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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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westfälisches Volksfest
Man spricht mit den Herr'n und manche strahlen,
Und manche leiden furchtbare Qualen
Und haben furchtbare Liebesnot
Und werden bleich und dann wieder rot.
Die zweite Sorte ist mitten dazwischen
Will heute auch das Ihre erwischen --
Sie ist zu zierlichen Knixen gedrillt,
Indessen der Arm aus dem Ärmel quillt.
Zwei steche, blutjunge Dachse stehen,
Die nichts beachten und alles sehen.
Man spricht von der Toilette -- und leider
Erwähnt man dabei auch die Unterkleider.
Man spricht von den Bürgermeistersgeschwistern,
Von eckigen Hüften und langen Registern,
Man sagt sich, das jüngste Bäckermädchen
Wär' wirklich doch immer ein lecker Mädchen.
Zwei vornehme Damen mit riesigem Chic
Verschwinden für einen Augenblick,
Verzehren mit wuchtigem Magenrollen
Die mitgenommenen Butterstollen.
Bei Kreti und Pleti, den beiden großen
Familien, beliebt man schon anzustoßen.
Man zankt und streitet, man wird versöhnlich,
Man lacht und lärmt, man wird gewöhnlich;
Denn gar zu flüssig an solchem Tage
Sind seitwärts die vollen Biergelage.
Ein Becher, ein Faß mit fleißigem Krahne,
Und schlich flattert die farbige Fahne. --
Ob bei Fasten oder Festen,
Jeder Tag neigt sich gen Westen.
Über Lied und Heiterkeiten
Legt die Nacht ihr Flügelbreiten.
Trommelmarsch. Lustig dann
Tritt die Polonäse an,
Und es sucht sich jeder Graf
In dem Volk ein Bürgerschaf.
Bauerndirnen, wollbekleidct,
Gürtel nur und Hals umseidet,

westfälisches Volksfest
Man spricht mit den Herr'n und manche strahlen,
Und manche leiden furchtbare Qualen
Und haben furchtbare Liebesnot
Und werden bleich und dann wieder rot.
Die zweite Sorte ist mitten dazwischen
Will heute auch das Ihre erwischen —
Sie ist zu zierlichen Knixen gedrillt,
Indessen der Arm aus dem Ärmel quillt.
Zwei steche, blutjunge Dachse stehen,
Die nichts beachten und alles sehen.
Man spricht von der Toilette — und leider
Erwähnt man dabei auch die Unterkleider.
Man spricht von den Bürgermeistersgeschwistern,
Von eckigen Hüften und langen Registern,
Man sagt sich, das jüngste Bäckermädchen
Wär' wirklich doch immer ein lecker Mädchen.
Zwei vornehme Damen mit riesigem Chic
Verschwinden für einen Augenblick,
Verzehren mit wuchtigem Magenrollen
Die mitgenommenen Butterstollen.
Bei Kreti und Pleti, den beiden großen
Familien, beliebt man schon anzustoßen.
Man zankt und streitet, man wird versöhnlich,
Man lacht und lärmt, man wird gewöhnlich;
Denn gar zu flüssig an solchem Tage
Sind seitwärts die vollen Biergelage.
Ein Becher, ein Faß mit fleißigem Krahne,
Und schlich flattert die farbige Fahne. —
Ob bei Fasten oder Festen,
Jeder Tag neigt sich gen Westen.
Über Lied und Heiterkeiten
Legt die Nacht ihr Flügelbreiten.
Trommelmarsch. Lustig dann
Tritt die Polonäse an,
Und es sucht sich jeder Graf
In dem Volk ein Bürgerschaf.
Bauerndirnen, wollbekleidct,
Gürtel nur und Hals umseidet,

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[0323] westfälisches Volksfest Man spricht mit den Herr'n und manche strahlen, Und manche leiden furchtbare Qualen Und haben furchtbare Liebesnot Und werden bleich und dann wieder rot. Die zweite Sorte ist mitten dazwischen Will heute auch das Ihre erwischen — Sie ist zu zierlichen Knixen gedrillt, Indessen der Arm aus dem Ärmel quillt. Zwei steche, blutjunge Dachse stehen, Die nichts beachten und alles sehen. Man spricht von der Toilette — und leider Erwähnt man dabei auch die Unterkleider. Man spricht von den Bürgermeistersgeschwistern, Von eckigen Hüften und langen Registern, Man sagt sich, das jüngste Bäckermädchen Wär' wirklich doch immer ein lecker Mädchen. Zwei vornehme Damen mit riesigem Chic Verschwinden für einen Augenblick, Verzehren mit wuchtigem Magenrollen Die mitgenommenen Butterstollen. Bei Kreti und Pleti, den beiden großen Familien, beliebt man schon anzustoßen. Man zankt und streitet, man wird versöhnlich, Man lacht und lärmt, man wird gewöhnlich; Denn gar zu flüssig an solchem Tage Sind seitwärts die vollen Biergelage. Ein Becher, ein Faß mit fleißigem Krahne, Und schlich flattert die farbige Fahne. — Ob bei Fasten oder Festen, Jeder Tag neigt sich gen Westen. Über Lied und Heiterkeiten Legt die Nacht ihr Flügelbreiten. Trommelmarsch. Lustig dann Tritt die Polonäse an, Und es sucht sich jeder Graf In dem Volk ein Bürgerschaf. Bauerndirnen, wollbekleidct, Gürtel nur und Hals umseidet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/323>, abgerufen am 04.01.2025.