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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und die Landgräfin Karoluie von Hessen

Auch die "Märkische Sappho", die Karschin, griff mächtig in die Saiten,
um die Wiederkehr der Landgräfin zu feiern:

Sehr beunruhigte den König der Gesundheitszustand der Landgräfin, die
sich auf der anstrengenden Winterreise erkältet hatte. Immer wieder ermahnt
er sie, sich zu schonen, sich ihrer Familie und ihren Freunden zu erhalten.
Tons alle Sorge war vergebens. Am 30. März 1774 starb Karoline. Der König
ließ ihr in dem Englischen Garten zu Darmstadt, wo sie sich selbst ihre Ruhe¬
stätte altsgesucht hatte, eine marmorne Urne setzen mit der Inschrift: Nomina
sexu, inZLnio vir.

Ihr früher Tod ersparte es Karolinen, noch das traurige Schicksal ihrer
Tochter Natalia mitzuerleben, Die junge Großfürstin soll sich durch herrsch¬
süchtiges Wesen und Neigung zur Intrige sehr bald den Groll der Kaiserin
zugezogen haben. Man legte ihr sogar noch schlimmere Dinge, Untreue an dem
sie zärtlich liebenden Gemahl, zur Last. Aber alles darüber gesagte, -- auch
Friedrich der Große erwähnt es in seinen Memoiren -- geht auf sehr unsichere
Quellen zurück. Nach kaun: dreijähriger Ehe starb Natalia im Kindbett. Prinz
Heinrich war gerade wieder in Petersburg, und sofort taten er und die Kaiserin
sich zusammen, um dem trauernden Witwer Ersatz zu verschaffen. Katharina
kehrte zu ihrer alten Liebe, der inzwischen heiratsfähig gewordenen Dorothea von
Württemberg, zurück. Der Großfürst mußte den Prinzen Heinrich nach Berlin
begleiten, und hier verlobte er sich mit der hübschen jungen Prinzessin, die der
König mit ihren Eltern schleunigst aus dem fernen Mömpelgard hatte kommen
lassen. Jetzt hatte er nichts mehr gegen die "zu dicke" Württembergerin
einzuwenden: sie war seine Großnichte, und neue verwandtschaftliche Be¬
ziehungen zum russischen Herrscherhaus" schienen ihm für die Zukunft Preußens
von der größten Bedeutung. So hat er an dieser zweiten Heirat des Gro߬
fürsten Paul einen ganz hervorragenden Anteil gehabt. Er ahnte nicht, daß sich
schon in der nächsten Zeit das politische Bild vollkommen verändern, daß es
dem Sohn seiner alten Todfeindin Maria Theresia, dein Kaiser Joseph dem
Zweiten, gelingen würde, ihm seine langjährige Verbündete, die russische Kaiserin,
für immer z" entfremden.




Friedrich der Große und die Landgräfin Karoluie von Hessen

Auch die „Märkische Sappho", die Karschin, griff mächtig in die Saiten,
um die Wiederkehr der Landgräfin zu feiern:

Sehr beunruhigte den König der Gesundheitszustand der Landgräfin, die
sich auf der anstrengenden Winterreise erkältet hatte. Immer wieder ermahnt
er sie, sich zu schonen, sich ihrer Familie und ihren Freunden zu erhalten.
Tons alle Sorge war vergebens. Am 30. März 1774 starb Karoline. Der König
ließ ihr in dem Englischen Garten zu Darmstadt, wo sie sich selbst ihre Ruhe¬
stätte altsgesucht hatte, eine marmorne Urne setzen mit der Inschrift: Nomina
sexu, inZLnio vir.

