Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen sei; erst dann werde man in Petersburg daran denken können, "mit den Lor¬ Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen sei; erst dann werde man in Petersburg daran denken können, „mit den Lor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319164"/> <fw type="header" place="top"> Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338" next="#ID_1340"> sei; erst dann werde man in Petersburg daran denken können, „mit den Lor¬<lb/> beeren des Mars die Myrrhen der Liebe zu vereinigen." Welche Enttäuschung,<lb/> als der schon in Fokschani zusammengetretene Friedenskongreß nach drei Wochen<lb/> wieder auseinandergingI Die Landgräfin aber fand sich jetzt mit Würde in<lb/> das Unvermeidliche: ob die Heirat zustande komme oder nicht, ihr Trost sei,<lb/> daß sie diesem Plane die kostbaren Briefe verdanke, mit denen der König sie<lb/> beehrt habe. Leere Schmeichelei oder Heuchelei war das gewiß nicht; man<lb/> weiß, was Briefe diesem empfindsamen Zeitalter bedeuteten. Friedrich spricht<lb/> der Freundin Mut zu: sie solle sich durch augenblickliche Verzögerungen und<lb/> .Hemmungen nicht beirren lassen; er zweifelt nicht, daß das große Werk ihm<lb/> doch noch gelingen wird, denn er steht ja mit den „Hauptakteurs", die dabei<lb/> zu tun haben, in enger Verbindung. Mit diesen „Hauptakteurs" können nur<lb/> Parm, der russische Minister und Oberhofmeistcr des jungen Großfürsten, und<lb/> Ansatz Ferdinand von der Asseburg gemeint sein. Daß Parm, der noch im<lb/> Januar 1772 die Verbindung mit dem Hause Württemberg als die angemessenste<lb/> bezeichnet hatte, durch den ihm befreundeten preußischen Gesandten Solms<lb/> allmählich für die Darmstädterin gewonnen wurde, ist nicht unwahrscheinlich.<lb/> Doch weit wichtiger als der Russe war der deutsche Freiherr, der Vertrauens¬<lb/> mann Katharinas, von dessen günstigen oder ungünstigen Berichten alles<lb/> abzuhängen schien. Sobald der König — wir wissen, erst wie spät — von<lb/> Asseburgs Austrag erfahren hatte, mußte sein Kabinettsminister Finkenstein an<lb/> diesen schreiben und, wie es in den Memoiren heißt, „seinen patriotischen Eifer<lb/> wachrufen." Der vorsichtige Diplomat beteuerte zwar seine gut preußische<lb/> Gesinnung, gab aber zunächst eine sehr unbestimmte Antwort. In einem späteren<lb/> Briefe lehnte er es ausdrücklich ab, ohne Erlaubnis des russischen Hofes mit<lb/> dem preußischen Kabinett eine geheime Korrespondenz zu unterhalten, war aber<lb/> bereit, sich auf seinem Gute Meisdorf mit dem ihm von früher bekannten<lb/> Kriegsrat Diestel zu besprechen. Die Unterredung fand in den ersten Oktober¬<lb/> tagen statt. Der König erfuhr jetzt aus sicherster Quelle, daß die Wahl nur<lb/> noch zwischen Wilhelmine und Dorothea schwanke. Das Hauptergebnis aber<lb/> war: Asseburg verpflichtete sich, soweit es in seinen Kräften stände, die preu¬<lb/> ßischen Wünsche zu unterstützen. Das war viel, doch noch nicht alles. Die<lb/> Hauptentscheidung lag in den Händen der Kaiserin oder des Großfürsten; nur<lb/> ein Zufall, eine Laune „des jungen Menschen" konnte den ganzen schönen Plan<lb/> vernichten, wenn die Dinge ihm auch in möglichst günstigem Lichte für die<lb/> Tochter der Landgräfin dargestellt werden sollten. „Ich arbeite sür Sie unablässig,<lb/> wie wenn ich in Ihren: Solde stände", schrieb Friedrich am 12. Oktober an die<lb/> Freundin, und später an seinen Bruder Heinrich: „Ich habe intrigiert wie ein<lb/> Teufel, um die Sache so weit zu bringen." Trotzdem — an dem entscheidenden<lb/> Schritte, der endlich von Petersburg her geschah, hat der König schwerlich den<lb/> bedeutenden Anteil gehabt, den er selbst sich daran zuschreibt. Am 19. Oktober<lb/> erhielt Assebnrg Befehl, im Namen der Kaiserin die Landgräfin mit ihren drei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
