Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Die Bayreuther Festspiele zur Natur und zu den Tieren. Im "Parsifal" brauche ich nur an des Gurnemanz "Selige Ode Haben wir so rein germanisches Wesen und auch das seiner Widersacher in Den Sinn der "Meistersinger" kann man in dreifacher Weise deuten. Erstens Für unsere Zwecke sind aber die Beziehungen zu den anderen Werken am So sehen wir in allen Werken dieses Zyklus den schließlich doch siegreichen ") Vgl. Rich, Wagner: "Entwürfe zu: Die Meistersinger von Nürnberg, Tristnn und
Isolde, Parsifal" (Leipzig, Siegel 1907) S. 69 ff. Die Bayreuther Festspiele zur Natur und zu den Tieren. Im „Parsifal" brauche ich nur an des Gurnemanz „Selige Ode Haben wir so rein germanisches Wesen und auch das seiner Widersacher in Den Sinn der „Meistersinger" kann man in dreifacher Weise deuten. Erstens Für unsere Zwecke sind aber die Beziehungen zu den anderen Werken am So sehen wir in allen Werken dieses Zyklus den schließlich doch siegreichen ") Vgl. Rich, Wagner: „Entwürfe zu: Die Meistersinger von Nürnberg, Tristnn und
Isolde, Parsifal" (Leipzig, Siegel 1907) S. 69 ff. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319277"/> <fw type="header" place="top"> Die Bayreuther Festspiele</fw><lb/> <p xml:id="ID_1737" prev="#ID_1736"> zur Natur und zu den Tieren. Im „Parsifal" brauche ich nur an des Gurnemanz<lb/> Strafpredigt vor dem erschossenen Schwan und an den Karfreitagszauber zu<lb/> erinnern, im „Ring" an Siegfrieds Selbstgespräch unter dem Baume vor Neidhöhle,<lb/> an das Waldvöglein und an die Liebe, die sowohl Brunhilde als Siegfried dein<lb/> Rosse Grane entgegenbringen, oder für die Naturliebe auch an Siegfrieds erste<lb/> Worte auf dem Brünhildensteine:</p><lb/> <quote> „Selige Ode<lb/> Auf sonniger Höh'I"</quote><lb/> <p xml:id="ID_1738"> Haben wir so rein germanisches Wesen und auch das seiner Widersacher in<lb/> „Ring" und „Parsifal" gleichsam in übermenschlicher Gestalt kennen gelernt, so sehen<lb/> wir in den „Meistersingern", wie dieses Wesen im täglichen Leben der Menschen<lb/> wieder zu erkennen ist. Wie bei den Griechen nach einer Reihe schwerster, tief¬<lb/> sinniger Tragödien das doch den gleichen idealen Geist atmende Satyrspiel folgte,<lb/> so schließen sich die „Meistersinger" an die besprochenen großartigen Werke an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1739"> Den Sinn der „Meistersinger" kann man in dreifacher Weise deuten. Erstens<lb/> ganz allgemein als ein vortrefflich gelungenes Bild deutschen Kulturlebens im<lb/> sechzehnten Jahrhundert. Zweitens als eine Selbstschilderung des Entwicklungsganges<lb/> Wagners und seiner Freundschaft zu Franz Liszt, der ihm in schweren Zeiten stets<lb/> hilfreich zur Seite stand, wie Hans Sachs dem Ritter Walter Stolzing. Es wäre<lb/> lohnend, allen den zahlreichen Zügen, die sich in dem Werk auf dieses persönliche<lb/> Verhältnis beziehen lassen, einmal gründlich nachzugehen, denn daß sie darin enthalten<lb/> sind, ist nicht nur an vielen Stellen bei aufmerksamem Lesen deutlich zu erkennen,<lb/> sondern geht in dem zweiten EntWurfe des Werkes auch aus der Namensgebung<lb/> des Gegners Walther Stolzings deutlich hervor*).</p><lb/> <p xml:id="ID_1740"> Für unsere Zwecke sind aber die Beziehungen zu den anderen Werken am<lb/> wichtigsten. Walther Stolzing ist die nach dem Ideale strebende Heldenfigur; auch<lb/> hier finden wir eine Art Erlösungstat wieder, indem Stolzing durch sein Auftreten<lb/> den bereits im Laufe der Zeiten verknöcherten Kunstregeln der „Meistersinger" ein<lb/> neues frisches Leben einflößt. Den liebevoll führenden und leitenden Freund, der<lb/> als Gurnemanz den Parsifal zu seiner Erlösungstat führt, finden wir in Hans<lb/> Sachs wieder. In gewissem Sinne könnte man ihn auch mit Wotan vergleichen,<lb/> denn nur durch dessen Führung und stets wachsames Eingreifen in die Ereignisse<lb/> wird schließlich nach Siegfrieds Tode auch Brünhildes Erlösungswerk möglich. —<lb/> Die dem Ideale feindlichen Mächte haben wir im „Ringe" als die Nibelungen und<lb/> Riesen erkannt, im „Parsifal" ist es Klingsor, der in seinem feindlichen Streben nach<lb/> dem Grale ebenso eine Tat des Liebesfluches beging, wie Alberich der Liebe