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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen

Prinzen Heinrich mußte sie mitnehmen. Er bezeichnet sie darin als seine beste
Freundin, als die einzige, der er nicht das Glück meide, sich der bewunderten
Katharina zu nähern.

Die Überfahrt von Lübeck war nicht so angenehm, wie Friedrich es in
einem scherzhaften Anruf an die Meeresgötter den hohen Reisenden gewünscht
hatte. Unmittelbar nach der Ankunft in Czarskoje-Scio, am 27. Juli, schreibt
Karoline an den König, entzückt von der Liebenswürdigkeit der Kaiserin, die
ihr sofort Vertrauen und Sicherheit einflößte; aber noch hat der neue Paris den
Apfel nicht überreicht, noch bebt ihr Herz in unruhiger Spannung. Zwei
Tage darauf fügt sie in einer Nachschrift hinzu, daß die Entscheidung gefallen sei,
und zwar, wie der Freund es vorausgesagt, zu Gunsten Wilhelminens. Die
Prinzessin war sofort zu dem verlangten Glaubenswechsel bereit. Karoline
stellt es in ihren Briefen an ihren Gemahl so dar, als ob diese Frage erst
jetzt erwogen worden sei. Aber nicht blos ans der Korrespondenz Friedrichs
des Großen, sondern auch aus Asseburgs Denkwürdigkeiten wissen wir, daß die
Mutier schon zu Hause mit ihren Töchtern darüber gesprochen und daß nur die
jüngste, Luise, sich durchaus ablehnend geäußert hatte. Wilhelminens Lehrer
wurde der auch von dem Prinzen Heinrich empfohlene Erzbischof Platon.
Der aufgeklärte Mann machte ihr den "gefährlichen Sprung" so leicht wie
möglich. Sie erhielt in der Taufe den Namen Natalia Alexiewna, und König
Friedrich hatte seinen Spaß an dieser "Natalisation" Wilhelminens. Nicht
ganz so spaßhaft nahm es die Landgräfin. Sie mußte sich rechtfertigen vor
ihrer streng protestantischen Mutter, auch ihr Gatte machte ihr die heftigsten
Vorwürfe. Ein geharnischtes Verbot kam freilich zu spät. Der Ärger galt
aber wohl nichr noch dem Scheitern seiner anderen ehrgeizigen und unausführbaren
Pläne: wenn diese geglückt wären, würde er seiner Tochter sogar erlaubt
haben, türkisch zu werden. Im übrigen wollte Karoline gern alle Schuld auf
sich nehmen; sie wußte, daß es ihr uach ihrer Rückkehr unschwer gelingen werde,
ihm den Querkopf zurechtzusetzen. Ihr Mutterherz war beruhigt, als sie das
Glück des jungen Paares sah. Der Großfürst schien sehr verliebt in seine
"Man", und auch die Kaiserin brachte der neuen Schwiegertochter herzliche
Teilnahme entgegen.

Erst Ende Oktober verließ Karoline reich beschenkt Petersburg. Diesmal
schlug sie den Landweg über Riga ein. Unterwegs wurde ihr gemeldet, daß
ihre Berliner Tochter einen zweiten Sohn bekommen hatte. Darauf spielten die
guten Prenzlauer in einem artigen Gedichtchen an, als sie ihre frühere Mit¬
bürgerin auf der Durchreise festlich begrüßten.


Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen

Prinzen Heinrich mußte sie mitnehmen. Er bezeichnet sie darin als seine beste
Freundin, als die einzige, der er nicht das Glück meide, sich der bewunderten
Katharina zu nähern.

Die Überfahrt von Lübeck war nicht so angenehm, wie Friedrich es in
einem scherzhaften Anruf an die Meeresgötter den hohen Reisenden gewünscht
hatte. Unmittelbar nach der Ankunft in Czarskoje-Scio, am 27. Juli, schreibt
Karoline an den König, entzückt von der Liebenswürdigkeit der Kaiserin, die
ihr sofort Vertrauen und Sicherheit einflößte; aber noch hat der neue Paris den
Apfel nicht überreicht, noch bebt ihr Herz in unruhiger Spannung. Zwei
Tage darauf fügt sie in einer Nachschrift hinzu, daß die Entscheidung gefallen sei,
und zwar, wie der Freund es vorausgesagt, zu Gunsten Wilhelminens. Die
Prinzessin war sofort zu dem verlangten Glaubenswechsel bereit. Karoline
stellt es in ihren Briefen an ihren Gemahl so dar, als ob diese Frage erst
jetzt erwogen worden sei. Aber nicht blos ans der Korrespondenz Friedrichs
des Großen, sondern auch aus Asseburgs Denkwürdigkeiten wissen wir, daß die
Mutier schon zu Hause mit ihren Töchtern darüber gesprochen und daß nur die
jüngste, Luise, sich durchaus ablehnend geäußert hatte. Wilhelminens Lehrer
wurde der auch von dem Prinzen Heinrich empfohlene Erzbischof Platon.
Der aufgeklärte Mann machte ihr den „gefährlichen Sprung" so leicht wie
möglich. Sie erhielt in der Taufe den Namen Natalia Alexiewna, und König
Friedrich hatte seinen Spaß an dieser „Natalisation" Wilhelminens. Nicht
ganz so spaßhaft nahm es die Landgräfin. Sie mußte sich rechtfertigen vor
ihrer streng protestantischen Mutter, auch ihr Gatte machte ihr die heftigsten
Vorwürfe. Ein geharnischtes Verbot kam freilich zu spät. Der Ärger galt
aber wohl nichr noch dem Scheitern seiner anderen ehrgeizigen und unausführbaren
Pläne: wenn diese geglückt wären, würde er seiner Tochter sogar erlaubt
haben, türkisch zu werden. Im übrigen wollte Karoline gern alle Schuld auf
sich nehmen; sie wußte, daß es ihr uach ihrer Rückkehr unschwer gelingen werde,
ihm den Querkopf zurechtzusetzen. Ihr Mutterherz war beruhigt, als sie das
Glück des jungen Paares sah. Der Großfürst schien sehr verliebt in seine
„Man", und auch die Kaiserin brachte der neuen Schwiegertochter herzliche
Teilnahme entgegen.

