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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Staat und Handel

zu erhalten. Das sind die Steuern, die Artikel betreffen, die die Volkskraft
oder Volksgesundheit untergraben, sich selbst also schädigen: das ist zum Beispiel
Tabak und Alkohol! -- Ebenso wie ein vernünftig geleiteter Staat darauf
bedacht ist, alles zu bestrafen, was eine Verminderung seiner Fortpflanzung
bedingt: wie Verbrechen gegen kennendes Leben oder unsittlichen Verkehr gleicher
Geschlechtsarten -- ebenso muß er auch mit hohen Steuerstrafeu die Gifte
belegen, die allmählich seine Volkskraft untergraben. Tut er das nicht, so
handelt er gegen sein eigenes Gewissen und gleicht einem Menschen, der sich
wissentlich trotz der Verordnungen eines vernünftigen Arztes selbst ruiniert und
über kurz oder laug sterben muß.

Der Staat hat aber auch unzweifelhaft das physische Recht, durch Erhebung
von Abgaben selbst Kapitalien anzusammeln, die er zu einem festen Metall¬
bestande vereinigen soll, der ihn dann gegen andere Nationen nicht nur kredit¬
fähig, sondern auch unabhängig, furchtlos und gefürchtet macht. Er hat aber
nicht das Recht, künstlich den Wert seines (zufällig von seinen Grenzpfählen
umschlossenen) Stück Landes zu erhöhen oder sein Volk durch eine solche künstliche
Erhöhung zu verleiten, Kapitalien und Ersparnisse darin zu investieren. Ebenso¬
wenig wie sich ein Noggenpreis von 300 Mark pro 1000 Kilo, wie bei einer
Teuerung und Hungersnot, auf die Dauer halten kann, kann sich ein künstlich
hinaufgeschraubter Bodenwert lange halten. Und der Kaufmann, der einen
Unwissenden verführt, bei 300 Mark Roggenpreis sich ein Lager hinzulegen,
handelt ebenso wie ein Staat, der durch seine gesetzgeberischen Maßnahmen
sein Volk veranlaßt, in künstlich erhöhten Bodenwerten Kapitalien festzulegen.

Weil der Staat aber seinen Bürgern die Ruhe aufrecht erhält, den Frieden
sichert, die Durchführung der moralischen Gesetze garantiert -- muß er auch
von den Bürgern dafür Entgelt fordern. Daher hat der Bürger dafür, daß
er ruhig und ungestört seinem Gewerbe nachgehen kann und dadurch sich ein
Einkommen vermöge seiner Arbeit sichern kann, eine Einkommensteuer zu zahlen.
Daher muß er auch von dem Vermögen, das er sich hier von seinem Ein¬
kommen allmählich ruhig und gesichert sammeln konnte, eine Vermögenssteuer
zahlen; und daher sollte er auch von dem Erbe, das er hinterläßt, zweifellos
den Staat miterben lassen und eine Erbschaftssteuer zahlen.

Sollte es möglich sein, daß ein Staat von diesen Gesichtspunkten aus die
Leitung seiner Geschäfte betreibt, so wird er ein glückliches Volk sein eigen nennen.
Ja, er wird so viele Erwerbsquellen öffnen, daß auch wieder der junge Mann
zu vernünftiger, naturgemäßer Zeit seine Jungfrau heiraten kann, wodurch nicht
nur sittliche Werte geschaffen werden würden, sondern auch die ganze Frauen¬
bewegung dann ein einfaches und natürliches Ende nehmen wiirde (ohne einzelne
ausgezeichnete Verdienste, die sie mit sich brachte, in Vergessenheit versinken zu
lassen). Er wird sein Land schließlich so bevölkert haben, daß er für Abfluß
sorgen muß und Kolonien gründen muß. Und in dem Augenblicke muß der
Staat als einsichtsvoller Familienvater von seinem eigenen Hause, vou seiner


Staat und Handel

zu erhalten. Das sind die Steuern, die Artikel betreffen, die die Volkskraft
oder Volksgesundheit untergraben, sich selbst also schädigen: das ist zum Beispiel
Tabak und Alkohol! — Ebenso wie ein vernünftig geleiteter Staat darauf
bedacht ist, alles zu bestrafen, was eine Verminderung seiner Fortpflanzung
bedingt: wie Verbrechen gegen kennendes Leben oder unsittlichen Verkehr gleicher
Geschlechtsarten — ebenso muß er auch mit hohen Steuerstrafeu die Gifte
belegen, die allmählich seine Volkskraft untergraben. Tut er das nicht, so
handelt er gegen sein eigenes Gewissen und gleicht einem Menschen, der sich
wissentlich trotz der Verordnungen eines vernünftigen Arztes selbst ruiniert und
über kurz oder laug sterben muß.

Der Staat hat aber auch unzweifelhaft das physische Recht, durch Erhebung
von Abgaben selbst Kapitalien anzusammeln, die er zu einem festen Metall¬
bestande vereinigen soll, der ihn dann gegen andere Nationen nicht nur kredit¬
fähig, sondern auch unabhängig, furchtlos und gefürchtet macht. Er hat aber
nicht das Recht, künstlich den Wert seines (zufällig von seinen Grenzpfählen
umschlossenen) Stück Landes zu erhöhen oder sein Volk durch eine solche künstliche
Erhöhung zu verleiten, Kapitalien und Ersparnisse darin zu investieren. Ebenso¬
wenig wie sich ein Noggenpreis von 300 Mark pro 1000 Kilo, wie bei einer
Teuerung und Hungersnot, auf die Dauer halten kann, kann sich ein künstlich
hinaufgeschraubter Bodenwert lange halten. Und der Kaufmann, der einen
Unwissenden verführt, bei 300 Mark Roggenpreis sich ein Lager hinzulegen,
handelt ebenso wie ein Staat, der durch seine gesetzgeberischen Maßnahmen
sein Volk veranlaßt, in künstlich erhöhten Bodenwerten Kapitalien festzulegen.

