Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Im Hunsrück und Hochwald Wachtturm errichtet worden sein. Heute dient er als Aussichtsturin und im Von unserem Standquartier Hüttgeswasen aus machten wir einen Abstecher Birkenfeld wird zuerst in einer Urkunde von 981 erwähnt. Zahlreiche Gräber¬ Im Hunsrück und Hochwald Wachtturm errichtet worden sein. Heute dient er als Aussichtsturin und im Von unserem Standquartier Hüttgeswasen aus machten wir einen Abstecher Birkenfeld wird zuerst in einer Urkunde von 981 erwähnt. Zahlreiche Gräber¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319327"/> <fw type="header" place="top"> Im Hunsrück und Hochwald</fw><lb/> <p xml:id="ID_1899" prev="#ID_1898"> Wachtturm errichtet worden sein. Heute dient er als Aussichtsturin und im<lb/> Winter als Erkennungszeichen bei verschneiten Wegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1900"> Von unserem Standquartier Hüttgeswasen aus machten wir einen Abstecher<lb/> nach Birkenfeld, dem Regierungssitz der hier mitten im preußischen Gebiet liegenden<lb/> oldenburgischen Enklave. Der Weg dorthin geht in der ersten Hälfte durch hohen<lb/> Buchenwald. Wie Säulen in einem Dom stehen die alten Riesen, und ihre<lb/> Kronen vereinigen sich oben zu einem einzigen grünen Dach. Zahlreiches Wild<lb/> flüchtete erschreckt bei unserem Herannahen, einige Häslein schössen in der Eile,<lb/> zu entkommen, Kobolz, und im tiefen vorjährigen Herbstlaub spürte vorsichtig ein<lb/> Fuchs herum. Ein Rudel Rehwild sahen wir auf einer kleinen Anhöhe, auch<lb/> einen kapitalen Hirsch an einer Waldblösze. Der Wildstand ist sehr gut, denn<lb/> im Winter werden Rehe und Hirsche, wie die zahlreichen Futterplätze zeigen, sorg¬<lb/> fältig gepflegt. Fünf Kilometer hinter Hüttgeswasen passierten wir den Sauer¬<lb/> brunnen. Hier befand sich bereits zur Römerzeit ein Heilbad. Die höchste Blütezeit<lb/> hatte der Ort im sechzehnten Jahrhundert, wo auch Fürstlichkeiten die Quellen<lb/> gebrauchten. Die Dörfer waren zu dieser Zeit oft derartig mit Badegästen über¬<lb/> füllt, daß Melanchthon einmal kein Unterkommen fand. Unter französischer<lb/> Herrschaft wurde das Kurhaus zerstört, und jetzt fehlt jede Badeeinrichtung. Das<lb/> Wasser der „Petersquelle" wird heute noch in Flaschen versandt und auch am<lb/> Ort getrunken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1901"> Birkenfeld wird zuerst in einer Urkunde von 981 erwähnt. Zahlreiche Gräber¬<lb/> funde innerhalb der jetzigen Stadt deuten darauf hin, daß auch hier bereits vor<lb/> Beginn unserer Zeitrechnung eine Ansiedelung bestand. Im Jahre 1277 kam<lb/> Birkenfeld an die Gräfin v. Sponheim-Starkenburg, die auch in Altenbach ein<lb/> Schloß erbaute. Von der gleichnamigen auf steiler Höhe gelegenen Burg Birken¬<lb/> feld sieht man die ganze Stadt vor sich liegen, in der sich besonders der gotische<lb/> Bau der neuen katholischen Kirche und das Regierungsgebäude auf der Nordseite<lb/> hervorheben. Das Gymnasium befindet sich in der früheren oldenburgischen Kaserne.<lb/> Sehr reizvoll ist die Umgebung Birkenfelds. Handel und Wandel wie in Ober¬<lb/> stein gibt es hier aber nicht. Von der großen Vergangenheit blieb nicht einmal<lb/> mehr die Erinnerung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
Im Hunsrück und Hochwald
Wachtturm errichtet worden sein. Heute dient er als Aussichtsturin und im
Winter als Erkennungszeichen bei verschneiten Wegen.
Von unserem Standquartier Hüttgeswasen aus machten wir einen Abstecher
nach Birkenfeld, dem Regierungssitz der hier mitten im preußischen Gebiet liegenden
oldenburgischen Enklave. Der Weg dorthin geht in der ersten Hälfte durch hohen
Buchenwald. Wie Säulen in einem Dom stehen die alten Riesen, und ihre
Kronen vereinigen sich oben zu einem einzigen grünen Dach. Zahlreiches Wild
flüchtete erschreckt bei unserem Herannahen, einige Häslein schössen in der Eile,
zu entkommen, Kobolz, und im tiefen vorjährigen Herbstlaub spürte vorsichtig ein
Fuchs herum. Ein Rudel Rehwild sahen wir auf einer kleinen Anhöhe, auch
einen kapitalen Hirsch an einer Waldblösze. Der Wildstand ist sehr gut, denn
im Winter werden Rehe und Hirsche, wie die zahlreichen Futterplätze zeigen, sorg¬
fältig gepflegt. Fünf Kilometer hinter Hüttgeswasen passierten wir den Sauer¬
brunnen. Hier befand sich bereits zur Römerzeit ein Heilbad. Die höchste Blütezeit
hatte der Ort im sechzehnten Jahrhundert, wo auch Fürstlichkeiten die Quellen
gebrauchten. Die Dörfer waren zu dieser Zeit oft derartig mit Badegästen über¬
füllt, daß Melanchthon einmal kein Unterkommen fand. Unter französischer
Herrschaft wurde das Kurhaus zerstört, und jetzt fehlt jede Badeeinrichtung. Das
Wasser der „Petersquelle" wird heute noch in Flaschen versandt und auch am
Ort getrunken.
Birkenfeld wird zuerst in einer Urkunde von 981 erwähnt. Zahlreiche Gräber¬
funde innerhalb der jetzigen Stadt deuten darauf hin, daß auch hier bereits vor
Beginn unserer Zeitrechnung eine Ansiedelung bestand. Im Jahre 1277 kam
Birkenfeld an die Gräfin v. Sponheim-Starkenburg, die auch in Altenbach ein
Schloß erbaute. Von der gleichnamigen auf steiler Höhe gelegenen Burg Birken¬
feld sieht man die ganze Stadt vor sich liegen, in der sich besonders der gotische
Bau der neuen katholischen Kirche und das Regierungsgebäude auf der Nordseite
hervorheben. Das Gymnasium befindet sich in der früheren oldenburgischen Kaserne.
Sehr reizvoll ist die Umgebung Birkenfelds. Handel und Wandel wie in Ober¬
stein gibt es hier aber nicht. Von der großen Vergangenheit blieb nicht einmal
mehr die Erinnerung.
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