Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.England Der gegenwärtige Aufstand in Arabien ist selbstverständlich nicht vom Um es kurz zusammenzufassen: "England will Indien gegen einen etwaigen Der Flotte ist bereits gedacht. Ob einzelne Kolonien einige Schiffe dazu Grenzboten III 1911 38
England Der gegenwärtige Aufstand in Arabien ist selbstverständlich nicht vom Um es kurz zusammenzufassen: „England will Indien gegen einen etwaigen Der Flotte ist bereits gedacht. Ob einzelne Kolonien einige Schiffe dazu Grenzboten III 1911 38
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319256"/> <fw type="header" place="top"> England</fw><lb/> <p xml:id="ID_1691"> Der gegenwärtige Aufstand in Arabien ist selbstverständlich nicht vom<lb/> Londoner Kabinett veranlaßt, aber englische Pfunde und Waffen haben von<lb/> Aden aus ihren Weg zu den Aufständischen gefunden. Von Interesse ist auch<lb/> der englische Gegenzug gegen die Bagdadbahn. Dringend begehrt England die<lb/> Konzession zum Bau einer Bahn von Koweit nach Bagdad, und zwar sollte die<lb/> Bahn alsbald, jedenfalls früher gebaut werden, als der von Nordwest kommende<lb/> Schienenstrang Bagdad erreichte. Zum Schutze dieses Bahnbaus gegen räube¬<lb/> rische Beduinen, denen die Türken vor Fertigstellung der Bahn bis Bagdad<lb/> schwer beikommen können, mußte England Truppen im unteren Mesopotamien<lb/> landen und dürfte aus der so gewonnenen Stellung, welche das Einfallstor in<lb/> die Länder des Zweistromlandes bilden würde, später schwerlich wieder herausgehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1692"> Um es kurz zusammenzufassen: „England will Indien gegen einen etwaigen<lb/> russischen Angriff nicht nur an der Nordwestgrenze verteidigen, sondern es erstrebt<lb/> auch die Verbindung Ägyptens mit Indien durch die arabischen Provinzen der<lb/> Türkei." Ein russischer Angriff auf Indien würde dann durch Flankenstöße<lb/> erschwert, jedenfalls würden dem Angreifer erhebliche Hindernisse bereitet. Außer¬<lb/> dem würde dann der Indische Ozean zu einem englischen Binnenmeer. Ob<lb/> England diese Pläne noch durchführen kann, ist eine andere Frage. Der scheinbar<lb/> unersättliche Hunger nach fortgesetzter neuer Kolonialausdehnung, welcher die<lb/> englische Politik kennzeichnet, findet neben den im Obigen auseinandergesetzten<lb/> politischen Erwägungen seine Erklärung auch darin, daß die bereits vorhandenen<lb/> größeren Kolonien Kanada, Australien, Südafrika als Absatzgebiete für die<lb/> englische Industrie immer mehr verloren gehen. Diese Kolonien, denen Eng¬<lb/> land bereits früher das Recht der eigenen Zollgesetzgebung zugestanden hat,<lb/> streben bei aller Loyalität ökonomische Unabhängigkeit an. England hat sich eben<lb/> in diesen Kolonien die eigenen Wirtschaftskonkurrentcn großgezogen und ist hier¬<lb/> durch gezwungen, auf den Erwerb neuer Absatzgebiete zu sinnen, die geeignet<lb/> sind, Ersatz für verloren gehendes Terrain zu gewähren. Im übrigen macht<lb/> sich schon seit Jahren in England eine immer stärker werdende Strömung —<lb/> Imperialismus — bemerkbar, das Mutterland und seine hauptsächlichsten Kolo¬<lb/> nien zu einem Einheitsstaat mit gemeinsamem Wirtschaftsgebiet und gemeinsamer<lb/> Reichsverteidigung zu vereinigen. Der Gedanke eines gemeinsamen Wirtschafts¬<lb/> gebietes leuchtet dem kaufmännisch gebildeten Engländer viel zu sehr ein, um<lb/> nicht allmählich durchzuringen, zumal in Amerika sich eine gleiche Strömung<lb/> zur Schaffung eines ganz Amerika umfassenden Wirtschaftsgebiets zeigt. Die<lb/> noch entgegenstehenden Hindernisse, vor allem das bereits erwähnte Recht eigener<lb/> Zollgesetzgebung in einzelnen Kolonien, dürften zwar schwer zu überwinden,<lb/> aber nicht unüberwindlich sein. Schwieriger steht es mit der Schaffung einer<lb/> einheitlichen Reichswehr zu Wasser und zu Lande.</p><lb/> <p xml:id="ID_1693" next="#ID_1694"> Der Flotte ist bereits gedacht. Ob einzelne Kolonien einige Schiffe dazu<lb/> beisteuern oder mit solchen immerhin nur geringen Scestreitkrüften bei einem<lb/> Weltkriege lokale Verteidigungen übernehmen, kommt bei einem Weltkriege nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1911 38</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
