Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Nationale Gewerkschafte" notwendige Selbständigkeit und Unabhängigkeit, dieses mächtige Agens im Weiter schreibt Herr Roeder: "Diese nationalen Gewerkschaften sollen -- Nationale Gewerkschafte» notwendige Selbständigkeit und Unabhängigkeit, dieses mächtige Agens im Weiter schreibt Herr Roeder: „Diese nationalen Gewerkschaften sollen — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319155"/> <fw type="header" place="top"> Nationale Gewerkschafte»</fw><lb/> <p xml:id="ID_1319" prev="#ID_1318"> notwendige Selbständigkeit und Unabhängigkeit, dieses mächtige Agens im<lb/> gewerkschaftlichen Leben?" Von Zuschüssen seitens der Behörden ist in meinem<lb/> Artikel nichts zu lesen. Das würde ich auch für durchaus verkehrt halten. Ich<lb/> habe aber ausdrücklich betont, daß die Zuschüsse nur im allerersten Anfange<lb/> nötig sind, damit die nationalen Gewerkschaften gleich mit den freien in Kon¬<lb/> kurrenz treten können. „Je eher sie aufhören können, um so besser, denn dann<lb/> sieht der Arbeiter bald, daß es sein eigenes, von keinem Arbeitgeber mehr der<lb/> Unterstützung bedürfendes Unternehmen ist, und das gibt ihm ein größeres<lb/> Vertrauen zu der Sache", so schrieb ich. Ebenso betonte ich, daß die Arbeiter<lb/> ganz allein die Gewerkschaften leiten müßten. „Die gelben Verbände sind ein<lb/> warnendes Beispiel." Es sollte mich freuen, wenn es gelänge, die nationalen<lb/> Gewerkschaften gleich von Anfang konkurrenzfähig zu gestalten, auch ohne Zuschüsse<lb/> der Besitzenden. Das wäre natürlich noch viel vorteilhafter. Ich glaube nur<lb/> nicht recht, daß das möglich wäre. Denn es wäre, soll das ganze Unternehmen<lb/> gelingen, notwendig, daß die neuen nationalen Gewerkschaften gleich mit ganz<lb/> besonders großen Mitteln auf der Bildfläche erschienen. Herr Roeder meint<lb/> weiter, ich träte für einen antisozialdemokratischen Block in der Gewerkschafts¬<lb/> bewegung ein. Ich will keinen Block. Der hält doch nicht lange. Nein, ich<lb/> will eine völlige Verschmelzung der verschiedenen Gewerkschaften, ein völliges<lb/> Aufgehen ineinander zu einer ganz einheitlichen Gewerkschaft, für die ich als<lb/> Namen „Nationale Gewerkschaft" vorschlage. Es sollen nicht „nun gar noch<lb/> neue nationale Gewerkschaften" ins Leben gerufen werden neben den alten.<lb/> Das würde nur noch eine weitere fruchtlose Kräftezersplitterung bedeuten. Nein,<lb/> alle bestehenden sollen in die eine zusammengeschmolzen werden. Da wird man<lb/> mir entgegnen, das geht nicht. Die christlichen, auf dem Boden des Zentrums<lb/> stehenden werden sich z.B. nie mit den Hirsch - Dunckerschen, fortschrittlich<lb/> gefärbten Gewerkschaften verschmelzen lassen. Dazu sind die Gegensätze zu groß.<lb/> Ich verkenne die Schwierigkeiten durchaus nicht, und doch bin ich der Meinung,<lb/> daß es der einzige Weg ist, der zum Ziele fuhrt. Mögen die Gewerkschaften,<lb/> die christlichen u. a. auch zunehmen, wie sie das sehr erfreulicherweise getan<lb/> haben, sie alle werden doch, wie ich glaube, stets von den freien überflügelt<lb/> werden. Warum? Weil die freien ein einziges Gebilde sind. Die vollkommene<lb/> Geschlossenheit ist es, die ihnen die enorme Macht verleiht. Ich sage es noch<lb/> einmal: Wir müssen hindurch zu einheitlichen nationalen Gewerkschaften. Keine<lb/> neuen neben den alten, sondern eine neue anstatt der vielen alten I</p><lb/> <p xml:id="ID_1320" next="#ID_1321"> Weiter schreibt Herr Roeder: „Diese nationalen Gewerkschaften sollen —<lb/> und darin scheint der Grundfehler der Deduktion des Grafen Stolberg zu liegen —<lb/> Mittel zum Zweck sein: ein Selbstzweck soll ihnen nicht eignen; ihr Ziel ist eine<lb/> nationale Arbeiterpartei. Damit betreten wir das politische Gebiet." — „Ein<lb/> Selbstzweck soll ihnen nicht eignen", das kann ich so schroff aus meinen Aus¬<lb/> führungen nicht herauslesen. Ich meine aber folgendes: Sehe man sich alle<lb/> wirtschaftlichen Gebilde an, die freien Gewerkschaften, den Hansabund, den Bund</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Nationale Gewerkschafte»
notwendige Selbständigkeit und Unabhängigkeit, dieses mächtige Agens im
gewerkschaftlichen Leben?" Von Zuschüssen seitens der Behörden ist in meinem
Artikel nichts zu lesen. Das würde ich auch für durchaus verkehrt halten. Ich
habe aber ausdrücklich betont, daß die Zuschüsse nur im allerersten Anfange
nötig sind, damit die nationalen Gewerkschaften gleich mit den freien in Kon¬
kurrenz treten können. „Je eher sie aufhören können, um so besser, denn dann
sieht der Arbeiter bald, daß es sein eigenes, von keinem Arbeitgeber mehr der
Unterstützung bedürfendes Unternehmen ist, und das gibt ihm ein größeres
Vertrauen zu der Sache", so schrieb ich. Ebenso betonte ich, daß die Arbeiter
ganz allein die Gewerkschaften leiten müßten. „Die gelben Verbände sind ein
warnendes Beispiel." Es sollte mich freuen, wenn es gelänge, die nationalen
Gewerkschaften gleich von Anfang konkurrenzfähig zu gestalten, auch ohne Zuschüsse
der Besitzenden. Das wäre natürlich noch viel vorteilhafter. Ich glaube nur
nicht recht, daß das möglich wäre. Denn es wäre, soll das ganze Unternehmen
gelingen, notwendig, daß die neuen nationalen Gewerkschaften gleich mit ganz
besonders großen Mitteln auf der Bildfläche erschienen. Herr Roeder meint
weiter, ich träte für einen antisozialdemokratischen Block in der Gewerkschafts¬
bewegung ein. Ich will keinen Block. Der hält doch nicht lange. Nein, ich
will eine völlige Verschmelzung der verschiedenen Gewerkschaften, ein völliges
Aufgehen ineinander zu einer ganz einheitlichen Gewerkschaft, für die ich als
Namen „Nationale Gewerkschaft" vorschlage. Es sollen nicht „nun gar noch
neue nationale Gewerkschaften" ins Leben gerufen werden neben den alten.
Das würde nur noch eine weitere fruchtlose Kräftezersplitterung bedeuten. Nein,
alle bestehenden sollen in die eine zusammengeschmolzen werden. Da wird man
mir entgegnen, das geht nicht. Die christlichen, auf dem Boden des Zentrums
stehenden werden sich z.B. nie mit den Hirsch - Dunckerschen, fortschrittlich
gefärbten Gewerkschaften verschmelzen lassen. Dazu sind die Gegensätze zu groß.
Ich verkenne die Schwierigkeiten durchaus nicht, und doch bin ich der Meinung,
daß es der einzige Weg ist, der zum Ziele fuhrt. Mögen die Gewerkschaften,
die christlichen u. a. auch zunehmen, wie sie das sehr erfreulicherweise getan
haben, sie alle werden doch, wie ich glaube, stets von den freien überflügelt
werden. Warum? Weil die freien ein einziges Gebilde sind. Die vollkommene
Geschlossenheit ist es, die ihnen die enorme Macht verleiht. Ich sage es noch
einmal: Wir müssen hindurch zu einheitlichen nationalen Gewerkschaften. Keine
neuen neben den alten, sondern eine neue anstatt der vielen alten I
Weiter schreibt Herr Roeder: „Diese nationalen Gewerkschaften sollen —
und darin scheint der Grundfehler der Deduktion des Grafen Stolberg zu liegen —
Mittel zum Zweck sein: ein Selbstzweck soll ihnen nicht eignen; ihr Ziel ist eine
nationale Arbeiterpartei. Damit betreten wir das politische Gebiet." — „Ein
Selbstzweck soll ihnen nicht eignen", das kann ich so schroff aus meinen Aus¬
führungen nicht herauslesen. Ich meine aber folgendes: Sehe man sich alle
wirtschaftlichen Gebilde an, die freien Gewerkschaften, den Hansabund, den Bund
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