Weil der Staat aber seinen Bürgern die Ruhe aufrecht erhält, den Frieden
sichert, die Durchführung der moralischen Gesetze garantiert — muß er auch
von den Bürgern dafür Entgelt fordern. Daher hat der Bürger dafür, daß
er ruhig und ungestört seinem Gewerbe nachgehen kann und dadurch sich ein
Einkommen vermöge seiner Arbeit sichern kann, eine Einkommensteuer zu zahlen.
Daher muß er auch von dem Vermögen, das er sich hier von seinem Ein¬
kommen allmählich ruhig und gesichert sammeln konnte, eine Vermögenssteuer
zahlen; und daher sollte er auch von dem Erbe, das er hinterläßt, zweifellos
den Staat miterben lassen und eine Erbschaftssteuer zahlen.

Sollte es möglich sein, daß ein Staat von diesen Gesichtspunkten aus die
Leitung seiner Geschäfte betreibt, so wird er ein glückliches Volk sein eigen nennen.
Ja, er wird so viele Erwerbsquellen öffnen, daß auch wieder der junge Mann
zu vernünftiger, naturgemäßer Zeit seine Jungfrau heiraten kann, wodurch nicht
nur sittliche Werte geschaffen werden würden, sondern auch die ganze Frauen¬
bewegung dann ein einfaches und natürliches Ende nehmen wiirde (ohne einzelne
ausgezeichnete Verdienste, die sie mit sich brachte, in Vergessenheit versinken zu
lassen). Er wird sein Land schließlich so bevölkert haben, daß er für Abfluß
sorgen muß und Kolonien gründen muß. Und in dem Augenblicke muß der
Staat als einsichtsvoller Familienvater von seinem eigenen Hause, vou seiner


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[0264] Staat und Handel zu erhalten. Das sind die Steuern, die Artikel betreffen, die die Volkskraft oder Volksgesundheit untergraben, sich selbst also schädigen: das ist zum Beispiel Tabak und Alkohol! — Ebenso wie ein vernünftig geleiteter Staat darauf bedacht ist, alles zu bestrafen, was eine Verminderung seiner Fortpflanzung bedingt: wie Verbrechen gegen kennendes Leben oder unsittlichen Verkehr gleicher Geschlechtsarten — ebenso muß er auch mit hohen Steuerstrafeu die Gifte belegen, die allmählich seine Volkskraft untergraben. Tut er das nicht, so handelt er gegen sein eigenes Gewissen und gleicht einem Menschen, der sich wissentlich trotz der Verordnungen eines vernünftigen Arztes selbst ruiniert und über kurz oder laug sterben muß. Der Staat hat aber auch unzweifelhaft das physische Recht, durch Erhebung von Abgaben selbst Kapitalien anzusammeln, die er zu einem festen Metall¬ bestande vereinigen soll, der ihn dann gegen andere Nationen nicht nur kredit¬ fähig, sondern auch unabhängig, furchtlos und gefürchtet macht. Er hat aber nicht das Recht, künstlich den Wert seines (zufällig von seinen Grenzpfählen umschlossenen) Stück Landes zu erhöhen oder sein Volk durch eine solche künstliche Erhöhung zu verleiten, Kapitalien und Ersparnisse darin zu investieren. Ebenso¬ wenig wie sich ein Noggenpreis von 300 Mark pro 1000 Kilo, wie bei einer Teuerung und Hungersnot, auf die Dauer halten kann, kann sich ein künstlich hinaufgeschraubter Bodenwert lange halten. Und der Kaufmann, der einen Unwissenden verführt, bei 300 Mark Roggenpreis sich ein Lager hinzulegen, handelt ebenso wie ein Staat, der durch seine gesetzgeberischen Maßnahmen sein Volk veranlaßt, in künstlich erhöhten Bodenwerten Kapitalien festzulegen. Weil der Staat aber seinen Bürgern die Ruhe aufrecht erhält, den Frieden sichert, die Durchführung der moralischen Gesetze garantiert — muß er auch von den Bürgern dafür Entgelt fordern. Daher hat der Bürger dafür, daß er ruhig und ungestört seinem Gewerbe nachgehen kann und dadurch sich ein Einkommen vermöge seiner Arbeit sichern kann, eine Einkommensteuer zu zahlen. Daher muß er auch von dem Vermögen, das er sich hier von seinem Ein¬ kommen allmählich ruhig und gesichert sammeln konnte, eine Vermögenssteuer zahlen; und daher sollte er auch von dem Erbe, das er hinterläßt, zweifellos den Staat miterben lassen und eine Erbschaftssteuer zahlen. Sollte es möglich sein, daß ein Staat von diesen Gesichtspunkten aus die Leitung seiner Geschäfte betreibt, so wird er ein glückliches Volk sein eigen nennen. Ja, er wird so viele Erwerbsquellen öffnen, daß auch wieder der junge Mann zu vernünftiger, naturgemäßer Zeit seine Jungfrau heiraten kann, wodurch nicht nur sittliche Werte geschaffen werden würden, sondern auch die ganze Frauen¬ bewegung dann ein einfaches und natürliches Ende nehmen wiirde (ohne einzelne ausgezeichnete Verdienste, die sie mit sich brachte, in Vergessenheit versinken zu lassen). Er wird sein Land schließlich so bevölkert haben, daß er für Abfluß sorgen muß und Kolonien gründen muß. Und in dem Augenblicke muß der Staat als einsichtsvoller Familienvater von seinem eigenen Hause, vou seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/264>, abgerufen am 01.01.2025.