Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Pilatnswanderunge,, im sechzehnte" Jahrhundert begnügen, die ihm der Hirte machte. Danach hat der See weder Zufluß noch Allmählich wurde es Zeit zur Heimkehr. Die Freunde brachen auf, bestiegen So interessant an und für sich dieser von einem Humanisten erstattete Völlig modern erscheint uns dagegen die anziehende Schilderung einer Am Morgen nach seiner Ankunft in Luzern erwirkte Gesner für sich und Pilatnswanderunge,, im sechzehnte» Jahrhundert begnügen, die ihm der Hirte machte. Danach hat der See weder Zufluß noch Allmählich wurde es Zeit zur Heimkehr. Die Freunde brachen auf, bestiegen So interessant an und für sich dieser von einem Humanisten erstattete Völlig modern erscheint uns dagegen die anziehende Schilderung einer Am Morgen nach seiner Ankunft in Luzern erwirkte Gesner für sich und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319179"/> <fw type="header" place="top"> Pilatnswanderunge,, im sechzehnte» Jahrhundert</fw><lb/> <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> begnügen, die ihm der Hirte machte. Danach hat der See weder Zufluß noch<lb/> Abfluß, und andauernder Regen vermag ebensowenig wie ständiger Sonnen¬<lb/> schein die Höhe seines Wasierstandes zu beeinflussen; das dunkle Gewässer ist<lb/> allem Anschein nach unbeweglich, aber es kommt Vadian doch auch der<lb/> Gedanke, daß diese Eigenschaft ihren Grund in der geschützten Lage des Wasser¬<lb/> beckens haben könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1391"> Allmählich wurde es Zeit zur Heimkehr. Die Freunde brachen auf, bestiegen<lb/> weiter unten ihre zurückgelassenen Pferde und langten erst nach Sonnenuntergang<lb/> wieder in Luzern an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1392"> So interessant an und für sich dieser von einem Humanisten erstattete<lb/> älteste Bericht einer Bergbesteigung in den Schweizer Alpen auch ist — er mutet<lb/> uns durchaus mittelalterlich an. Mit keinem Worte verrät der Verfasser etwas<lb/> von der Stimmung, in der er sich während des erwartungsvollen Aufstieges<lb/> befunden haben mag, mit keinem Worte gedenkt er der unvergleichlich schönen<lb/> Rundschau auf die Alpenwelt ringsum mit ihren sonnigen Gipfeln und düsteren<lb/> Schluchten, ihren sammetgrünen Matten und lieblichen Tälern, mit keinem Worte<lb/> des herrlichen Vierwaldstätter Sees und seiner reizenden Gestade.</p><lb/> <p xml:id="ID_1393"> Völlig modern erscheint uns dagegen die anziehende Schilderung einer<lb/> Besteigung des Pilatus aus der Feder Konrad Gesners aus Zürich, des „deutschen<lb/> Plinius" und eines der ältesten Meister schweizerischer Bergknnde. Gesner war<lb/> ein leidenschaftlicher Freund des Wanderns und ein begeisterter Bergsteiger.<lb/> „Solange Gott mir mein Leben schenken wird," schreibt er im Jahre 1541 an<lb/> seinen Freund Jakob Avienus (Vogel), Landschreiber in Glarus, „habe ich<lb/> beschlossen, jährlich einige Berge oder doch einen zu besteigen, teils um die<lb/> Gebirgsflora kennen zu lernen, teils um den Körper zu kräftigen und den Geist<lb/> zu erfrischen. Welchen Genuß gewährt es nicht, die ungeheuren Bergmassen zu<lb/> betrachten und das Haupt in die Wolken zu erheben! Wie stimmt es zur<lb/> Andacht, wenn man umringt ist von den Schneedomen, die der große Welten¬<lb/> baumeister an dem einen langen Schöpfungstage geschaffen hat! Wie leer ist<lb/> doch das Leben, wie niedrig das Streben derer, die auf dem Erdboden umher-<lb/> kriechen, nur um zu erwerben und spießbürgerlich zu genießen! Ihnen bleibt<lb/> das irdische Paradies verschlossen." Nachdem Gesner schon 1541 und in<lb/> späteren Jahren die Glarner Alpen besucht hatte, bestieg er im August 1555<lb/> den Pilatus und beschrieb dann noch ganz unter dem Eindruck des Geschauten<lb/> wenige Tage später diese Bergfahrt in einer kleinen Abhandlung. Sie ist dem<lb/> Luzerner Stadtarzt Johannes Chrysostomus Huber gewidmet, der selbst kurz<lb/> vorher den Pilatus erklommen und in dessen Hause Gesner gastliche Aufnahme<lb/> gefunden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1394" next="#ID_1395"> Am Morgen nach seiner Ankunft in Luzern erwirkte Gesner für sich und<lb/> einige Freunde bei dem Schultheißen Nikolaus von Meggen die damals noch<lb/> immer erforderliche Erlaubnis zur Besteigung des Berges. Man gab ihnen<lb/> einen wegkundigen Stadtknecht mit, um sie für alle Fälle vor Unannehmlichkeiten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
Pilatnswanderunge,, im sechzehnte» Jahrhundert
begnügen, die ihm der Hirte machte. Danach hat der See weder Zufluß noch
Abfluß, und andauernder Regen vermag ebensowenig wie ständiger Sonnen¬
schein die Höhe seines Wasierstandes zu beeinflussen; das dunkle Gewässer ist
allem Anschein nach unbeweglich, aber es kommt Vadian doch auch der
Gedanke, daß diese Eigenschaft ihren Grund in der geschützten Lage des Wasser¬
beckens haben könne.
