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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und die Landgräfin llaroline von Hessen

nahm, wie so oft, auch diesen Einfall ihres wunderlichen Gemahls nicht ernst,
ließ ihn aber zunächst, um ihm nicht die Laune zu verderben, bei seinem Glauben.
Die Fäden aller dieser Verhandlungen gingen allein durch ihre Hände. Der
Landgraf hatte mit seinen geliebten Rekruten auf dem Exerzierplatz von Pirmasens
viel zu viel zu tun, um sich mit Darmstädter Familienangelegenheiten ein¬
gehender zu beschäftigen. Friedrich der Große wußte das. Der Name des
Landgrafen, der ihm überdies persönlich wenig angenehm war, kommt in seiner
Korrespondenz kaum einmal vor. Der König unterhandelte mit klugen und
geistvollen Frauen besonders gern. Man liest fast aus jeder Zeile heraus,
welch ein Vergnügen es ihm war, zusammen mit der gleichgesinnten Freundin,
in ihrem Dienste, "als ihr Agent", die große, freilich auch für die preußische
Politik so vorteilhafte Sache in Gang zu bringen. "Der Lohn für meine
Kuppelei", so schreibt er einmal in liebenswürdiger Laune, "wird darin bestehen,
daß ich Sie, wenn Sie Ihre Tochter aus den russischen Thron geleiten, auf
der Durchreise bei mir sehen darf." Und wie weiß er die Freundin zu beruhigen
und zu trösten, wenn andere Bewerberinnen ihrer Wilhelmine den großen Preis
zu entreißen drohen. Als einmal ihre eigene Nichte Charlotte, die Tochter des
Prinzen Georg, genannt wird, gerät die Landgräfin in große Bestürzung: diese
Prinzessin hat sich durch einen viermonatlicher Aufenthalt in Paris eine Un¬
gezwungenheit und Leichtigkeit des Tones angeeignet, die ihren in dem stillen
Darmstadt erzogenen Töchtern abgeht, und "es ist ja das Äußere, das drei
Viertel der Männer verführt". Friedrich dagegen meint, daß man in Peters¬
burg bei der Brautwahl aus diese "französischen Manieren" gewiß keinen Wert
lege, sondern hauptsächlich schlichtes und unschuldiges Wesen verlange. Noch
gefährlicher erscheint dann die Anwartschaft der Prinzessin Dorothea von Württem¬
berg. Sie ist Friedrichs Großnichte, die Enkelin seiner schon verstorbenen
Schwester Sophie von Brandenburg-Schwedt. Trotzdem läßt er Solms, der
ja gute Beziehungen zu dem einflußreichen Parm hat, keinen Augenblick darüber
in Zweifel, daß er die Darmstädterin, die Schwägerin des preußischen Thron¬
folgers, lieber in Petersburg sehen möchte. Die Landgräfin aber ängstigt sich:
die kleine Dorothea soll hübsch sein und ihre Tochter ist es nicht. "Keine Sorge",
erwidert Friedrich, "die andere ist zu dick und scheint sich nicht zur Fort¬
pflanzung zu eignen." Von der Tochter Karolinens, der die beiden älteren
Schwestern mit so gutem Beispiel vorangegangen waren, hatte er in diesem
Punkte eine bessere Meinung, "wenn man hierbei auch immer nur mit
Wahrscheinlichkeiten rechnen könne". Der König hat sich aber getäuscht,
die arme Wilhelmine konnte kein lebensfähiges Kind zur Welt bringen,
während die "zu dicke" Württembergerin nicht weniger als vier Söhne und
sechs Töchter bekam.

Als die Entscheidung sich immer wieder in die Länge zog, empfand Karoline
"die ganze Ungeduld ihres Geschlechtes." Der König vertröstete sie auf den
Abschluß des russisch-türkischen Friedens, der noch in diesem Jahre zu erwarten


Friedrich der Große und die Landgräfin llaroline von Hessen

nahm, wie so oft, auch diesen Einfall ihres wunderlichen Gemahls nicht ernst,
ließ ihn aber zunächst, um ihm nicht die Laune zu verderben, bei seinem Glauben.
Die Fäden aller dieser Verhandlungen gingen allein durch ihre Hände. Der
Landgraf hatte mit seinen geliebten Rekruten auf dem Exerzierplatz von Pirmasens
viel zu viel zu tun, um sich mit Darmstädter Familienangelegenheiten ein¬
gehender zu beschäftigen. Friedrich der Große wußte das. Der Name des
Landgrafen, der ihm überdies persönlich wenig angenehm war, kommt in seiner
Korrespondenz kaum einmal vor. Der König unterhandelte mit klugen und
geistvollen Frauen besonders gern. Man liest fast aus jeder Zeile heraus,
welch ein Vergnügen es ihm war, zusammen mit der gleichgesinnten Freundin,
in ihrem Dienste, „als ihr Agent", die große, freilich auch für die preußische
Politik so vorteilhafte Sache in Gang zu bringen. „Der Lohn für meine
Kuppelei", so schreibt er einmal in liebenswürdiger Laune, „wird darin bestehen,
daß ich Sie, wenn Sie Ihre Tochter aus den russischen Thron geleiten, auf
der Durchreise bei mir sehen darf." Und wie weiß er die Freundin zu beruhigen
und zu trösten, wenn andere Bewerberinnen ihrer Wilhelmine den großen Preis
zu entreißen drohen. Als einmal ihre eigene Nichte Charlotte, die Tochter des
Prinzen Georg, genannt wird, gerät die Landgräfin in große Bestürzung: diese
Prinzessin hat sich durch einen viermonatlicher Aufenthalt in Paris eine Un¬
gezwungenheit und Leichtigkeit des Tones angeeignet, die ihren in dem stillen
Darmstadt erzogenen Töchtern abgeht, und „es ist ja das Äußere, das drei
Viertel der Männer verführt". Friedrich dagegen meint, daß man in Peters¬
burg bei der Brautwahl aus diese „französischen Manieren" gewiß keinen Wert
lege, sondern hauptsächlich schlichtes und unschuldiges Wesen verlange. Noch
gefährlicher erscheint dann die Anwartschaft der Prinzessin Dorothea von Württem¬
berg. Sie ist Friedrichs Großnichte, die Enkelin seiner schon verstorbenen
Schwester Sophie von Brandenburg-Schwedt. Trotzdem läßt er Solms, der
ja gute Beziehungen zu dem einflußreichen Parm hat, keinen Augenblick darüber
in Zweifel, daß er die Darmstädterin, die Schwägerin des preußischen Thron¬
folgers, lieber in Petersburg sehen möchte. Die Landgräfin aber ängstigt sich:
die kleine Dorothea soll hübsch sein und ihre Tochter ist es nicht. „Keine Sorge",
erwidert Friedrich, „die andere ist zu dick und scheint sich nicht zur Fort¬
pflanzung zu eignen." Von der Tochter Karolinens, der die beiden älteren
Schwestern mit so gutem Beispiel vorangegangen waren, hatte er in diesem
Punkte eine bessere Meinung, „wenn man hierbei auch immer nur mit
Wahrscheinlichkeiten rechnen könne". Der König hat sich aber getäuscht,
die arme Wilhelmine konnte kein lebensfähiges Kind zur Welt bringen,
während die „zu dicke" Württembergerin nicht weniger als vier Söhne und
sechs Töchter bekam.