Friedrich der Große und die Landgräfin Karoline von Hessen
sei; erst dann werde man in Petersburg daran denken können, „mit den Lor¬
beeren des Mars die Myrrhen der Liebe zu vereinigen." Welche Enttäuschung,
als der schon in Fokschani zusammengetretene Friedenskongreß nach drei Wochen
wieder auseinandergingI Die Landgräfin aber fand sich jetzt mit Würde in
das Unvermeidliche: ob die Heirat zustande komme oder nicht, ihr Trost sei,
daß sie diesem Plane die kostbaren Briefe verdanke, mit denen der König sie
beehrt habe. Leere Schmeichelei oder Heuchelei war das gewiß nicht; man
weiß, was Briefe diesem empfindsamen Zeitalter bedeuteten. Friedrich spricht
der Freundin Mut zu: sie solle sich durch augenblickliche Verzögerungen und
.Hemmungen nicht beirren lassen; er zweifelt nicht, daß das große Werk ihm
doch noch gelingen wird, denn er steht ja mit den „Hauptakteurs", die dabei
zu tun haben, in enger Verbindung. Mit diesen „Hauptakteurs" können nur
Parm, der russische Minister und Oberhofmeistcr des jungen Großfürsten, und
Ansatz Ferdinand von der Asseburg gemeint sein. Daß Parm, der noch im
Januar 1772 die Verbindung mit dem Hause Württemberg als die angemessenste
bezeichnet hatte, durch den ihm befreundeten preußischen Gesandten Solms
allmählich für die Darmstädterin gewonnen wurde, ist nicht unwahrscheinlich.
Doch weit wichtiger als der Russe war der deutsche Freiherr, der Vertrauens¬
mann Katharinas, von dessen günstigen oder ungünstigen Berichten alles
abzuhängen schien. Sobald der König — wir wissen, erst wie spät — von
Asseburgs Austrag erfahren hatte, mußte sein Kabinettsminister Finkenstein an
diesen schreiben und, wie es in den Memoiren heißt, „seinen patriotischen Eifer
wachrufen." Der vorsichtige Diplomat beteuerte zwar seine gut preußische
Gesinnung, gab aber zunächst eine sehr unbestimmte Antwort. In einem späteren
Briefe lehnte er es ausdrücklich ab, ohne Erlaubnis des russischen Hofes mit
dem preußischen Kabinett eine geheime Korrespondenz zu unterhalten, war aber
bereit, sich auf seinem Gute Meisdorf mit dem ihm von früher bekannten
Kriegsrat Diestel zu besprechen. Die Unterredung fand in den ersten Oktober¬
tagen statt. Der König erfuhr jetzt aus sicherster Quelle, daß die Wahl nur
noch zwischen Wilhelmine und Dorothea schwanke. Das Hauptergebnis aber
war: Asseburg verpflichtete sich, soweit es in seinen Kräften stände, die preu¬
ßischen Wünsche zu unterstützen. Das war viel, doch noch nicht alles. Die
Hauptentscheidung lag in den Händen der Kaiserin oder des Großfürsten; nur
ein Zufall, eine Laune „des jungen Menschen" konnte den ganzen schönen Plan
vernichten, wenn die Dinge ihm auch in möglichst günstigem Lichte für die
Tochter der Landgräfin dargestellt werden sollten. „Ich arbeite sür Sie unablässig,
wie wenn ich in Ihren: Solde stände", schrieb Friedrich am 12. Oktober an die
Freundin, und später an seinen Bruder Heinrich: „Ich habe intrigiert wie ein
Teufel, um die Sache so weit zu bringen." Trotzdem — an dem entscheidenden
Schritte, der endlich von Petersburg her geschah, hat der König schwerlich den
bedeutenden Anteil gehabt, den er selbst sich daran zuschreibt. Am 19. Oktober
erhielt Assebnrg Befehl, im Namen der Kaiserin die Landgräfin mit ihren drei
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