Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.westfälisches Volksfest Doch fordert des Festes frohe Gestaltung Am Ehrentische die Unterhaltung, Drum wurde ihm etwas heiß im Gehirn, Drum steht er und schweigt und befreit die Stirn, Und gegen alle, die auf ihn glotzen, Beliebt er mit seiner Haltung zu protzen. Gemessenen Schrittes geht ein Magister, Die Hand auf dem Rücken, wie ein Tornister; Hier knixt man mit flüchtigem Augenklappen, Und dort zieht man flugs die bunten Kappen. Doch eben ein väterlich-vornehmer Rat Den jungen Herrn um ein Wörtchen bat. Mag wohl ein freundlich Gespräch sich lohnen, Das runde Gesäß seiner Buben zu schonen. Ein hübscher Schlanker promeniert Am liebsten allein, weil etwas blasiert, Schon lichtet sich sein Haar um den Schädel, Hat irgendwo in der Stadt sein Mädel, Verreise des Sonntags, und in der Woche Fügt er sich schweigend dem Kleinstadtjoche. Sein Name ist fast unaussprechlich Großstädtisch und auch sehr nebensächlich; Ist vielen nicht einmal bekannt, Wird immer nur "der Assesser" genannt. Die Damen haben sich viel zu erzählen, Man spricht von allen, die heute fehlen, Man spricht von allen, die heute da, An denen man etwas Besonderes sah; Ein neues Geschichtchen, ein Kochrezept, Man wandelt und wispert, man rauscht und schleppt -- Und jede fühlt sich in ihren: Kleide. Die Bürgersfrauen sind ganz in Seide, Mit strotzenden Röcken und Atlasblusen, Ein Goldgehänge auf hohem Busen. Die großen Töchter sind ungelogen Im ganzen Kreise sehr wohlerzogen/ Sie kommen keinem zu nah ins Gehege Und finden schon ganz ihre eigenen Wege. westfälisches Volksfest Doch fordert des Festes frohe Gestaltung Am Ehrentische die Unterhaltung, Drum wurde ihm etwas heiß im Gehirn, Drum steht er und schweigt und befreit die Stirn, Und gegen alle, die auf ihn glotzen, Beliebt er mit seiner Haltung zu protzen. Gemessenen Schrittes geht ein Magister, Die Hand auf dem Rücken, wie ein Tornister; Hier knixt man mit flüchtigem Augenklappen, Und dort zieht man flugs die bunten Kappen. Doch eben ein väterlich-vornehmer Rat Den jungen Herrn um ein Wörtchen bat. Mag wohl ein freundlich Gespräch sich lohnen, Das runde Gesäß seiner Buben zu schonen. Ein hübscher Schlanker promeniert Am liebsten allein, weil etwas blasiert, Schon lichtet sich sein Haar um den Schädel, Hat irgendwo in der Stadt sein Mädel, Verreise des Sonntags, und in der Woche Fügt er sich schweigend dem Kleinstadtjoche. Sein Name ist fast unaussprechlich Großstädtisch und auch sehr nebensächlich; Ist vielen nicht einmal bekannt, Wird immer nur „der Assesser" genannt. Die Damen haben sich viel zu erzählen, Man spricht von allen, die heute fehlen, Man spricht von allen, die heute da, An denen man etwas Besonderes sah; Ein neues Geschichtchen, ein Kochrezept, Man wandelt und wispert, man rauscht und schleppt — Und jede fühlt sich in ihren: Kleide. Die Bürgersfrauen sind ganz in Seide, Mit strotzenden Röcken und Atlasblusen, Ein Goldgehänge auf hohem Busen. Die großen Töchter sind ungelogen Im ganzen Kreise sehr wohlerzogen/ Sie kommen keinem zu nah ins Gehege Und finden schon ganz ihre eigenen Wege. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319269"/> <fw type="header" place="top"> westfälisches Volksfest</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_27" type="poem"> <l> Doch fordert des Festes frohe Gestaltung<lb/> Am Ehrentische die Unterhaltung,<lb/> Drum wurde ihm etwas heiß im Gehirn,<lb/> Drum steht er und schweigt und befreit die Stirn,<lb/> Und gegen alle, die auf ihn glotzen,<lb/> Beliebt er mit seiner Haltung zu protzen.<lb/></l> <l> Gemessenen Schrittes geht ein Magister,<lb/> Die Hand auf dem Rücken, wie ein Tornister;<lb/> Hier knixt man mit flüchtigem Augenklappen,<lb/> Und dort zieht man flugs die bunten Kappen.<lb/> Doch eben ein väterlich-vornehmer Rat<lb/> Den jungen Herrn um ein Wörtchen bat.<lb/> Mag wohl ein freundlich Gespräch sich lohnen,<lb/> Das runde Gesäß seiner Buben zu schonen.</l> <l> Ein hübscher Schlanker promeniert<lb/> Am liebsten allein, weil etwas blasiert,<lb/> Schon lichtet sich sein Haar um den Schädel,<lb/> Hat irgendwo in der Stadt sein Mädel,<lb/> Verreise des Sonntags, und in der Woche<lb/> Fügt er sich schweigend dem Kleinstadtjoche.<lb/> Sein Name ist fast unaussprechlich<lb/> Großstädtisch und auch sehr nebensächlich;<lb/> Ist vielen nicht einmal bekannt,<lb/> Wird immer nur „der Assesser" genannt.</l> <l> Die Damen haben sich viel zu erzählen,<lb/> Man spricht von allen, die heute fehlen,<lb/> Man spricht von allen, die heute da,<lb/> An denen man etwas Besonderes sah;<lb/> Ein neues Geschichtchen, ein Kochrezept,<lb/> Man wandelt und wispert, man rauscht und schleppt —<lb/> Und jede fühlt sich in ihren: Kleide.<lb/> Die Bürgersfrauen sind ganz in Seide,<lb/> Mit strotzenden Röcken und Atlasblusen,<lb/> Ein Goldgehänge auf hohem Busen.<lb/></l> <l> Die großen Töchter sind ungelogen<lb/> Im ganzen Kreise sehr wohlerzogen/<lb/> Sie kommen keinem zu nah ins Gehege<lb/> Und finden schon ganz ihre eigenen Wege.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
westfälisches Volksfest
Doch fordert des Festes frohe Gestaltung
Am Ehrentische die Unterhaltung,
Drum wurde ihm etwas heiß im Gehirn,
Drum steht er und schweigt und befreit die Stirn,
Und gegen alle, die auf ihn glotzen,
Beliebt er mit seiner Haltung zu protzen.
Gemessenen Schrittes geht ein Magister,
Die Hand auf dem Rücken, wie ein Tornister;
Hier knixt man mit flüchtigem Augenklappen,
Und dort zieht man flugs die bunten Kappen.
Doch eben ein väterlich-vornehmer Rat
Den jungen Herrn um ein Wörtchen bat.
Mag wohl ein freundlich Gespräch sich lohnen,
Das runde Gesäß seiner Buben zu schonen. Ein hübscher Schlanker promeniert
Am liebsten allein, weil etwas blasiert,
Schon lichtet sich sein Haar um den Schädel,
Hat irgendwo in der Stadt sein Mädel,
Verreise des Sonntags, und in der Woche
Fügt er sich schweigend dem Kleinstadtjoche.
Sein Name ist fast unaussprechlich
Großstädtisch und auch sehr nebensächlich;
Ist vielen nicht einmal bekannt,
Wird immer nur „der Assesser" genannt. Die Damen haben sich viel zu erzählen,
Man spricht von allen, die heute fehlen,
Man spricht von allen, die heute da,
An denen man etwas Besonderes sah;
Ein neues Geschichtchen, ein Kochrezept,
Man wandelt und wispert, man rauscht und schleppt —
Und jede fühlt sich in ihren: Kleide.
Die Bürgersfrauen sind ganz in Seide,
Mit strotzenden Röcken und Atlasblusen,
Ein Goldgehänge auf hohem Busen.
Die großen Töchter sind ungelogen
Im ganzen Kreise sehr wohlerzogen/
Sie kommen keinem zu nah ins Gehege
Und finden schon ganz ihre eigenen Wege.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |