Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Staat und Handel des Geldes. Denn das Geld ist nur Wertmesser im Verkehre der Völker -- Durch die künstliche Verteuerung des Brotes schädigt der Staat aber auch Hat ein Staat aber nicht mehr Land genug, um es rentabel (das heißt Staat und Handel des Geldes. Denn das Geld ist nur Wertmesser im Verkehre der Völker — Durch die künstliche Verteuerung des Brotes schädigt der Staat aber auch Hat ein Staat aber nicht mehr Land genug, um es rentabel (das heißt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319207"/> <fw type="header" place="top"> Staat und Handel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1509" prev="#ID_1508"> des Geldes. Denn das Geld ist nur Wertmesser im Verkehre der Völker —<lb/> nicht Selbstwert. Es kommt nur darauf an, was man für 100 Mark dort und<lb/> für 150 Mark hier kaufen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1510"> Durch die künstliche Verteuerung des Brotes schädigt der Staat aber auch<lb/> seine Volkskraft, das heißt also seine eigene Kraft, und das liegt ebensowenig<lb/> im Interesse des Staates wie in dein Interesse des Volkes. Er begünstigt die<lb/> Erde anstatt die Menschen, reizt hungrige, treibt seine besten Kräfte auch hinaus<lb/> in Länder der Erde, in denen das Brot billiger ist, und erschwert sich selbst alle<lb/> jene Maßregeln, die der Altswanderung Einhalt tun sollen. Die Verteuerung<lb/> des Brotes treibt aber auch gleichzeitig das Geld dazu in Grund und Boden<lb/> angelegt zu werden, denn ein Stück Land, das eine Tonne Roggen hervor¬<lb/> bringt, die 150 Mark statt 100 Mark künstlichen Wert hat, erscheint<lb/> auch mehr wert, als das Stück Land früher wert war. Während der Wert des<lb/> Geldes also auf einer Seite entwertet wird, wird künstlich der Wert des Landes<lb/> scheinbar erhöht. Es gleicht das dem Manne, der sein Bett, auf dem er liegt,<lb/> allmählich voll Gold stopft und denkt, nun besitze er etwas, wenn's ihn auch<lb/> noch so sehr in der Nacht drückt. Die Steigerung des Bodenwertes darf durchaus<lb/> nicht zu jeder Zeit ohne weiteres als Maßstab für die Steigerung des Wohl¬<lb/> standes aufgefaßt werden; im Gegenteil — von einem gewissen Punkte ab muß<lb/> sie Maßstab sür den Niedergang werden. Kapitalien sind Wertmesser im Ver¬<lb/> kehre der Völker der Erde, sie müssen von Hand zu Hand gehen, wenn sie nutzen<lb/> sollen; sie dürfen daher dem Handel nicht ungestraft entzogen werden, sonst<lb/> kommt der Staat in Abhängigkeit von dem, der flüssiges Kapital besitzt, und<lb/> muß dem Bankier dann auch 8 Prozent Diskont einmal zahlen — und der<lb/> Teufel fragt dann danach, was früher mal für sein Stück Land bezahlt wurde.<lb/> Durch die künstliche Verteuerung des Brotes erhöht der Staat auch die Ansprüche<lb/> seiner eigenen Angestellten, die ihm helfen sollen, das Staatswesen zu leiten.<lb/> Er schafft sich selbst höhere Gehälter, höhere Ausgaben, sich selbst eine Teuerung.<lb/> Wer die Preistabelleu über Jahrzehnte durchsieht, wird sinden, daß im Turnus<lb/> der Zeiten schlechte Ernten und Teuerungen von selbst kommen, man braucht<lb/> sie nicht künstlich hervorzurufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1511" next="#ID_1512"> Hat ein Staat aber nicht mehr Land genug, um es rentabel (das heißt<lb/> den aufzuwendenden, notwendigen Unkosten entsprechend) mit genügend Getreide<lb/> zu bebauen, um sein Volk damit selbst zu ernähren, so ist es falsch, für den<lb/> kleineren Ertrag seiner Erde Entgelt finden zu wollen, indem dieser kleinere<lb/> Ertrag durch künstlichen Schutzzoll entsprechend erhöht wird. Dadurch verteuert<lb/> er nur sein Land und entwertet gleichzeitig sein Geld. In einem solchen Fall<lb/> müssen die Staatsleiter einsehen, daß genügend große Landstrecken auf der<lb/> Welt noch bestehen, die Getreide billig für die Welt schaffen können. Dabei<lb/> ist nicht mehr zu befürchten, daß uns die Getreidezufuhr im Fall eines Krieges<lb/> abgeschnitten wird. Erstens hat die Technik es so weit gebracht, daß die<lb/> Konserven zur Ernährung des Volkes sich viele Jahre gut halten; zweitens</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
Staat und Handel
des Geldes. Denn das Geld ist nur Wertmesser im Verkehre der Völker —
nicht Selbstwert. Es kommt nur darauf an, was man für 100 Mark dort und
für 150 Mark hier kaufen kann.