Als die Entscheidung sich immer wieder in die Länge zog, empfand Karoline
„die ganze Ungeduld ihres Geschlechtes." Der König vertröstete sie auf den
Abschluß des russisch-türkischen Friedens, der noch in diesem Jahre zu erwarten


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[0214] Friedrich der Große und die Landgräfin llaroline von Hessen nahm, wie so oft, auch diesen Einfall ihres wunderlichen Gemahls nicht ernst, ließ ihn aber zunächst, um ihm nicht die Laune zu verderben, bei seinem Glauben. Die Fäden aller dieser Verhandlungen gingen allein durch ihre Hände. Der Landgraf hatte mit seinen geliebten Rekruten auf dem Exerzierplatz von Pirmasens viel zu viel zu tun, um sich mit Darmstädter Familienangelegenheiten ein¬ gehender zu beschäftigen. Friedrich der Große wußte das. Der Name des Landgrafen, der ihm überdies persönlich wenig angenehm war, kommt in seiner Korrespondenz kaum einmal vor. Der König unterhandelte mit klugen und geistvollen Frauen besonders gern. Man liest fast aus jeder Zeile heraus, welch ein Vergnügen es ihm war, zusammen mit der gleichgesinnten Freundin, in ihrem Dienste, „als ihr Agent", die große, freilich auch für die preußische Politik so vorteilhafte Sache in Gang zu bringen. „Der Lohn für meine Kuppelei", so schreibt er einmal in liebenswürdiger Laune, „wird darin bestehen, daß ich Sie, wenn Sie Ihre Tochter aus den russischen Thron geleiten, auf der Durchreise bei mir sehen darf." Und wie weiß er die Freundin zu beruhigen und zu trösten, wenn andere Bewerberinnen ihrer Wilhelmine den großen Preis zu entreißen drohen. Als einmal ihre eigene Nichte Charlotte, die Tochter des Prinzen Georg, genannt wird, gerät die Landgräfin in große Bestürzung: diese Prinzessin hat sich durch einen viermonatlicher Aufenthalt in Paris eine Un¬ gezwungenheit und Leichtigkeit des Tones angeeignet, die ihren in dem stillen Darmstadt erzogenen Töchtern abgeht, und „es ist ja das Äußere, das drei Viertel der Männer verführt". Friedrich dagegen meint, daß man in Peters¬ burg bei der Brautwahl aus diese „französischen Manieren" gewiß keinen Wert lege, sondern hauptsächlich schlichtes und unschuldiges Wesen verlange. Noch gefährlicher erscheint dann die Anwartschaft der Prinzessin Dorothea von Württem¬ berg. Sie ist Friedrichs Großnichte, die Enkelin seiner schon verstorbenen Schwester Sophie von Brandenburg-Schwedt. Trotzdem läßt er Solms, der ja gute Beziehungen zu dem einflußreichen Parm hat, keinen Augenblick darüber in Zweifel, daß er die Darmstädterin, die Schwägerin des preußischen Thron¬ folgers, lieber in Petersburg sehen möchte. Die Landgräfin aber ängstigt sich: die kleine Dorothea soll hübsch sein und ihre Tochter ist es nicht. „Keine Sorge", erwidert Friedrich, „die andere ist zu dick und scheint sich nicht zur Fort¬ pflanzung zu eignen." Von der Tochter Karolinens, der die beiden älteren Schwestern mit so gutem Beispiel vorangegangen waren, hatte er in diesem Punkte eine bessere Meinung, „wenn man hierbei auch immer nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen könne". Der König hat sich aber getäuscht, die arme Wilhelmine konnte kein lebensfähiges Kind zur Welt bringen, während die „zu dicke" Württembergerin nicht weniger als vier Söhne und sechs Töchter bekam. Als die Entscheidung sich immer wieder in die Länge zog, empfand Karoline „die ganze Ungeduld ihres Geschlechtes." Der König vertröstete sie auf den Abschluß des russisch-türkischen Friedens, der noch in diesem Jahre zu erwarten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/214>, abgerufen am 08.01.2025.