Ihr früher Tod ersparte es Karolinen, noch das traurige Schicksal ihrer
Tochter Natalia mitzuerleben, Die junge Großfürstin soll sich durch herrsch¬
süchtiges Wesen und Neigung zur Intrige sehr bald den Groll der Kaiserin
zugezogen haben. Man legte ihr sogar noch schlimmere Dinge, Untreue an dem
sie zärtlich liebenden Gemahl, zur Last. Aber alles darüber gesagte, — auch
Friedrich der Große erwähnt es in seinen Memoiren — geht auf sehr unsichere
Quellen zurück. Nach kaun: dreijähriger Ehe starb Natalia im Kindbett. Prinz
Heinrich war gerade wieder in Petersburg, und sofort taten er und die Kaiserin
sich zusammen, um dem trauernden Witwer Ersatz zu verschaffen. Katharina
kehrte zu ihrer alten Liebe, der inzwischen heiratsfähig gewordenen Dorothea von
Württemberg, zurück. Der Großfürst mußte den Prinzen Heinrich nach Berlin
begleiten, und hier verlobte er sich mit der hübschen jungen Prinzessin, die der
König mit ihren Eltern schleunigst aus dem fernen Mömpelgard hatte kommen
lassen. Jetzt hatte er nichts mehr gegen die „zu dicke" Württembergerin
einzuwenden: sie war seine Großnichte, und neue verwandtschaftliche Be¬
ziehungen zum russischen Herrscherhaus« schienen ihm für die Zukunft Preußens
von der größten Bedeutung. So hat er an dieser zweiten Heirat des Gro߬
fürsten Paul einen ganz hervorragenden Anteil gehabt. Er ahnte nicht, daß sich
schon in der nächsten Zeit das politische Bild vollkommen verändern, daß es
dem Sohn seiner alten Todfeindin Maria Theresia, dein Kaiser Joseph dem
Zweiten, gelingen würde, ihm seine langjährige Verbündete, die russische Kaiserin,
für immer z» entfremden.




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[0219] Friedrich der Große und die Landgräfin Karoluie von Hessen Auch die „Märkische Sappho", die Karschin, griff mächtig in die Saiten, um die Wiederkehr der Landgräfin zu feiern: Sehr beunruhigte den König der Gesundheitszustand der Landgräfin, die sich auf der anstrengenden Winterreise erkältet hatte. Immer wieder ermahnt er sie, sich zu schonen, sich ihrer Familie und ihren Freunden zu erhalten. Tons alle Sorge war vergebens. Am 30. März 1774 starb Karoline. Der König ließ ihr in dem Englischen Garten zu Darmstadt, wo sie sich selbst ihre Ruhe¬ stätte altsgesucht hatte, eine marmorne Urne setzen mit der Inschrift: Nomina sexu, inZLnio vir. Ihr früher Tod ersparte es Karolinen, noch das traurige Schicksal ihrer Tochter Natalia mitzuerleben, Die junge Großfürstin soll sich durch herrsch¬ süchtiges Wesen und Neigung zur Intrige sehr bald den Groll der Kaiserin zugezogen haben. Man legte ihr sogar noch schlimmere Dinge, Untreue an dem sie zärtlich liebenden Gemahl, zur Last. Aber alles darüber gesagte, — auch Friedrich der Große erwähnt es in seinen Memoiren — geht auf sehr unsichere Quellen zurück. Nach kaun: dreijähriger Ehe starb Natalia im Kindbett. Prinz Heinrich war gerade wieder in Petersburg, und sofort taten er und die Kaiserin sich zusammen, um dem trauernden Witwer Ersatz zu verschaffen. Katharina kehrte zu ihrer alten Liebe, der inzwischen heiratsfähig gewordenen Dorothea von Württemberg, zurück. Der Großfürst mußte den Prinzen Heinrich nach Berlin begleiten, und hier verlobte er sich mit der hübschen jungen Prinzessin, die der König mit ihren Eltern schleunigst aus dem fernen Mömpelgard hatte kommen lassen. Jetzt hatte er nichts mehr gegen die „zu dicke" Württembergerin einzuwenden: sie war seine Großnichte, und neue verwandtschaftliche Be¬ ziehungen zum russischen Herrscherhaus« schienen ihm für die Zukunft Preußens von der größten Bedeutung. So hat er an dieser zweiten Heirat des Gro߬ fürsten Paul einen ganz hervorragenden Anteil gehabt. Er ahnte nicht, daß sich schon in der nächsten Zeit das politische Bild vollkommen verändern, daß es dem Sohn seiner alten Todfeindin Maria Theresia, dein Kaiser Joseph dem Zweiten, gelingen würde, ihm seine langjährige Verbündete, die russische Kaiserin, für immer z» entfremden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/219>, abgerufen am 29.12.2024.