Allmählich wurde es Zeit zur Heimkehr. Die Freunde brachen auf, bestiegen
weiter unten ihre zurückgelassenen Pferde und langten erst nach Sonnenuntergang
wieder in Luzern an.
So interessant an und für sich dieser von einem Humanisten erstattete
älteste Bericht einer Bergbesteigung in den Schweizer Alpen auch ist — er mutet
uns durchaus mittelalterlich an. Mit keinem Worte verrät der Verfasser etwas
von der Stimmung, in der er sich während des erwartungsvollen Aufstieges
befunden haben mag, mit keinem Worte gedenkt er der unvergleichlich schönen
Rundschau auf die Alpenwelt ringsum mit ihren sonnigen Gipfeln und düsteren
Schluchten, ihren sammetgrünen Matten und lieblichen Tälern, mit keinem Worte
des herrlichen Vierwaldstätter Sees und seiner reizenden Gestade.
Völlig modern erscheint uns dagegen die anziehende Schilderung einer
Besteigung des Pilatus aus der Feder Konrad Gesners aus Zürich, des „deutschen
Plinius" und eines der ältesten Meister schweizerischer Bergknnde. Gesner war
ein leidenschaftlicher Freund des Wanderns und ein begeisterter Bergsteiger.
„Solange Gott mir mein Leben schenken wird," schreibt er im Jahre 1541 an
seinen Freund Jakob Avienus (Vogel), Landschreiber in Glarus, „habe ich
beschlossen, jährlich einige Berge oder doch einen zu besteigen, teils um die
Gebirgsflora kennen zu lernen, teils um den Körper zu kräftigen und den Geist
zu erfrischen. Welchen Genuß gewährt es nicht, die ungeheuren Bergmassen zu
betrachten und das Haupt in die Wolken zu erheben! Wie stimmt es zur
Andacht, wenn man umringt ist von den Schneedomen, die der große Welten¬
baumeister an dem einen langen Schöpfungstage geschaffen hat! Wie leer ist
doch das Leben, wie niedrig das Streben derer, die auf dem Erdboden umher-
kriechen, nur um zu erwerben und spießbürgerlich zu genießen! Ihnen bleibt
das irdische Paradies verschlossen." Nachdem Gesner schon 1541 und in
späteren Jahren die Glarner Alpen besucht hatte, bestieg er im August 1555
den Pilatus und beschrieb dann noch ganz unter dem Eindruck des Geschauten
wenige Tage später diese Bergfahrt in einer kleinen Abhandlung. Sie ist dem
Luzerner Stadtarzt Johannes Chrysostomus Huber gewidmet, der selbst kurz
vorher den Pilatus erklommen und in dessen Hause Gesner gastliche Aufnahme
gefunden hatte.
Am Morgen nach seiner Ankunft in Luzern erwirkte Gesner für sich und
einige Freunde bei dem Schultheißen Nikolaus von Meggen die damals noch
immer erforderliche Erlaubnis zur Besteigung des Berges. Man gab ihnen
einen wegkundigen Stadtknecht mit, um sie für alle Fälle vor Unannehmlichkeiten
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