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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung großer Armcemanöver

sich nicht erfüllen lassen. Alle diese technischen Mittel haben aber das eine
gemeinsam, daß sie ihre Überlegenheit über andere Beförderungsmittel erst auf
groben räumlichen Entfernungen zeigen. Ist ein Befehl nur auf wenige Kilometer
zu überbringen, so kommt ein Reiter auf guten: Pferde mit einem mündlichen
Befehl schneller an das Ziel, als ein Telegramm auf dieselbe Entfernung, das
erst aufgeschrieben, umständlich Buchstabe für Buchstabe telegraphiert und am
Bestimmungsort wieder niedergeschrieben werden muß. Dies dauert länger, als
der Reiter mit seinem Pferde zum Zurücklegen derselben Entfernung braucht.
Ganz anders liegen aber die Verhältnisse, wenn die Übermittelung durch einen
Reiter Stunden beanspruchen würde, während sich die Zeit bei einem Telegramm
auf Minuten berechnet. Ebenso können die verschiedenen Führer sich bei kurzer
Entfernung schnell gegenseitig zu mündlicher Rücksprache treffen. Es bedarf
dazu nicht der umständlichen Legung eines Telephons. Erst wenn bei großer
Entfernung eine Zusammenkunft ausgeschlossen ist, empfiehlt sich die Benutzung
des Fernsprechers, der dann allerdings den mündlichen Gedankenaustausch in
vollendeter Form ersetzen kann. Also nur wenn die Truppen auf entsprechend
großen Räumen verteilt sind, tritt die Überlegenheit der technischen Verbindungs¬
mittel zutage, ergibt sich die Notwendigkeit ihres Vorhandenseins und die
Gelegenheit für Truppe und Führer, die neuen Kriegsmittel kennen zu lernen.
Nun werden wohl auch besondere Übungen auf den: Gebiete des militärischen
Verkehrswesens angesetzt, bei denen keine wirklichen Truppen vorhanden sind,
wo nur mit angenommenen Truppen gearbeitet wird, wo nur die Befehls¬
stellen durch einzelne Offiziere besetzt sind. Höchstens werden die Spitzen der
angenommenen Truppenkolonnen durch wenige Leute mit Flaggen dargestellt.
Gewiß ist der Wert derartiger rein technischer Übungen hoch anzuschlagen, sie
sind unentbehrlich für die technischen Truppen, um sich im Bau, in der zweck¬
mäßigen Anlage und im Betrieb dieser verschiedenen Verbindungsmittel zu üben.
Es lassen sich auch wertvolle Erfahrungssätze für ihre Verwendung und ihre
Leistungsfähigkeit herleiten, das Ineinandergreifen und Zusammenarbeiten der
verschiedenen Mittel kommt zur Darstellung. Bei aller Anerkennung dieser
großen Vorteile können sie aber doch nicht die wirklichen Truppenübungen
ersetzen, weil nur bei ihnen die vielen Friktionen und Zufälle auftreten, mit
denen die Truppenführung eben rechnen muß. Es ist z. B. etwas anderes, ob
eine Telegraphenleitung auf oder unmittelbar neben einer Chaussee gelegt wird,
wenn diese leer ist, so daß sich die Telegraphentruppe mit ihren Wagen und
Apparaten ungehemmt auf ihr bewegen kann, in ihrer Arbeit durch nichts
gestört wird, oder ob lange Trnppenkolonnen auf ihr marschieren, die die größte
Breite der Straße einnehmen, ob daneben Ordonnanzen und berittene Offiziere
hin und her sprengen, die den verfügbaren Raum noch mehr beschränken. Unter
solchen Verhältnissen muß, da die Truppe stets den Vorrang hat, die Arbeit
verzögert und erschwert werden. Die normale Leistungsfähigkeit wird dann
selten erreicht. Gerade aber solche Verhältnisse müssen berücksichtigt werden,


Grenzboten III 1911 44
Die Bedeutung großer Armcemanöver

sich nicht erfüllen lassen. Alle diese technischen Mittel haben aber das eine
gemeinsam, daß sie ihre Überlegenheit über andere Beförderungsmittel erst auf
groben räumlichen Entfernungen zeigen. Ist ein Befehl nur auf wenige Kilometer
zu überbringen, so kommt ein Reiter auf guten: Pferde mit einem mündlichen
Befehl schneller an das Ziel, als ein Telegramm auf dieselbe Entfernung, das
erst aufgeschrieben, umständlich Buchstabe für Buchstabe telegraphiert und am
Bestimmungsort wieder niedergeschrieben werden muß. Dies dauert länger, als
der Reiter mit seinem Pferde zum Zurücklegen derselben Entfernung braucht.