England
Der gegenwärtige Aufstand in Arabien ist selbstverständlich nicht vom
Londoner Kabinett veranlaßt, aber englische Pfunde und Waffen haben von
Aden aus ihren Weg zu den Aufständischen gefunden. Von Interesse ist auch
der englische Gegenzug gegen die Bagdadbahn. Dringend begehrt England die
Konzession zum Bau einer Bahn von Koweit nach Bagdad, und zwar sollte die
Bahn alsbald, jedenfalls früher gebaut werden, als der von Nordwest kommende
Schienenstrang Bagdad erreichte. Zum Schutze dieses Bahnbaus gegen räube¬
rische Beduinen, denen die Türken vor Fertigstellung der Bahn bis Bagdad
schwer beikommen können, mußte England Truppen im unteren Mesopotamien
landen und dürfte aus der so gewonnenen Stellung, welche das Einfallstor in
die Länder des Zweistromlandes bilden würde, später schwerlich wieder herausgehen.
Um es kurz zusammenzufassen: „England will Indien gegen einen etwaigen
russischen Angriff nicht nur an der Nordwestgrenze verteidigen, sondern es erstrebt
auch die Verbindung Ägyptens mit Indien durch die arabischen Provinzen der
Türkei." Ein russischer Angriff auf Indien würde dann durch Flankenstöße
erschwert, jedenfalls würden dem Angreifer erhebliche Hindernisse bereitet. Außer¬
dem würde dann der Indische Ozean zu einem englischen Binnenmeer. Ob
England diese Pläne noch durchführen kann, ist eine andere Frage. Der scheinbar
unersättliche Hunger nach fortgesetzter neuer Kolonialausdehnung, welcher die
englische Politik kennzeichnet, findet neben den im Obigen auseinandergesetzten
politischen Erwägungen seine Erklärung auch darin, daß die bereits vorhandenen
größeren Kolonien Kanada, Australien, Südafrika als Absatzgebiete für die
englische Industrie immer mehr verloren gehen. Diese Kolonien, denen Eng¬
land bereits früher das Recht der eigenen Zollgesetzgebung zugestanden hat,
streben bei aller Loyalität ökonomische Unabhängigkeit an. England hat sich eben
in diesen Kolonien die eigenen Wirtschaftskonkurrentcn großgezogen und ist hier¬
durch gezwungen, auf den Erwerb neuer Absatzgebiete zu sinnen, die geeignet
sind, Ersatz für verloren gehendes Terrain zu gewähren. Im übrigen macht
sich schon seit Jahren in England eine immer stärker werdende Strömung —
Imperialismus — bemerkbar, das Mutterland und seine hauptsächlichsten Kolo¬
nien zu einem Einheitsstaat mit gemeinsamem Wirtschaftsgebiet und gemeinsamer
Reichsverteidigung zu vereinigen. Der Gedanke eines gemeinsamen Wirtschafts¬
gebietes leuchtet dem kaufmännisch gebildeten Engländer viel zu sehr ein, um
nicht allmählich durchzuringen, zumal in Amerika sich eine gleiche Strömung
zur Schaffung eines ganz Amerika umfassenden Wirtschaftsgebiets zeigt. Die
noch entgegenstehenden Hindernisse, vor allem das bereits erwähnte Recht eigener
Zollgesetzgebung in einzelnen Kolonien, dürften zwar schwer zu überwinden,
aber nicht unüberwindlich sein. Schwieriger steht es mit der Schaffung einer
einheitlichen Reichswehr zu Wasser und zu Lande.
Der Flotte ist bereits gedacht. Ob einzelne Kolonien einige Schiffe dazu
beisteuern oder mit solchen immerhin nur geringen Scestreitkrüften bei einem
Weltkriege lokale Verteidigungen übernehmen, kommt bei einem Weltkriege nicht
Grenzboten III 1911 38
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |