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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches ur) Unmaßgebliches

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Geschichte

Germanen und Sueven. Wir nennen
unsere Vorfahren die alten Germanen und
berufen uns auf Tacitus, obgleich dieser
Römer einmal ganz harmlos bemerkt, der
Name Germania sei neu. und erst kürzlich
aufgekommen. Eine gemeinverständlich ge¬
haltene Geschichte der Germanen bis zum
Tode Cäsars bon Johannes Pesch (Pader-
born, 1911; Bomfacius-Druckerei) gibt uns
Anlaß, auf die Streitfrage zurückzugreifen,
die hiermit verknüpft ist. Peschs Arbeit, mit
Fleiß und Liebe zum Stoff durchgeführt,
meint nach Watterich, daß die Germanen sich
selbst so bezeichneten; eS sei ein deutscher
heimatlicher Name, den die Gallier zwar auf¬
gegriffen, aber nicht gegeben hätten. Dem
stehen drei hauptsächliche Einwendungen nußer
der Tacitusstelle gegeuüber: die ältere Literatur
germanischer Herkunft kennt den Namen
nirgends, die Völker des nichtrömischen Ger¬
maniens führen den Sammelnamen Suchen,
der selbst die Schweden (Suiones) mit umfaßt,
und die Bewohner Galliens, die Kelten,
nannten ursprünglich noch andere Fremd¬
nachbarn "Germani", so die iberischen Oretnner
in Spanien. Sogar Ariobist, der germanische
Bezwinger Mittelgalliens, wird später als ein
König der Suchen definiert. Hält man sich
an diese tatsächlichen Angaben, nimmt man
hinzu, daß wir den Römern die meisten
Umfnssungsbegriffe (Italia, Afrika, Gnllia,
Britnnnia, Hispania, Asia Minor) verdanken,
dann ergibt sich für Germanen und Sueven
die Scheidung beinahe von selbst. Cäsar
begnügt sich noch mit der gallischen Denk¬
weise, er nimmt sie auf und macht den Namen
Germania dadurch für den nichtgallischen
Osten maßgebend. Die Kaiserzeit unterwirft
hier also lauter Germanen; auch als der
Limes vollendet ist, wird der Anspruch auf
die "übrigen Germanen" weiter östlich fest¬
gehalten. Man verleiht dem Reich daher
keine Sueven ein, um sie zu Germanen zu
"lachen, sondern gibt sich den Schein, nur
Germanen zu kennen. Der Triumphalname
Suevicus, zu dem mehrmals Anlaß gewesen
wäre, wird vermieden. Es konnte nicht aus-

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bleiben, daß die Snevenvölker das Verfahren
erkannten und bei Konflikten mit Rom hervor¬
kehrten, daß sie eben keine Germanen seien,
es auch nicht sein wollten. Beim Zurück¬
weichen der LimeSgrenze kommt Suevia
(Schwaben) als neuer Landschaftsname im
engeren Sinne auf, gleichsam ein später
Protest, ehe die Völkerwanderung hier überall
neue Mischungen und Namen schuf. Genug,
die deutschen Stämme zur Römerzeit und
darüber hinaus hießen bei ihren nichtrömischen
Nachbarn im Norden, Osten und Süden die
Sueven, und ein Paar um das unersetzliche
Wort "Germanen" nun bange werdende Philo¬
logen sind denn auf den Einfall geraten,
Sueve als das slavische Wort svoboct
der Freie) zu nehmen. Lieber ein Völker-
Psychologisch unmögliches Kompliment als
das Ärgernis des Tatbestandes!

,
L. N.
Psychologie

Das Weltbild des kleinen Kindes. Wenn
der Erwachsene sich irgend ein Stück der Wirk¬
lichkeit vorstellt, eine Gegend, eine Straße,
Personen, so wird er sogleich gewahr, wie
die Welt ihm so ganz Bild und Laut geworden
ist, ja oftmals bloßer Begriff! Bilder und
Töne schweben aus der Ferne auf ihn zu,
vielleicht noch Düfte, aber jene Sinne, die
unsere Person selber näher an die Objekte
binden, das Tastgefühl, das unserer Erinne¬
rung die Welt als hart und weich, als trocken
und feucht aufbewahrt, und gar der Geschmack,
der sich überhaupt nur sehr weniger Gegen¬
stände durch eigene Erfahrung bemächtigt hat,
schweigen fast völlig.

Anders verhält es sich beim Kinde. Ihn?
erscheint, wenn es zur Welt erwacht, zuerst
alles völlig als Nahrung, als Schul eckbares,
und das Sichtbare und Hörbare sind jenem
weit untergeordnet und als Vereinzeltes emp¬
funden. Nach dieser ersten Periode aber ist
eS eine Weile der Tastsinn, der die Welt ver¬
mittelt, alles erscheint dem Kinde dann unter
der Beziehung des Greifbaren, Räumlichen,
Körperlichen, und die Angreifbarkeit des Bildes
und vielleicht selbst der Töne ist ihm ein Rätsel
Daß ganz kleine Kinder im Säuglingsalier

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Geschichte

Germanen und Sueven. Wir nennen
unsere Vorfahren die alten Germanen und
berufen uns auf Tacitus, obgleich dieser
Römer einmal ganz harmlos bemerkt, der
Name Germania sei neu. und erst kürzlich
aufgekommen. Eine gemeinverständlich ge¬
haltene Geschichte der Germanen bis zum
Tode Cäsars bon Johannes Pesch (Pader-
born, 1911; Bomfacius-Druckerei) gibt uns
Anlaß, auf die Streitfrage zurückzugreifen,
die hiermit verknüpft ist. Peschs Arbeit, mit
Fleiß und Liebe zum Stoff durchgeführt,
meint nach Watterich, daß die Germanen sich
selbst so bezeichneten; eS sei ein deutscher
heimatlicher Name, den die Gallier zwar auf¬
gegriffen, aber nicht gegeben hätten. Dem
stehen drei hauptsächliche Einwendungen nußer
der Tacitusstelle gegeuüber: die ältere Literatur
germanischer Herkunft kennt den Namen
nirgends, die Völker des nichtrömischen Ger¬
maniens führen den Sammelnamen Suchen,
der selbst die Schweden (Suiones) mit umfaßt,
und die Bewohner Galliens, die Kelten,
nannten ursprünglich noch andere Fremd¬
nachbarn „Germani", so die iberischen Oretnner
in Spanien. Sogar Ariobist, der germanische
Bezwinger Mittelgalliens, wird später als ein
König der Suchen definiert. Hält man sich
an diese tatsächlichen Angaben, nimmt man
hinzu, daß wir den Römern die meisten
Umfnssungsbegriffe (Italia, Afrika, Gnllia,
Britnnnia, Hispania, Asia Minor) verdanken,
dann ergibt sich für Germanen und Sueven
die Scheidung beinahe von selbst. Cäsar
begnügt sich noch mit der gallischen Denk¬
weise, er nimmt sie auf und macht den Namen
Germania dadurch für den nichtgallischen
Osten maßgebend. Die Kaiserzeit unterwirft
hier also lauter Germanen; auch als der
Limes vollendet ist, wird der Anspruch auf
die „übrigen Germanen" weiter östlich fest¬
gehalten. Man verleiht dem Reich daher
keine Sueven ein, um sie zu Germanen zu
»lachen, sondern gibt sich den Schein, nur
Germanen zu kennen. Der Triumphalname
Suevicus, zu dem mehrmals Anlaß gewesen
wäre, wird vermieden. Es konnte nicht aus-

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bleiben, daß die Snevenvölker das Verfahren
erkannten und bei Konflikten mit Rom hervor¬
kehrten, daß sie eben keine Germanen seien,
es auch nicht sein wollten. Beim Zurück¬
weichen der LimeSgrenze kommt Suevia
(Schwaben) als neuer Landschaftsname im
engeren Sinne auf, gleichsam ein später
Protest, ehe die Völkerwanderung hier überall
neue Mischungen und Namen schuf. Genug,
die deutschen Stämme zur Römerzeit und
darüber hinaus hießen bei ihren nichtrömischen
Nachbarn im Norden, Osten und Süden die
Sueven, und ein Paar um das unersetzliche
Wort „Germanen" nun bange werdende Philo¬
logen sind denn auf den Einfall geraten,
Sueve als das slavische Wort svoboct
der Freie) zu nehmen. Lieber ein Völker-
Psychologisch unmögliches Kompliment als
das Ärgernis des Tatbestandes!

,
L. N.
Psychologie

Das Weltbild des kleinen Kindes. Wenn
der Erwachsene sich irgend ein Stück der Wirk¬
lichkeit vorstellt, eine Gegend, eine Straße,
Personen, so wird er sogleich gewahr, wie
die Welt ihm so ganz Bild und Laut geworden
ist, ja oftmals bloßer Begriff! Bilder und
Töne schweben aus der Ferne auf ihn zu,
vielleicht noch Düfte, aber jene Sinne, die
unsere Person selber näher an die Objekte
binden, das Tastgefühl, das unserer Erinne¬
rung die Welt als hart und weich, als trocken
und feucht aufbewahrt, und gar der Geschmack,
der sich überhaupt nur sehr weniger Gegen¬
stände durch eigene Erfahrung bemächtigt hat,
schweigen fast völlig.

