Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Bausteine der chinesischen Kultur Ich bin mit einer gewissen Ausführlichkeit aus diesen Punkt eingegangen, Zu den Fragen, die Konsuzius mit unverkennbarer Vorliebe behandelt, Es würde zu weit führen, wenn ich hier auf Einzelheiten der auf politische Bausteine der chinesischen Kultur Ich bin mit einer gewissen Ausführlichkeit aus diesen Punkt eingegangen, Zu den Fragen, die Konsuzius mit unverkennbarer Vorliebe behandelt, Es würde zu weit führen, wenn ich hier auf Einzelheiten der auf politische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319076"/> <fw type="header" place="top"> Bausteine der chinesischen Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1044"> Ich bin mit einer gewissen Ausführlichkeit aus diesen Punkt eingegangen,<lb/> weil der Begriff des ki nicht nur zu den Grundbegriffen der konfuzianischen<lb/> Sittenlehre gehört, sondern auch eine geradezu dominierende und dadurch ver¬<lb/> hängnisvolle Rolle im inneren und äußeren Leben der Chinesen gespielt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1045"> Zu den Fragen, die Konsuzius mit unverkennbarer Vorliebe behandelt,<lb/> gehört das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen, und gerade unter den<lb/> hierher gehörenden Aussprüchen findet sich so manches goldene Wort, das wohl<lb/> auch außerhalb der Grenzen Chinas beherzigt zu werden verdiente. Wie er<lb/> einerseits nicht müde wird, den Regierenden die schwere Verantwortung ihres<lb/> hohen Berufes vor Augen zu führen und immer aufs neue die Pflicht zu<lb/> betonen, mehr durch das eigene gute Beispiel als durch Strafen zu wirken, so<lb/> verlangt er anderseits auch von den Regierten nicht etwa knechtischen Gehorsam,<lb/> sondern Treue mit Freimut gepaart: so wenn er einem seiner Schüler auf dessen<lb/> Frage, wie man dem Fürsten dienen solle, die schöne Antwort gibt: „Hinter¬<lb/> gehe ihn nie, aber widersprich ihm." Und diese Mahnung ist, wie ich gleich<lb/> hinzufügen will, auch in der Tat auf fruchtbaren Boden gefallen. Der öfter<lb/> gepriesene als in Wirklichkeit betätigte „Mannesmut vor Königsthronen" ist im<lb/> autokratisch regierten China durchaus keine so seltene Erscheinung, wie man<lb/> erwarten könnte. Ich möchte hier nur auf die in hohem Ansehen stehenden<lb/> öffentlichen Zensoren hinweisen, die von Amts wegen verpflichtet sind, nicht nur<lb/> Mißgriffe von Beamten zur Kenntnis des Thrones zu bringen, sondern auch,<lb/> sofern es ihnen im öffentlichen Interesse geboten erscheint, die Regierungs¬<lb/> handlungen des Monarchen selbst durch Jmmediateingaben zum Gegenstande'<lb/> ihrer Kritik zu machen; und es ist oft genug vorgekommen, daß Zensoren ihren<lb/> Freimut mit dem Leben bezahlen mühten. Den Chinesen wird oft Mangel an<lb/> Mut vorgeworfen; aber abgesehen davon, daß der Vorwurf in dieser allgemeinen<lb/> Fassung durchaus unberechtigt ist, sollte man doch nicht vergessen, daß die<lb/> Geschichte Chinas reich ist an Beispielen von sittlichem Heroismus, der Bewunderung<lb/> verdient.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Es würde zu weit führen, wenn ich hier auf Einzelheiten der auf politische<lb/> Fragen bezüglichen Lehren des Konfuzius ausführlicher eingehen wollte; nur<lb/> ein kurzes Gespräch möchte ich erwähnen, worin er den Gedanken ausführt,<lb/> daß nur auf dem Grunde gegenseitigen Vertrauens ein gedeihliches Zusammen¬<lb/> wirken von Obrigkeit und Untertanen möglich sei, und zugleich mit einer auf<lb/> die Spitze getriebenen Schärfe betont, daß auch auf politischem Gebiete, sobald<lb/> sich's um ideale Güter handelt, alle sonstigen Erwägungen zurückzutreten haben.<lb/> AIs sein Schüler Tsze-in ihn einmal fragt, durch welche Mittel ein Staats-<lb/> wesen zu lenken sei, antwortet Konfuzius: „Durch hinreichende Ernährung, hin¬<lb/> reichende Wehrkraft und das Vertrauen des Volkes." — Tszö-in macht nun<lb/> den Einwand: „Wenn man aber nicht umhin kann, auf eines davon zu ver¬<lb/> zichten, welches von den dreien soll man zuerst preisgeben?" — „Die Wehr¬<lb/> kraft", lautet die Antwort. — Tszö-in fährt fort: „Und wenn man auch auf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
Bausteine der chinesischen Kultur
Ich bin mit einer gewissen Ausführlichkeit aus diesen Punkt eingegangen,
weil der Begriff des ki nicht nur zu den Grundbegriffen der konfuzianischen
Sittenlehre gehört, sondern auch eine geradezu dominierende und dadurch ver¬
hängnisvolle Rolle im inneren und äußeren Leben der Chinesen gespielt hat.