Erst Ende Oktober verließ Karoline reich beschenkt Petersburg. Diesmal
schlug sie den Landweg über Riga ein. Unterwegs wurde ihr gemeldet, daß
ihre Berliner Tochter einen zweiten Sohn bekommen hatte. Darauf spielten die
guten Prenzlauer in einem artigen Gedichtchen an, als sie ihre frühere Mit¬
bürgerin auf der Durchreise festlich begrüßten.


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[0218] Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen Prinzen Heinrich mußte sie mitnehmen. Er bezeichnet sie darin als seine beste Freundin, als die einzige, der er nicht das Glück meide, sich der bewunderten Katharina zu nähern. Die Überfahrt von Lübeck war nicht so angenehm, wie Friedrich es in einem scherzhaften Anruf an die Meeresgötter den hohen Reisenden gewünscht hatte. Unmittelbar nach der Ankunft in Czarskoje-Scio, am 27. Juli, schreibt Karoline an den König, entzückt von der Liebenswürdigkeit der Kaiserin, die ihr sofort Vertrauen und Sicherheit einflößte; aber noch hat der neue Paris den Apfel nicht überreicht, noch bebt ihr Herz in unruhiger Spannung. Zwei Tage darauf fügt sie in einer Nachschrift hinzu, daß die Entscheidung gefallen sei, und zwar, wie der Freund es vorausgesagt, zu Gunsten Wilhelminens. Die Prinzessin war sofort zu dem verlangten Glaubenswechsel bereit. Karoline stellt es in ihren Briefen an ihren Gemahl so dar, als ob diese Frage erst jetzt erwogen worden sei. Aber nicht blos ans der Korrespondenz Friedrichs des Großen, sondern auch aus Asseburgs Denkwürdigkeiten wissen wir, daß die Mutier schon zu Hause mit ihren Töchtern darüber gesprochen und daß nur die jüngste, Luise, sich durchaus ablehnend geäußert hatte. Wilhelminens Lehrer wurde der auch von dem Prinzen Heinrich empfohlene Erzbischof Platon. Der aufgeklärte Mann machte ihr den „gefährlichen Sprung" so leicht wie möglich. Sie erhielt in der Taufe den Namen Natalia Alexiewna, und König Friedrich hatte seinen Spaß an dieser „Natalisation" Wilhelminens. Nicht ganz so spaßhaft nahm es die Landgräfin. Sie mußte sich rechtfertigen vor ihrer streng protestantischen Mutter, auch ihr Gatte machte ihr die heftigsten Vorwürfe. Ein geharnischtes Verbot kam freilich zu spät. Der Ärger galt aber wohl nichr noch dem Scheitern seiner anderen ehrgeizigen und unausführbaren Pläne: wenn diese geglückt wären, würde er seiner Tochter sogar erlaubt haben, türkisch zu werden. Im übrigen wollte Karoline gern alle Schuld auf sich nehmen; sie wußte, daß es ihr uach ihrer Rückkehr unschwer gelingen werde, ihm den Querkopf zurechtzusetzen. Ihr Mutterherz war beruhigt, als sie das Glück des jungen Paares sah. Der Großfürst schien sehr verliebt in seine „Man", und auch die Kaiserin brachte der neuen Schwiegertochter herzliche Teilnahme entgegen. Erst Ende Oktober verließ Karoline reich beschenkt Petersburg. Diesmal schlug sie den Landweg über Riga ein. Unterwegs wurde ihr gemeldet, daß ihre Berliner Tochter einen zweiten Sohn bekommen hatte. Darauf spielten die guten Prenzlauer in einem artigen Gedichtchen an, als sie ihre frühere Mit¬ bürgerin auf der Durchreise festlich begrüßten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/218>, abgerufen am 01.01.2025.