Anders verhält es sich beim Kinde. Ihn?
erscheint, wenn es zur Welt erwacht, zuerst
alles völlig als Nahrung, als Schul eckbares,
und das Sichtbare und Hörbare sind jenem
weit untergeordnet und als Vereinzeltes emp¬
funden. Nach dieser ersten Periode aber ist
eS eine Weile der Tastsinn, der die Welt ver¬
mittelt, alles erscheint dem Kinde dann unter
der Beziehung des Greifbaren, Räumlichen,
Körperlichen, und die Angreifbarkeit des Bildes
und vielleicht selbst der Töne ist ihm ein Rätsel
Daß ganz kleine Kinder im Säuglingsalier

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[0381] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches ur) Unmaßgebliches Geschichte Germanen und Sueven. Wir nennen unsere Vorfahren die alten Germanen und berufen uns auf Tacitus, obgleich dieser Römer einmal ganz harmlos bemerkt, der Name Germania sei neu. und erst kürzlich aufgekommen. Eine gemeinverständlich ge¬ haltene Geschichte der Germanen bis zum Tode Cäsars bon Johannes Pesch (Pader- born, 1911; Bomfacius-Druckerei) gibt uns Anlaß, auf die Streitfrage zurückzugreifen, die hiermit verknüpft ist. Peschs Arbeit, mit Fleiß und Liebe zum Stoff durchgeführt, meint nach Watterich, daß die Germanen sich selbst so bezeichneten; eS sei ein deutscher heimatlicher Name, den die Gallier zwar auf¬ gegriffen, aber nicht gegeben hätten. Dem stehen drei hauptsächliche Einwendungen nußer der Tacitusstelle gegeuüber: die ältere Literatur germanischer Herkunft kennt den Namen nirgends, die Völker des nichtrömischen Ger¬ maniens führen den Sammelnamen Suchen, der selbst die Schweden (Suiones) mit umfaßt, und die Bewohner Galliens, die Kelten, nannten ursprünglich noch andere Fremd¬ nachbarn „Germani", so die iberischen Oretnner in Spanien. Sogar Ariobist, der germanische Bezwinger Mittelgalliens, wird später als ein König der Suchen definiert. Hält man sich an diese tatsächlichen Angaben, nimmt man hinzu, daß wir den Römern die meisten Umfnssungsbegriffe (Italia, Afrika, Gnllia, Britnnnia, Hispania, Asia Minor) verdanken, dann ergibt sich für Germanen und Sueven die Scheidung beinahe von selbst. Cäsar begnügt sich noch mit der gallischen Denk¬ weise, er nimmt sie auf und macht den Namen Germania dadurch für den nichtgallischen Osten maßgebend. Die Kaiserzeit unterwirft hier also lauter Germanen; auch als der Limes vollendet ist, wird der Anspruch auf die „übrigen Germanen" weiter östlich fest¬ gehalten. Man verleiht dem Reich daher keine Sueven ein, um sie zu Germanen zu »lachen, sondern gibt sich den Schein, nur Germanen zu kennen. Der Triumphalname Suevicus, zu dem mehrmals Anlaß gewesen wäre, wird vermieden. Es konnte nicht aus- bleiben, daß die Snevenvölker das Verfahren erkannten und bei Konflikten mit Rom hervor¬ kehrten, daß sie eben keine Germanen seien, es auch nicht sein wollten. Beim Zurück¬ weichen der LimeSgrenze kommt Suevia (Schwaben) als neuer Landschaftsname im engeren Sinne auf, gleichsam ein später Protest, ehe die Völkerwanderung hier überall neue Mischungen und Namen schuf. Genug, die deutschen Stämme zur Römerzeit und darüber hinaus hießen bei ihren nichtrömischen Nachbarn im Norden, Osten und Süden die Sueven, und ein Paar um das unersetzliche Wort „Germanen" nun bange werdende Philo¬ logen sind denn auf den Einfall geraten, Sueve als das slavische Wort svoboct der Freie) zu nehmen. Lieber ein Völker- Psychologisch unmögliches Kompliment als das Ärgernis des Tatbestandes! , L. N. Psychologie Das Weltbild des kleinen Kindes. Wenn der Erwachsene sich irgend ein Stück der Wirk¬ lichkeit vorstellt, eine Gegend, eine Straße, Personen, so wird er sogleich gewahr, wie die Welt ihm so ganz Bild und Laut geworden ist, ja oftmals bloßer Begriff! Bilder und Töne schweben aus der Ferne auf ihn zu, vielleicht noch Düfte, aber jene Sinne, die unsere Person selber näher an die Objekte binden, das Tastgefühl, das unserer Erinne¬ rung die Welt als hart und weich, als trocken und feucht aufbewahrt, und gar der Geschmack, der sich überhaupt nur sehr weniger Gegen¬ stände durch eigene Erfahrung bemächtigt hat, schweigen fast völlig. Anders verhält es sich beim Kinde. Ihn? erscheint, wenn es zur Welt erwacht, zuerst alles völlig als Nahrung, als Schul eckbares, und das Sichtbare und Hörbare sind jenem weit untergeordnet und als Vereinzeltes emp¬ funden. Nach dieser ersten Periode aber ist eS eine Weile der Tastsinn, der die Welt ver¬ mittelt, alles erscheint dem Kinde dann unter der Beziehung des Greifbaren, Räumlichen, Körperlichen, und die Angreifbarkeit des Bildes und vielleicht selbst der Töne ist ihm ein Rätsel Daß ganz kleine Kinder im Säuglingsalier Grcnzboten III toll

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/381>, abgerufen am 04.01.2025.