Zu den Fragen, die Konsuzius mit unverkennbarer Vorliebe behandelt,
gehört das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen, und gerade unter den
hierher gehörenden Aussprüchen findet sich so manches goldene Wort, das wohl
auch außerhalb der Grenzen Chinas beherzigt zu werden verdiente. Wie er
einerseits nicht müde wird, den Regierenden die schwere Verantwortung ihres
hohen Berufes vor Augen zu führen und immer aufs neue die Pflicht zu
betonen, mehr durch das eigene gute Beispiel als durch Strafen zu wirken, so
verlangt er anderseits auch von den Regierten nicht etwa knechtischen Gehorsam,
sondern Treue mit Freimut gepaart: so wenn er einem seiner Schüler auf dessen
Frage, wie man dem Fürsten dienen solle, die schöne Antwort gibt: „Hinter¬
gehe ihn nie, aber widersprich ihm." Und diese Mahnung ist, wie ich gleich
hinzufügen will, auch in der Tat auf fruchtbaren Boden gefallen. Der öfter
gepriesene als in Wirklichkeit betätigte „Mannesmut vor Königsthronen" ist im
autokratisch regierten China durchaus keine so seltene Erscheinung, wie man
erwarten könnte. Ich möchte hier nur auf die in hohem Ansehen stehenden
öffentlichen Zensoren hinweisen, die von Amts wegen verpflichtet sind, nicht nur
Mißgriffe von Beamten zur Kenntnis des Thrones zu bringen, sondern auch,
sofern es ihnen im öffentlichen Interesse geboten erscheint, die Regierungs¬
handlungen des Monarchen selbst durch Jmmediateingaben zum Gegenstande'
ihrer Kritik zu machen; und es ist oft genug vorgekommen, daß Zensoren ihren
Freimut mit dem Leben bezahlen mühten. Den Chinesen wird oft Mangel an
Mut vorgeworfen; aber abgesehen davon, daß der Vorwurf in dieser allgemeinen
Fassung durchaus unberechtigt ist, sollte man doch nicht vergessen, daß die
Geschichte Chinas reich ist an Beispielen von sittlichem Heroismus, der Bewunderung
verdient.
Es würde zu weit führen, wenn ich hier auf Einzelheiten der auf politische
Fragen bezüglichen Lehren des Konfuzius ausführlicher eingehen wollte; nur
ein kurzes Gespräch möchte ich erwähnen, worin er den Gedanken ausführt,
daß nur auf dem Grunde gegenseitigen Vertrauens ein gedeihliches Zusammen¬
wirken von Obrigkeit und Untertanen möglich sei, und zugleich mit einer auf
die Spitze getriebenen Schärfe betont, daß auch auf politischem Gebiete, sobald
sich's um ideale Güter handelt, alle sonstigen Erwägungen zurückzutreten haben.
AIs sein Schüler Tsze-in ihn einmal fragt, durch welche Mittel ein Staats-
wesen zu lenken sei, antwortet Konfuzius: „Durch hinreichende Ernährung, hin¬
reichende Wehrkraft und das Vertrauen des Volkes." — Tszö-in macht nun
den Einwand: „Wenn man aber nicht umhin kann, auf eines davon zu ver¬
zichten, welches von den dreien soll man zuerst preisgeben?" — „Die Wehr¬
kraft", lautet die Antwort. — Tszö-in fährt fort: „Und wenn man auch auf
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |