universität einbegriffen, einnehmen. Eine
allgemein sichtbare Wahrnehmung ist es, daß
ein erheblicher Prozentsatz der Söhne der in
die Städte abgewanderten niedrigen Land¬
bevölkerung als Unteroffiziere oder Subaltern¬
beamte aller Art, ja mittels Stipendien an
Universitäten, technischen Hochschulen und
Kunstakademien in sozial höhere Schichten
hinaufstrebt. Es geht also nicht nur der
einzelne abgewanderte Landarbeiter, sondern
oft die ganze Familie dem Landbezirke ver¬
loren. Stets wird im Herrenhause von den
„Herren" das ganze Gebiet „Allgemeine
Bildungsanstalten" kühl behandelt — sollte
also in der Hochburg der Agrarier nicht diese
auffallende Vernachlässigung Ostpreußens in
der behandelten Frage auf — sagen wir —
Gleichgültigkeit der eigentlich interessiert sein
sollenden Kreise zurückzuführen sein?

Durch die Zeitungen ging kürzlich die
Notiz, daß an die Berliner Universität auf
Drängen des Professor Wölfflin ein Lektor
für Zeichenunterricht berufen werden soll.
Wölfflin hat hier nur Wünsche ausgesprochen,
die vor siebzehn Jahren schon Konrad Lange,
der damals den Lehrstuhl für Kunstgeschichte
an der Königsberger Universität inne hatte,
in einem Buche eingehend begründet hat.
Der Universität Königsberg gebührt aber
auch das Verdienst, unter lebhafter Anteil¬
nahme von Professor Haendckc, bereits vor
mehreren Jahren wiederholt vom Kultus¬
ministerium die Errichtung eines Lektorats
für Zeichenunterricht erbeten und sogar als
erste aller preußischen Universitäten einen
Zeichensaal mit geeigneten Tischen eingerichtet
zu haben. Der Lektor wurde aber nicht be¬
willigt, und der Saal dient jetzt nur dem
Projektionszeichnen der Mathematiker. So
wird in Ostpreußen ehrlich für die Kunst von
den aufgeklärten Köpfen gekämpft, aber ohne
daß von der „Reichszentralstelle" in ent¬
sprechendem Maße Verständnis offenbart wird.

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im Osten erhalten den Westen, denn wir


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[0388] Maßgebliches und Unmaßgebliches des Neides belassen. Das; schließlich Arbeiten, wie die Prächtigen Vitrinen des neuen Mu¬ seums, fast ausschließlich durch einheimische Handwerker einer Provinzstadt wie Hildesheim bewältigt werden konnten, ist eine Leistung, auf die alle Beteiligten stolz sein dürfen G, Mölle stellen das Haupttoutingeut an Soldaten!) Es ist unseres Erachtens der Grund des Stillstandes auch dieser Angelegenheiten nicht nur in Berlin zu suchen, sondern in der ab¬ lehnenden Haltung, die die ostpreußischen „Junker" gegen alle BilduugSinstitute, die Universität einbegriffen, einnehmen. Eine allgemein sichtbare Wahrnehmung ist es, daß ein erheblicher Prozentsatz der Söhne der in die Städte abgewanderten niedrigen Land¬ bevölkerung als Unteroffiziere oder Subaltern¬ beamte aller Art, ja mittels Stipendien an Universitäten, technischen Hochschulen und Kunstakademien in sozial höhere Schichten hinaufstrebt. Es geht also nicht nur der einzelne abgewanderte Landarbeiter, sondern oft die ganze Familie dem Landbezirke ver¬ loren. Stets wird im Herrenhause von den „Herren" das ganze Gebiet „Allgemeine Bildungsanstalten" kühl behandelt — sollte also in der Hochburg der Agrarier nicht diese auffallende Vernachlässigung Ostpreußens in der behandelten Frage auf — sagen wir — Gleichgültigkeit der eigentlich interessiert sein sollenden Kreise zurückzuführen sein? Durch die Zeitungen ging kürzlich die Notiz, daß an die Berliner Universität auf Drängen des Professor Wölfflin ein Lektor für Zeichenunterricht berufen werden soll. Wölfflin hat hier nur Wünsche ausgesprochen, die vor siebzehn Jahren schon Konrad Lange, der damals den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Königsberger Universität inne hatte, in einem Buche eingehend begründet hat. Der Universität Königsberg gebührt aber auch das Verdienst, unter lebhafter Anteil¬ nahme von Professor Haendckc, bereits vor mehreren Jahren wiederholt vom Kultus¬ ministerium die Errichtung eines Lektorats für Zeichenunterricht erbeten und sogar als erste aller preußischen Universitäten einen Zeichensaal mit geeigneten Tischen eingerichtet zu haben. Der Lektor wurde aber nicht be¬ willigt, und der Saal dient jetzt nur dem Projektionszeichnen der Mathematiker. So wird in Ostpreußen ehrlich für die Kunst von den aufgeklärten Köpfen gekämpft, aber ohne daß von der „Reichszentralstelle" in ent¬ sprechendem Maße Verständnis offenbart wird. spßsch gsg im Osten erhalten den Westen, denn wir g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/388>, abgerufen am 29.12.2024.