Durch die künstliche Verteuerung des Brotes schädigt der Staat aber auch
seine Volkskraft, das heißt also seine eigene Kraft, und das liegt ebensowenig
im Interesse des Staates wie in dein Interesse des Volkes. Er begünstigt die
Erde anstatt die Menschen, reizt hungrige, treibt seine besten Kräfte auch hinaus
in Länder der Erde, in denen das Brot billiger ist, und erschwert sich selbst alle
jene Maßregeln, die der Altswanderung Einhalt tun sollen. Die Verteuerung
des Brotes treibt aber auch gleichzeitig das Geld dazu in Grund und Boden
angelegt zu werden, denn ein Stück Land, das eine Tonne Roggen hervor¬
bringt, die 150 Mark statt 100 Mark künstlichen Wert hat, erscheint
auch mehr wert, als das Stück Land früher wert war. Während der Wert des
Geldes also auf einer Seite entwertet wird, wird künstlich der Wert des Landes
scheinbar erhöht. Es gleicht das dem Manne, der sein Bett, auf dem er liegt,
allmählich voll Gold stopft und denkt, nun besitze er etwas, wenn's ihn auch
noch so sehr in der Nacht drückt. Die Steigerung des Bodenwertes darf durchaus
nicht zu jeder Zeit ohne weiteres als Maßstab für die Steigerung des Wohl¬
standes aufgefaßt werden; im Gegenteil — von einem gewissen Punkte ab muß
sie Maßstab sür den Niedergang werden. Kapitalien sind Wertmesser im Ver¬
kehre der Völker der Erde, sie müssen von Hand zu Hand gehen, wenn sie nutzen
sollen; sie dürfen daher dem Handel nicht ungestraft entzogen werden, sonst
kommt der Staat in Abhängigkeit von dem, der flüssiges Kapital besitzt, und
muß dem Bankier dann auch 8 Prozent Diskont einmal zahlen — und der
Teufel fragt dann danach, was früher mal für sein Stück Land bezahlt wurde.
Durch die künstliche Verteuerung des Brotes erhöht der Staat auch die Ansprüche
seiner eigenen Angestellten, die ihm helfen sollen, das Staatswesen zu leiten.
Er schafft sich selbst höhere Gehälter, höhere Ausgaben, sich selbst eine Teuerung.
Wer die Preistabelleu über Jahrzehnte durchsieht, wird sinden, daß im Turnus
der Zeiten schlechte Ernten und Teuerungen von selbst kommen, man braucht
sie nicht künstlich hervorzurufen.
Hat ein Staat aber nicht mehr Land genug, um es rentabel (das heißt
den aufzuwendenden, notwendigen Unkosten entsprechend) mit genügend Getreide
zu bebauen, um sein Volk damit selbst zu ernähren, so ist es falsch, für den
kleineren Ertrag seiner Erde Entgelt finden zu wollen, indem dieser kleinere
Ertrag durch künstlichen Schutzzoll entsprechend erhöht wird. Dadurch verteuert
er nur sein Land und entwertet gleichzeitig sein Geld. In einem solchen Fall
müssen die Staatsleiter einsehen, daß genügend große Landstrecken auf der
Welt noch bestehen, die Getreide billig für die Welt schaffen können. Dabei
ist nicht mehr zu befürchten, daß uns die Getreidezufuhr im Fall eines Krieges
abgeschnitten wird. Erstens hat die Technik es so weit gebracht, daß die
Konserven zur Ernährung des Volkes sich viele Jahre gut halten; zweitens
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