flucht,<lb/> um das Gold und die Macht zu erlangen. Diese dem Edlen feindliche Macht ist in<lb/> den „Meistersingern" Beckmesser, und in seinem egoistischen Streben, Eva gegen ihren<lb/> Willen zur Frau zu gewinnen und den reichen Pogner zu beerben, begeht auch<lb/> er eine Tat gegen die wahre Liebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1741" next="#ID_1742"> So sehen wir in allen Werken dieses Zyklus den schließlich doch siegreichen<lb/> Kampf des germanischen Ideals gegen die fremden, also feindlichen Mächte. Darum<lb/> bleibt das Werk Wagners stets bis in alle feinsten Fäden hinein der vollendete,</p><lb/> <note xml:id="FID_17" place="foot"> ") Vgl. Rich, Wagner: „Entwürfe zu: Die Meistersinger von Nürnberg, Tristnn und<lb/> Isolde, Parsifal" (Leipzig, Siegel 1907) S. 69 ff.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
Die Bayreuther Festspiele
zur Natur und zu den Tieren. Im „Parsifal" brauche ich nur an des Gurnemanz
Strafpredigt vor dem erschossenen Schwan und an den Karfreitagszauber zu
erinnern, im „Ring" an Siegfrieds Selbstgespräch unter dem Baume vor Neidhöhle,
an das Waldvöglein und an die Liebe, die sowohl Brunhilde als Siegfried dein
Rosse Grane entgegenbringen, oder für die Naturliebe auch an Siegfrieds erste
Worte auf dem Brünhildensteine:
„Selige Ode
Auf sonniger Höh'I"
Haben wir so rein germanisches Wesen und auch das seiner Widersacher in
„Ring" und „Parsifal" gleichsam in übermenschlicher Gestalt kennen gelernt, so sehen
wir in den „Meistersingern", wie dieses Wesen im täglichen Leben der Menschen
wieder zu erkennen ist. Wie bei den Griechen nach einer Reihe schwerster, tief¬
sinniger Tragödien das doch den gleichen idealen Geist atmende Satyrspiel folgte,
so schließen sich die „Meistersinger" an die besprochenen großartigen Werke an.
Den Sinn der „Meistersinger" kann man in dreifacher Weise deuten. Erstens
ganz allgemein als ein vortrefflich gelungenes Bild deutschen Kulturlebens im
sechzehnten Jahrhundert. Zweitens als eine Selbstschilderung des Entwicklungsganges
Wagners und seiner Freundschaft zu Franz Liszt, der ihm in schweren Zeiten stets
hilfreich zur Seite stand, wie Hans Sachs dem Ritter Walter Stolzing. Es wäre
lohnend, allen den zahlreichen Zügen, die sich in dem Werk auf dieses persönliche
Verhältnis beziehen lassen, einmal gründlich nachzugehen, denn daß sie darin enthalten
sind, ist nicht nur an vielen Stellen bei aufmerksamem Lesen deutlich zu erkennen,
sondern geht in dem zweiten EntWurfe des Werkes auch aus der Namensgebung
des Gegners Walther Stolzings deutlich hervor*).
Für unsere Zwecke sind aber die Beziehungen zu den anderen Werken am
wichtigsten. Walther Stolzing ist die nach dem Ideale strebende Heldenfigur; auch
hier finden wir eine Art Erlösungstat wieder, indem Stolzing durch sein Auftreten
den bereits im Laufe der Zeiten verknöcherten Kunstregeln der „Meistersinger" ein
neues frisches Leben einflößt. Den liebevoll führenden und leitenden Freund, der
als Gurnemanz den Parsifal zu seiner Erlösungstat führt, finden wir in Hans
Sachs wieder. In gewissem Sinne könnte man ihn auch mit Wotan vergleichen,
denn nur durch dessen Führung und stets wachsames Eingreifen in die Ereignisse
wird schließlich nach Siegfrieds Tode auch Brünhildes Erlösungswerk möglich. —
Die dem Ideale feindlichen Mächte haben wir im „Ringe" als die Nibelungen und
Riesen erkannt, im „Parsifal" ist es Klingsor, der in seinem feindlichen Streben nach
dem Grale ebenso eine Tat des Liebesfluches beging, wie Alberich der Liebe flucht,
um das Gold und die Macht zu erlangen. Diese dem Edlen feindliche Macht ist in
den „Meistersingern" Beckmesser, und in seinem egoistischen Streben, Eva gegen ihren
Willen zur Frau zu gewinnen und den reichen Pogner zu beerben, begeht auch
er eine Tat gegen die wahre Liebe.
So sehen wir in allen Werken dieses Zyklus den schließlich doch siegreichen
Kampf des germanischen Ideals gegen die fremden, also feindlichen Mächte. Darum
bleibt das Werk Wagners stets bis in alle feinsten Fäden hinein der vollendete,
") Vgl. Rich, Wagner: „Entwürfe zu: Die Meistersinger von Nürnberg, Tristnn und
Isolde, Parsifal" (Leipzig, Siegel 1907) S. 69 ff.
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