Ganz anders liegen aber die Verhältnisse, wenn die Übermittelung durch einen
Reiter Stunden beanspruchen würde, während sich die Zeit bei einem Telegramm
auf Minuten berechnet. Ebenso können die verschiedenen Führer sich bei kurzer
Entfernung schnell gegenseitig zu mündlicher Rücksprache treffen. Es bedarf
dazu nicht der umständlichen Legung eines Telephons. Erst wenn bei großer
Entfernung eine Zusammenkunft ausgeschlossen ist, empfiehlt sich die Benutzung
des Fernsprechers, der dann allerdings den mündlichen Gedankenaustausch in
vollendeter Form ersetzen kann. Also nur wenn die Truppen auf entsprechend
großen Räumen verteilt sind, tritt die Überlegenheit der technischen Verbindungs¬
mittel zutage, ergibt sich die Notwendigkeit ihres Vorhandenseins und die
Gelegenheit für Truppe und Führer, die neuen Kriegsmittel kennen zu lernen.
Nun werden wohl auch besondere Übungen auf den: Gebiete des militärischen
Verkehrswesens angesetzt, bei denen keine wirklichen Truppen vorhanden sind,
wo nur mit angenommenen Truppen gearbeitet wird, wo nur die Befehls¬
stellen durch einzelne Offiziere besetzt sind. Höchstens werden die Spitzen der
angenommenen Truppenkolonnen durch wenige Leute mit Flaggen dargestellt.
Gewiß ist der Wert derartiger rein technischer Übungen hoch anzuschlagen, sie
sind unentbehrlich für die technischen Truppen, um sich im Bau, in der zweck¬
mäßigen Anlage und im Betrieb dieser verschiedenen Verbindungsmittel zu üben.
Es lassen sich auch wertvolle Erfahrungssätze für ihre Verwendung und ihre
Leistungsfähigkeit herleiten, das Ineinandergreifen und Zusammenarbeiten der
verschiedenen Mittel kommt zur Darstellung. Bei aller Anerkennung dieser
großen Vorteile können sie aber doch nicht die wirklichen Truppenübungen
ersetzen, weil nur bei ihnen die vielen Friktionen und Zufälle auftreten, mit
denen die Truppenführung eben rechnen muß. Es ist z. B. etwas anderes, ob
eine Telegraphenleitung auf oder unmittelbar neben einer Chaussee gelegt wird,
wenn diese leer ist, so daß sich die Telegraphentruppe mit ihren Wagen und
Apparaten ungehemmt auf ihr bewegen kann, in ihrer Arbeit durch nichts
gestört wird, oder ob lange Trnppenkolonnen auf ihr marschieren, die die größte
Breite der Straße einnehmen, ob daneben Ordonnanzen und berittene Offiziere
hin und her sprengen, die den verfügbaren Raum noch mehr beschränken. Unter
solchen Verhältnissen muß, da die Truppe stets den Vorrang hat, die Arbeit
verzögert und erschwert werden. Die normale Leistungsfähigkeit wird dann
selten erreicht. Gerade aber solche Verhältnisse müssen berücksichtigt werden,


Grenzboten III 1911 44
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[0357] Die Bedeutung großer Armcemanöver sich nicht erfüllen lassen. Alle diese technischen Mittel haben aber das eine gemeinsam, daß sie ihre Überlegenheit über andere Beförderungsmittel erst auf groben räumlichen Entfernungen zeigen. Ist ein Befehl nur auf wenige Kilometer zu überbringen, so kommt ein Reiter auf guten: Pferde mit einem mündlichen Befehl schneller an das Ziel, als ein Telegramm auf dieselbe Entfernung, das erst aufgeschrieben, umständlich Buchstabe für Buchstabe telegraphiert und am Bestimmungsort wieder niedergeschrieben werden muß. Dies dauert länger, als der Reiter mit seinem Pferde zum Zurücklegen derselben Entfernung braucht. Ganz anders liegen aber die Verhältnisse, wenn die Übermittelung durch einen Reiter Stunden beanspruchen würde, während sich die Zeit bei einem Telegramm auf Minuten berechnet. Ebenso können die verschiedenen Führer sich bei kurzer Entfernung schnell gegenseitig zu mündlicher Rücksprache treffen. Es bedarf dazu nicht der umständlichen Legung eines Telephons. Erst wenn bei großer Entfernung eine Zusammenkunft ausgeschlossen ist, empfiehlt sich die Benutzung des Fernsprechers, der dann allerdings den mündlichen Gedankenaustausch in vollendeter Form ersetzen kann. Also nur wenn die Truppen auf entsprechend großen Räumen verteilt sind, tritt die Überlegenheit der technischen Verbindungs¬ mittel zutage, ergibt sich die Notwendigkeit ihres Vorhandenseins und die Gelegenheit für Truppe und Führer, die neuen Kriegsmittel kennen zu lernen. Nun werden wohl auch besondere Übungen auf den: Gebiete des militärischen Verkehrswesens angesetzt, bei denen keine wirklichen Truppen vorhanden sind, wo nur mit angenommenen Truppen gearbeitet wird, wo nur die Befehls¬ stellen durch einzelne Offiziere besetzt sind. Höchstens werden die Spitzen der angenommenen Truppenkolonnen durch wenige Leute mit Flaggen dargestellt. Gewiß ist der Wert derartiger rein technischer Übungen hoch anzuschlagen, sie sind unentbehrlich für die technischen Truppen, um sich im Bau, in der zweck¬ mäßigen Anlage und im Betrieb dieser verschiedenen Verbindungsmittel zu üben. Es lassen sich auch wertvolle Erfahrungssätze für ihre Verwendung und ihre Leistungsfähigkeit herleiten, das Ineinandergreifen und Zusammenarbeiten der verschiedenen Mittel kommt zur Darstellung. Bei aller Anerkennung dieser großen Vorteile können sie aber doch nicht die wirklichen Truppenübungen ersetzen, weil nur bei ihnen die vielen Friktionen und Zufälle auftreten, mit denen die Truppenführung eben rechnen muß. Es ist z. B. etwas anderes, ob eine Telegraphenleitung auf oder unmittelbar neben einer Chaussee gelegt wird, wenn diese leer ist, so daß sich die Telegraphentruppe mit ihren Wagen und Apparaten ungehemmt auf ihr bewegen kann, in ihrer Arbeit durch nichts gestört wird, oder ob lange Trnppenkolonnen auf ihr marschieren, die die größte Breite der Straße einnehmen, ob daneben Ordonnanzen und berittene Offiziere hin und her sprengen, die den verfügbaren Raum noch mehr beschränken. Unter solchen Verhältnissen muß, da die Truppe stets den Vorrang hat, die Arbeit verzögert und erschwert werden. Die normale Leistungsfähigkeit wird dann selten erreicht. Gerade aber solche Verhältnisse müssen berücksichtigt werden, Grenzboten III 1911 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/357>, abgerufen am 04.01.2025.