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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Staat und Handel

dieses Standes versenkt und seiner Entwicklung nachspürt, ebenso seine Existenz¬
berechtigung sich klar macht.

Die Erde brachte hervor, der Mensch nahm die Früchte der Erde oder
erlegte das Getier der Erde, -- das Raubtier, um sich und das ihm nützliche
Wild zu schützen, das Wild, um sich zu sättigen. Das Haustier machte er sich
zahm, damit es ihm diene und helfe. Was geerntet oder erbeutet wurde, war
lediglich zu dem Zwecke da, um zunächst den Mann selbst, danach auch seine
Frau und seine Familie satt zu machen. Der Ackerbau wandelte dann das
bewegliche Zelt in feste Hütten. Immer systematischer betrieben, wurde der Ertrag
der Wirtschaft auch größer. Eine gute Ernte wurde zunächst aufgespeichert,
um die Wirkungen einer späteren schlechten oder von Hungerjahren auszugleichen.
Schließlich aber war, wenn man auch alles gewissenhaft anstellte in Winter¬
futter, Lebensunterhalt, Saat, Abgaben usw., doch noch an einzelnen Stellen ein
Überfluß vorhanden, den man gegen anderes in Tausch geben konnte. An
Stelle des Tauschhandels trat später die Geldwirtschaft, indem Geld aus Edel¬
metall als Wertmesser und allgemeines Tauschmittel anerkannt wurde. ^--
Das Getreide aber machte folgenden Gang: Das wasserarme Land hat seinen
Überfluß auf die Anhöhe gebracht, wo die Naturkraft des Windes wehte und
eine Windmühle sich drehte. Um die Windmühle herum sind Marktflecken ent¬
standen, wo das Geld, das der Müller zahlte, umgesetzt werden konnte in
Kolonialwaren, Kleidungsstücke, Schmucksachen. War der Überschuß der Umgegend
für den Müller zu groß, so werden die Händler des Marktfleckens sich an dem
Auflauf beteiligt haben und Geld als eine Anweisung für später zu beziehende
Waren dafür gegeben haben. War das Land wasserreich, von Flüssen durch¬
zogen, so zog der Überschuß auf dein Wasserwege dahin, wo Wassermühlen
waren, oder in die Provinzstadt, die sich da angesiedelt hatte, wo der Nebenfluß
in den Hauptfluß mündete, oder in die Hafenstadt, die sich dort breitmachte,
wo der Strom sich ins Meer ergoß. Die Freiheit der Wasserstraßen öffnete die
Länder und verband die Weltteile.

Die Menschen nun, die sich mit dem Auflauf und Verkauf der Waren
beschäftigen, sind die Faktoren des menschlichen Lebens, die den Überfluß eines
Landes gegen den Mangel eines anderen ausgleichen -- oder den Überfluß
einer Ernte bewerten, indem sie dem Bauer Geld als Zahlungsmittel geben,
wofür bei eintretendem Bedarf das Notwendige wieder von ihn: gedeckt werden
kann. Diese Menschen nennt man Kaufleute. Sie sind im Grunde die Regulierungs¬
apparate für die Ernten der Welt, und ihr Gewerbe entstand dadurch, daß sie
mit allen Ländern der Welt in freien Verkehr des Austausches treten konnten,
daß sie sich mit ihrer Ware überallhin frei bewegen konnten, Absatzgebiete
sowohl wie Produktionsgebiete in gefahrvollen Reisen aufsuchen konnten und
schließlich durch das allgemein im Tauschverkehr gültige Zahlungs¬
mittel -- Edelmetall, Silber, Gold, Kupfer -- den Verkehr der Länder
untereinander erleichterten. Und naturgemäß sind es die Hafenstädte,


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dieses Standes versenkt und seiner Entwicklung nachspürt, ebenso seine Existenz¬
berechtigung sich klar macht.

Die Erde brachte hervor, der Mensch nahm die Früchte der Erde oder
erlegte das Getier der Erde, — das Raubtier, um sich und das ihm nützliche
Wild zu schützen, das Wild, um sich zu sättigen. Das Haustier machte er sich
zahm, damit es ihm diene und helfe. Was geerntet oder erbeutet wurde, war
lediglich zu dem Zwecke da, um zunächst den Mann selbst, danach auch seine
Frau und seine Familie satt zu machen. Der Ackerbau wandelte dann das
bewegliche Zelt in feste Hütten. Immer systematischer betrieben, wurde der Ertrag
der Wirtschaft auch größer. Eine gute Ernte wurde zunächst aufgespeichert,
um die Wirkungen einer späteren schlechten oder von Hungerjahren auszugleichen.
Schließlich aber war, wenn man auch alles gewissenhaft anstellte in Winter¬
futter, Lebensunterhalt, Saat, Abgaben usw., doch noch an einzelnen Stellen ein
Überfluß vorhanden, den man gegen anderes in Tausch geben konnte. An
Stelle des Tauschhandels trat später die Geldwirtschaft, indem Geld aus Edel¬
metall als Wertmesser und allgemeines Tauschmittel anerkannt wurde. ^—
Das Getreide aber machte folgenden Gang: Das wasserarme Land hat seinen
Überfluß auf die Anhöhe gebracht, wo die Naturkraft des Windes wehte und
eine Windmühle sich drehte. Um die Windmühle herum sind Marktflecken ent¬
standen, wo das Geld, das der Müller zahlte, umgesetzt werden konnte in
Kolonialwaren, Kleidungsstücke, Schmucksachen. War der Überschuß der Umgegend
für den Müller zu groß, so werden die Händler des Marktfleckens sich an dem
Auflauf beteiligt haben und Geld als eine Anweisung für später zu beziehende
Waren dafür gegeben haben. War das Land wasserreich, von Flüssen durch¬
zogen, so zog der Überschuß auf dein Wasserwege dahin, wo Wassermühlen
waren, oder in die Provinzstadt, die sich da angesiedelt hatte, wo der Nebenfluß
in den Hauptfluß mündete, oder in die Hafenstadt, die sich dort breitmachte,
wo der Strom sich ins Meer ergoß. Die Freiheit der Wasserstraßen öffnete die
Länder und verband die Weltteile.

