Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichzspiegel Bank und Geld Überfülle am Geldmarkt -- Bewegung der Devisenkurse -- Der Zentralverband des Bankiergewerbes und die Kreditrestriktionen der Reichsbank -- Besserung am Eisen¬ markt -- Konferenz der Eisenindustriellen in Brüssel -- Situation an der Börse -- Ein kommendes Reichs-Petroleummonvpol Der Beginn des Julünonats hat der Börse eine ganz außerordenliche Geld¬ Reichzspiegel Bank und Geld Überfülle am Geldmarkt — Bewegung der Devisenkurse — Der Zentralverband des Bankiergewerbes und die Kreditrestriktionen der Reichsbank — Besserung am Eisen¬ markt — Konferenz der Eisenindustriellen in Brüssel — Situation an der Börse — Ein kommendes Reichs-Petroleummonvpol Der Beginn des Julünonats hat der Börse eine ganz außerordenliche Geld¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319103"/> <fw type="header" place="top"> Reichzspiegel</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bank und Geld</head><lb/> <note type="argument"> Überfülle am Geldmarkt — Bewegung der Devisenkurse — Der Zentralverband des<lb/> Bankiergewerbes und die Kreditrestriktionen der Reichsbank — Besserung am Eisen¬<lb/> markt — Konferenz der Eisenindustriellen in Brüssel — Situation an der Börse —<lb/> Ein kommendes Reichs-Petroleummonvpol</note><lb/> <p xml:id="ID_1136" next="#ID_1137"> Der Beginn des Julünonats hat der Börse eine ganz außerordenliche Geld¬<lb/> fülle beschert, die seltsam kontrastiert mit den Zinssätzen von 15 Prozent, die für<lb/> kurzfristige Darlehen über Ultimo zu zahlen waren. Es handelt sich hierbei um<lb/> eine Nachwirkung der Restriktionsmaßregeln der Reichsbank, die noch immer<lb/> der Bank- und Börsenwelt Anlaß zu lebhaften Erörterungen geben. Die Ver¬<lb/> teuerung der Lombardkredite hat bewirkt, daß die Geldentnahmen bei der Reichs¬<lb/> bank sich fast ausschließlich in Form der Wechseldiskontierung vollzogen haben.<lb/> Infolgedessen waren Rückzahlungen auf Lombardkonto nicht zu leisten, und die<lb/> durch Diskontierung beschafften und nach dem Monaiswechsel wieder zurück¬<lb/> strömenden Gelder überschwemmten nunmehr den offenen Markt. Dadurch erlitt<lb/> nicht nur der Privatdiskont einen rapiden Rückgang, sondern auch der Satz für<lb/> tägliches Geld sank bis auf 1 Prozent, einen seit langem unerhörten Satz. Die<lb/> Reichsbank verlor bei einer Spannung von IV2 Prozent zwischen Banksatz<lb/> und Privatdiskont die Kontrolle über den Markt und sah sich außerstande,<lb/> dieselbe wiederzugewinnen, weil sie nicht im Besitz diskontierfähiger Schatzscheine<lb/> war. Erst in den letzten Tagen hat der Privatdiskont etwas angezogen, weil<lb/> das Ausland, angelockt durch die niedrigen Zinssätze der Berliner Börse, in<lb/> größerem Umfang Wechseldiskontierungen hier vorgenommen hat. Eine weitere<lb/> Rückwirkung der Zinspolitik der Reichsbank spiegelt sich in der Bewegung der<lb/> Devisenkurse wider. Im Laufe des Monats Juni waren dieselben auf einen<lb/> sehr niedrigen Stand gesunken, weil, wie schon früher betont worden ist, namhafte<lb/> Kapitalien, besonders französischer Herkunft, hierher gelegt wurden, wobei es dahin¬<lb/> gestellt bleiben kann, inwieweit für diesen Kapitalzuzug die Verteuerung der<lb/> Lombardkredite mitbestimmend war. Im neuen Monat haben aber die Devisen¬<lb/> kurse eine scharf ansteigende Richtung eingeschlagen, ein Zeichen dafür, daß nun¬<lb/> mehr die umgekehrte Kapitalbewegung stattfindet. Hierbei mögen die vorerwähnten<lb/> Diskontierungen des Auslandes nicht ohne Einfluß sein; zum Teil wird es sich<lb/> aber auch um Zurückziehung ausländischer Guthaben oder um Bildung deutscher<lb/> im Auslande handeln, mit denen der drohenden Abwanderung des fremden Geldes<lb/> schon jetzt begegnet werden soll. Alle diese Begleiterscheinungen der von der<lb/> Reichsbank eingeführten Neuerung sind wenig erfreulicher Natur, weil sie in den<lb/> Markt ein Element der Unsicherheit hineintragen und die Gelddisposition erschweren.<lb/> Es erscheint daher begreiflich, wenn Vorstand und Ausschuß des Zentralverbandes<lb/> des deutschen Bank- und Bankiergewerbes sich eingehend mit der Maßregel<lb/> der Reichsbank befaßt haben. Ohne an der letzteren Kritik zu üben, beschränkt<lb/> sich der Zentralverband darauf, behufs Abwendung der übermäßigen In¬<lb/> anspruchnahme der Reichsbank an den Quartalsterminen die Ausbildung und<lb/> Vervollkommnung der bargeldlosen Zahlungsmethoden zu empfehlen, auf<lb/> deren Wichtigkeit auch an dieser Stelle schon hingewiesen worden ist. Wenn zugleich<lb/> festgestellt wird, daß den hierauf gerichteten Bemühungen der Bankwelt durch die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
Reichzspiegel
Bank und Geld
Überfülle am Geldmarkt — Bewegung der Devisenkurse — Der Zentralverband des
Bankiergewerbes und die Kreditrestriktionen der Reichsbank — Besserung am Eisen¬
markt — Konferenz der Eisenindustriellen in Brüssel — Situation an der Börse —
Ein kommendes Reichs-Petroleummonvpol
Der Beginn des Julünonats hat der Börse eine ganz außerordenliche Geld¬
fülle beschert, die seltsam kontrastiert mit den Zinssätzen von 15 Prozent, die für
kurzfristige Darlehen über Ultimo zu zahlen waren. Es handelt sich hierbei um
eine Nachwirkung der Restriktionsmaßregeln der Reichsbank, die noch immer
der Bank- und Börsenwelt Anlaß zu lebhaften Erörterungen geben. Die Ver¬
teuerung der Lombardkredite hat bewirkt, daß die Geldentnahmen bei der Reichs¬
bank sich fast ausschließlich in Form der Wechseldiskontierung vollzogen haben.
Infolgedessen waren Rückzahlungen auf Lombardkonto nicht zu leisten, und die
durch Diskontierung beschafften und nach dem Monaiswechsel wieder zurück¬
strömenden Gelder überschwemmten nunmehr den offenen Markt. Dadurch erlitt
nicht nur der Privatdiskont einen rapiden Rückgang, sondern auch der Satz für
tägliches Geld sank bis auf 1 Prozent, einen seit langem unerhörten Satz. Die
Reichsbank verlor bei einer Spannung von IV2 Prozent zwischen Banksatz
und Privatdiskont die Kontrolle über den Markt und sah sich außerstande,
dieselbe wiederzugewinnen, weil sie nicht im Besitz diskontierfähiger Schatzscheine
war. Erst in den letzten Tagen hat der Privatdiskont etwas angezogen, weil
das Ausland, angelockt durch die niedrigen Zinssätze der Berliner Börse, in
größerem Umfang Wechseldiskontierungen hier vorgenommen hat. Eine weitere
Rückwirkung der Zinspolitik der Reichsbank spiegelt sich in der Bewegung der
Devisenkurse wider. Im Laufe des Monats Juni waren dieselben auf einen
sehr niedrigen Stand gesunken, weil, wie schon früher betont worden ist, namhafte
Kapitalien, besonders französischer Herkunft, hierher gelegt wurden, wobei es dahin¬
gestellt bleiben kann, inwieweit für diesen Kapitalzuzug die Verteuerung der
Lombardkredite mitbestimmend war. Im neuen Monat haben aber die Devisen¬
kurse eine scharf ansteigende Richtung eingeschlagen, ein Zeichen dafür, daß nun¬
mehr die umgekehrte Kapitalbewegung stattfindet. Hierbei mögen die vorerwähnten
Diskontierungen des Auslandes nicht ohne Einfluß sein; zum Teil wird es sich
aber auch um Zurückziehung ausländischer Guthaben oder um Bildung deutscher
im Auslande handeln, mit denen der drohenden Abwanderung des fremden Geldes
schon jetzt begegnet werden soll. Alle diese Begleiterscheinungen der von der
Reichsbank eingeführten Neuerung sind wenig erfreulicher Natur, weil sie in den
Markt ein Element der Unsicherheit hineintragen und die Gelddisposition erschweren.
Es erscheint daher begreiflich, wenn Vorstand und Ausschuß des Zentralverbandes
des deutschen Bank- und Bankiergewerbes sich eingehend mit der Maßregel
der Reichsbank befaßt haben. Ohne an der letzteren Kritik zu üben, beschränkt
sich der Zentralverband darauf, behufs Abwendung der übermäßigen In¬
anspruchnahme der Reichsbank an den Quartalsterminen die Ausbildung und
Vervollkommnung der bargeldlosen Zahlungsmethoden zu empfehlen, auf
deren Wichtigkeit auch an dieser Stelle schon hingewiesen worden ist. Wenn zugleich
festgestellt wird, daß den hierauf gerichteten Bemühungen der Bankwelt durch die
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