Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Im Hunsrück und Hochwald Von Kempfeld aus besteigt man die Wildenburghöhe, die in vorgeschichtlicher In der "Hexenküche" nahe bei der Ruine werden allsomitäglich und auch in Auf dem Hochwald zerstreut liegen auffallend viele kleine Dörfer. Die Häuser Im Hunsrück und Hochwald Von Kempfeld aus besteigt man die Wildenburghöhe, die in vorgeschichtlicher In der „Hexenküche" nahe bei der Ruine werden allsomitäglich und auch in Auf dem Hochwald zerstreut liegen auffallend viele kleine Dörfer. Die Häuser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319323"/> <fw type="header" place="top"> Im Hunsrück und Hochwald</fw><lb/> <p xml:id="ID_1887"> Von Kempfeld aus besteigt man die Wildenburghöhe, die in vorgeschichtlicher<lb/> Zeit wahrscheinlich von Kelten durch einen Ringwall befestigt war. Noch heute<lb/> sieht man stellenweise Spuren des von Menschenhand angelegten Walles. Auch<lb/> den Römern dürfte die steile Höhe als Befestigung gedient haben. Im Jahre 1328<lb/> erbaute Wildgraf Friedrich v. Kirberg die Wildenburg, aber bereits 1330 mußte<lb/> er den Erzbischof Balduin von Trier als Lehnsherrn anerkennen. Das Schloß<lb/> ist schon lange zerstört; in der letzten Zeit bewohnte der wild- und rheingräfliche<lb/> Amtmann die Burg. Jetzt ist sie neben dem angrenzenden Wald Staatseigentum.<lb/> Trutzig ragt der Bergkegel empor; vor Erfindung des Pulvers mag die Burg<lb/> uneinnehmbar gewesen sein. Jetzt sind von ihr nur noch Trümmer vorhanden.<lb/> Von dem kreisförmigen Plateau aus sieht man in geringer Entfernung die<lb/> Asbacherhütte liegen. Dort besaß der später bei Saarbrücken-Neunkirchen mächtige<lb/> Freiherr v. Stumm-Halberg die erste Eisengießerei. Jetzt ist dort ein Erholungs¬<lb/> heim für Diakonissinnen errichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1888"> In der „Hexenküche" nahe bei der Ruine werden allsomitäglich und auch in<lb/> der Woche von den zahlreich aus der Umgegend zusammenströmenden Ausflüglern<lb/> große Spießbratenessen veranstaltet. Diese Sitte haben Jdarer Steinhändler aus<lb/> Texas mitgebracht. Ein kunstgerecht geschichteter Holzstoß wird angezündet, und<lb/> erst wenn kein Flämmchen mehr brennt, sondern nur noch glühende Kohlen vor¬<lb/> handen sind, wird das in handgroße, ziemlich dicke Stücke geschnittene Rind- oder<lb/> Schweinefleisch, das man in einer Essig-, Salz- und Zwiebeltunke einige Tage<lb/> mariniert hat, auf fingerdicke Holzspieße gezogen. Auf beiden Seiten des Feuers<lb/> werden gabelförmige Holzpflöcke in die Erde gerammt, der Spieß wird be¬<lb/> hutsam darüber gelegt und mit dem darauf hängenden Fleisch beständig gedreht,<lb/> damit ja kein Tröpflein Saft verloren gehe. Röstet das Feuer zu stark, so genügen<lb/> einige Tropfen Sauce, um ein Ansengen zu verhüten. Während oben das Fleisch<lb/> brät, hat man unten in die Kohlen Kartoffeln mit der Schale eingescharrt und<lb/> sorgfältig wieder mit Asche bed^t. Nach einer Stunde ungefähr ist das Ganze<lb/> fertig und bildet mit frischer Butter, die man auf die Kartoffeln legt, ein<lb/> leckeres Mahl.</p><lb/> <p xml:id="ID_1889" next="#ID_1890"> Auf dem Hochwald zerstreut liegen auffallend viele kleine Dörfer. Die Häuser<lb/> sind meist mit Schiefer gedeckt, den einige Schieferbrüche billig liefern. Häufig ist<lb/> auch die Wetterseite des Hauses damit beschlagen. Die innere Einrichtung der Wohn¬<lb/> räume ist denkbar einfach. Der Bauer mag in seinem Hause noch so viele Zimmer<lb/> haben, er wird doch nur einen Raum benutzen, in welchem ini Winter auch für<lb/> das Vieh gekocht wird. Die Küche wird nur im Sommer gebraucht. Vor oder<lb/> hinter dem Hause liegt der tiefe Ziehbrunnen, der klares kühles Wasser liefert.<lb/> Viel blitzendes Zinn gibt es noch heute in alten Familien, auch schöne Schränke<lb/> und Truhen sieht man hier und da, aber meist besteht die Einrichtung aus einer<lb/> an der Wand entlang laufenden Bank, einem mächtigen Holztisch und ebensolchen<lb/> Stühlen. Ein Glasschrank mit greller Tapete aufgeklebt steht in der Ecke, wo<lb/> einige „Prunkstücke" paradieren, meist Tassen: „Zum Geburtstag", „Dem Haus¬<lb/> herrn" usw. Im Alkoven oder in der daneben meist nur durch eine bunte Kattun¬<lb/> gardine getrennten Kammer steht das zweischläfige Riesenbett. Auf dem Ofen-<lb/> mäuerchen über dem eisernen Schrankofen, aus dem im Winter die Düfte des<lb/> Viehtopfes aufsteigen, stehen in langen Reihen die Milchtöpfe. Ein strohgeflochtener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Im Hunsrück und Hochwald
Von Kempfeld aus besteigt man die Wildenburghöhe, die in vorgeschichtlicher
Zeit wahrscheinlich von Kelten durch einen Ringwall befestigt war. Noch heute
sieht man stellenweise Spuren des von Menschenhand angelegten Walles. Auch
den Römern dürfte die steile Höhe als Befestigung gedient haben. Im Jahre 1328
erbaute Wildgraf Friedrich v. Kirberg die Wildenburg, aber bereits 1330 mußte
er den Erzbischof Balduin von Trier als Lehnsherrn anerkennen. Das Schloß
ist schon lange zerstört; in der letzten Zeit bewohnte der wild- und rheingräfliche
Amtmann die Burg. Jetzt ist sie neben dem angrenzenden Wald Staatseigentum.