Die Menschen nun, die sich mit dem Auflauf und Verkauf der Waren
beschäftigen, sind die Faktoren des menschlichen Lebens, die den Überfluß eines
Landes gegen den Mangel eines anderen ausgleichen — oder den Überfluß
einer Ernte bewerten, indem sie dem Bauer Geld als Zahlungsmittel geben,
wofür bei eintretendem Bedarf das Notwendige wieder von ihn: gedeckt werden
kann. Diese Menschen nennt man Kaufleute. Sie sind im Grunde die Regulierungs¬
apparate für die Ernten der Welt, und ihr Gewerbe entstand dadurch, daß sie
mit allen Ländern der Welt in freien Verkehr des Austausches treten konnten,
daß sie sich mit ihrer Ware überallhin frei bewegen konnten, Absatzgebiete
sowohl wie Produktionsgebiete in gefahrvollen Reisen aufsuchen konnten und
schließlich durch das allgemein im Tauschverkehr gültige Zahlungs¬
mittel — Edelmetall, Silber, Gold, Kupfer — den Verkehr der Länder
untereinander erleichterten. Und naturgemäß sind es die Hafenstädte,


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[0260] Staat und Handel dieses Standes versenkt und seiner Entwicklung nachspürt, ebenso seine Existenz¬ berechtigung sich klar macht. Die Erde brachte hervor, der Mensch nahm die Früchte der Erde oder erlegte das Getier der Erde, — das Raubtier, um sich und das ihm nützliche Wild zu schützen, das Wild, um sich zu sättigen. Das Haustier machte er sich zahm, damit es ihm diene und helfe. Was geerntet oder erbeutet wurde, war lediglich zu dem Zwecke da, um zunächst den Mann selbst, danach auch seine Frau und seine Familie satt zu machen. Der Ackerbau wandelte dann das bewegliche Zelt in feste Hütten. Immer systematischer betrieben, wurde der Ertrag der Wirtschaft auch größer. Eine gute Ernte wurde zunächst aufgespeichert, um die Wirkungen einer späteren schlechten oder von Hungerjahren auszugleichen. Schließlich aber war, wenn man auch alles gewissenhaft anstellte in Winter¬ futter, Lebensunterhalt, Saat, Abgaben usw., doch noch an einzelnen Stellen ein Überfluß vorhanden, den man gegen anderes in Tausch geben konnte. An Stelle des Tauschhandels trat später die Geldwirtschaft, indem Geld aus Edel¬ metall als Wertmesser und allgemeines Tauschmittel anerkannt wurde. ^— Das Getreide aber machte folgenden Gang: Das wasserarme Land hat seinen Überfluß auf die Anhöhe gebracht, wo die Naturkraft des Windes wehte und eine Windmühle sich drehte. Um die Windmühle herum sind Marktflecken ent¬ standen, wo das Geld, das der Müller zahlte, umgesetzt werden konnte in Kolonialwaren, Kleidungsstücke, Schmucksachen. War der Überschuß der Umgegend für den Müller zu groß, so werden die Händler des Marktfleckens sich an dem Auflauf beteiligt haben und Geld als eine Anweisung für später zu beziehende Waren dafür gegeben haben. War das Land wasserreich, von Flüssen durch¬ zogen, so zog der Überschuß auf dein Wasserwege dahin, wo Wassermühlen waren, oder in die Provinzstadt, die sich da angesiedelt hatte, wo der Nebenfluß in den Hauptfluß mündete, oder in die Hafenstadt, die sich dort breitmachte, wo der Strom sich ins Meer ergoß. Die Freiheit der Wasserstraßen öffnete die Länder und verband die Weltteile. Die Menschen nun, die sich mit dem Auflauf und Verkauf der Waren beschäftigen, sind die Faktoren des menschlichen Lebens, die den Überfluß eines Landes gegen den Mangel eines anderen ausgleichen — oder den Überfluß einer Ernte bewerten, indem sie dem Bauer Geld als Zahlungsmittel geben, wofür bei eintretendem Bedarf das Notwendige wieder von ihn: gedeckt werden kann. Diese Menschen nennt man Kaufleute. Sie sind im Grunde die Regulierungs¬ apparate für die Ernten der Welt, und ihr Gewerbe entstand dadurch, daß sie mit allen Ländern der Welt in freien Verkehr des Austausches treten konnten, daß sie sich mit ihrer Ware überallhin frei bewegen konnten, Absatzgebiete sowohl wie Produktionsgebiete in gefahrvollen Reisen aufsuchen konnten und schließlich durch das allgemein im Tauschverkehr gültige Zahlungs¬ mittel — Edelmetall, Silber, Gold, Kupfer — den Verkehr der Länder untereinander erleichterten. Und naturgemäß sind es die Hafenstädte,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/260>, abgerufen am 04.01.2025.