Trutzig ragt der Bergkegel empor; vor Erfindung des Pulvers mag die Burg
uneinnehmbar gewesen sein. Jetzt sind von ihr nur noch Trümmer vorhanden.
Von dem kreisförmigen Plateau aus sieht man in geringer Entfernung die
Asbacherhütte liegen. Dort besaß der später bei Saarbrücken-Neunkirchen mächtige
Freiherr v. Stumm-Halberg die erste Eisengießerei. Jetzt ist dort ein Erholungs¬
heim für Diakonissinnen errichtet.
In der „Hexenküche" nahe bei der Ruine werden allsomitäglich und auch in
der Woche von den zahlreich aus der Umgegend zusammenströmenden Ausflüglern
große Spießbratenessen veranstaltet. Diese Sitte haben Jdarer Steinhändler aus
Texas mitgebracht. Ein kunstgerecht geschichteter Holzstoß wird angezündet, und
erst wenn kein Flämmchen mehr brennt, sondern nur noch glühende Kohlen vor¬
handen sind, wird das in handgroße, ziemlich dicke Stücke geschnittene Rind- oder
Schweinefleisch, das man in einer Essig-, Salz- und Zwiebeltunke einige Tage
mariniert hat, auf fingerdicke Holzspieße gezogen. Auf beiden Seiten des Feuers
werden gabelförmige Holzpflöcke in die Erde gerammt, der Spieß wird be¬
hutsam darüber gelegt und mit dem darauf hängenden Fleisch beständig gedreht,
damit ja kein Tröpflein Saft verloren gehe. Röstet das Feuer zu stark, so genügen
einige Tropfen Sauce, um ein Ansengen zu verhüten. Während oben das Fleisch
brät, hat man unten in die Kohlen Kartoffeln mit der Schale eingescharrt und
sorgfältig wieder mit Asche bed^t. Nach einer Stunde ungefähr ist das Ganze
fertig und bildet mit frischer Butter, die man auf die Kartoffeln legt, ein
leckeres Mahl.
Auf dem Hochwald zerstreut liegen auffallend viele kleine Dörfer. Die Häuser
sind meist mit Schiefer gedeckt, den einige Schieferbrüche billig liefern. Häufig ist
auch die Wetterseite des Hauses damit beschlagen. Die innere Einrichtung der Wohn¬
räume ist denkbar einfach. Der Bauer mag in seinem Hause noch so viele Zimmer
haben, er wird doch nur einen Raum benutzen, in welchem ini Winter auch für
das Vieh gekocht wird. Die Küche wird nur im Sommer gebraucht. Vor oder
hinter dem Hause liegt der tiefe Ziehbrunnen, der klares kühles Wasser liefert.
Viel blitzendes Zinn gibt es noch heute in alten Familien, auch schöne Schränke
und Truhen sieht man hier und da, aber meist besteht die Einrichtung aus einer
an der Wand entlang laufenden Bank, einem mächtigen Holztisch und ebensolchen
Stühlen. Ein Glasschrank mit greller Tapete aufgeklebt steht in der Ecke, wo
einige „Prunkstücke" paradieren, meist Tassen: „Zum Geburtstag", „Dem Haus¬
herrn" usw. Im Alkoven oder in der daneben meist nur durch eine bunte Kattun¬
gardine getrennten Kammer steht das zweischläfige Riesenbett. Auf dem Ofen-
mäuerchen über dem eisernen Schrankofen, aus dem im Winter die Düfte des
Viehtopfes aufsteigen, stehen in langen Reihen die Milchtöpfe. Ein strohgeflochtener
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