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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

ist ungenügend. Er ist, abgesehen von der Bank von England, der kleinste aller
großen zentralen Notenbanken. Selbst der der österreichisch - ungarischen Bank
ist um reichlich ein Vierten höher als der unsrige. Aus Gründen mancherlei
Art, der im Durchschnitt ungünstigen Zahlungsbilanz Deutschlands, dein starken
Abströmen von Gold in den inneren Verkehr, dem hohen industriellen Verbrauch
an Gold, gelingt es der Reichsbank trotz aller Bemühungen nicht, ihren
Goldvorrat dauernd auf eine höhere Stufe zu bringen. Diese unerfreuliche,
aber nur sehr schwer zu ändernde Situation unseres zentralen Noteninstitutes
wird nun zu einer wahrhaft gefährlichen durch die mangelnde Unterstützung und
Rücksichtnahme der großen Banken. Sie schöpfen unbekümmert im Bedarfsfall
aus dem Reservoir der Reichsbank, ohne dafür zu sorgen, daß es sür solche
Entnahmen rechtzeitig und ausreichend gefüllt ist. Ihre Pflicht wäre es,
dahin zu wirken, daß den beinahe ziffermäßig zu berechnenden Quartals¬
ansprüchen mit ausreichenden Barmitteln begegnet werden könnte. Statt
dessen verfahren sie umgekehrt. Durch die forcierte Heranziehung von
Depositengeldern vermehren sie die Zahl der Ansprüche, welche von Quartal
zu Quartal Befriedigung heischen, während sie das Deckungsverhältnis ein immer
schlechteres werden lassen. Dies ist ein bankpolitischer Fehler, der, wenn ihm
nicht gesteuert wird, sich eines Tages schwer rächen muß. Nun bin ich zwar
nicht der Ansicht, daß die Banken selbst Barbestände in einer Höhe unterhalten
sollten, die als ausreichende Reserve angesehen werden kann und die man in
diesem Fall auf mindestens 10 Prozent der Kreditoren und Depositen bemessen
müßte. Ich halte die gegen das "Eiureservesystem" erhobenen Bedenken nicht
für stichhaltig. Es ist zwar richtig, daß, wenn die einzige Barreserve bei der
Reichsbank sich befindet, diese dein Abfluß in das Ausland stärker ausgesetzt ist
als die Barreserven in den Kassen der Banken. Anderseits aber hat der
Barbestand in den Händen der Reichsbank gleichsam die dreifache wirtschaftliche
Kraft, da die Bank dagegen die dreifache Notenmenge ausgeben kann. Es
genügt also, wenn die Banken bei der Neichsbcmk ein dauerndes Guthaben in
ausreichender Höhe unterhalten. Ein solches Guthaben ist nämlich immer eine
Barreserve oder wandelt sich doch automatisch in eine solche um. Denn es kann
letzten Endes immer nur auf dreierlei Weise geschaffen werden: durch Einlieferung
von Noten, von darein Geld oder Diskontierung von Wechseln. Für die Wechsel
erhält die Bank bei Fälligkeit den baren Gegenwert; für jede ausgegebene und
wieder zurückfließende Note hat die Bank Deckung zum Teil in bar, zum Teil
in Wechseln, von denen das gleiche gilt, daß sie sich in Bardeckung verwandeln.
Gelegentlich der Besprechung der Depositengelderfrage in der Bankenquete ist von
den? Präsidenten der preußischen Zentralgenossenschaftskasse Heiligenstadt bereits
der Vorschlag gemacht worden, die Banken gesetzlich zu verpflichten, 2 Prozent
des Betrages an Kreditoren und Depositen als eisernes Guthaben bei
der Neichsbcmk zu unterhalten. Dies geschah hauptsächlich aus dem Gesichts¬
punkt, für die Depositengläubiger einen Sicherungsfonds zu bilden und


Reichsspiegel

ist ungenügend. Er ist, abgesehen von der Bank von England, der kleinste aller
großen zentralen Notenbanken. Selbst der der österreichisch - ungarischen Bank
ist um reichlich ein Vierten höher als der unsrige. Aus Gründen mancherlei
Art, der im Durchschnitt ungünstigen Zahlungsbilanz Deutschlands, dein starken
Abströmen von Gold in den inneren Verkehr, dem hohen industriellen Verbrauch
an Gold, gelingt es der Reichsbank trotz aller Bemühungen nicht, ihren
Goldvorrat dauernd auf eine höhere Stufe zu bringen. Diese unerfreuliche,
aber nur sehr schwer zu ändernde Situation unseres zentralen Noteninstitutes
wird nun zu einer wahrhaft gefährlichen durch die mangelnde Unterstützung und
Rücksichtnahme der großen Banken. Sie schöpfen unbekümmert im Bedarfsfall
aus dem Reservoir der Reichsbank, ohne dafür zu sorgen, daß es sür solche
Entnahmen rechtzeitig und ausreichend gefüllt ist. Ihre Pflicht wäre es,
dahin zu wirken, daß den beinahe ziffermäßig zu berechnenden Quartals¬
ansprüchen mit ausreichenden Barmitteln begegnet werden könnte. Statt
dessen verfahren sie umgekehrt. Durch die forcierte Heranziehung von
Depositengeldern vermehren sie die Zahl der Ansprüche, welche von Quartal
zu Quartal Befriedigung heischen, während sie das Deckungsverhältnis ein immer
schlechteres werden lassen. Dies ist ein bankpolitischer Fehler, der, wenn ihm
nicht gesteuert wird, sich eines Tages schwer rächen muß. Nun bin ich zwar
nicht der Ansicht, daß die Banken selbst Barbestände in einer Höhe unterhalten
sollten, die als ausreichende Reserve angesehen werden kann und die man in
diesem Fall auf mindestens 10 Prozent der Kreditoren und Depositen bemessen
müßte. Ich halte die gegen das „Eiureservesystem" erhobenen Bedenken nicht
für stichhaltig. Es ist zwar richtig, daß, wenn die einzige Barreserve bei der
Reichsbank sich befindet, diese dein Abfluß in das Ausland stärker ausgesetzt ist
als die Barreserven in den Kassen der Banken. Anderseits aber hat der
Barbestand in den Händen der Reichsbank gleichsam die dreifache wirtschaftliche
Kraft, da die Bank dagegen die dreifache Notenmenge ausgeben kann. Es
genügt also, wenn die Banken bei der Neichsbcmk ein dauerndes Guthaben in
ausreichender Höhe unterhalten. Ein solches Guthaben ist nämlich immer eine
Barreserve oder wandelt sich doch automatisch in eine solche um. Denn es kann
letzten Endes immer nur auf dreierlei Weise geschaffen werden: durch Einlieferung
von Noten, von darein Geld oder Diskontierung von Wechseln. Für die Wechsel
erhält die Bank bei Fälligkeit den baren Gegenwert; für jede ausgegebene und
wieder zurückfließende Note hat die Bank Deckung zum Teil in bar, zum Teil
in Wechseln, von denen das gleiche gilt, daß sie sich in Bardeckung verwandeln.
Gelegentlich der Besprechung der Depositengelderfrage in der Bankenquete ist von
den? Präsidenten der preußischen Zentralgenossenschaftskasse Heiligenstadt bereits
der Vorschlag gemacht worden, die Banken gesetzlich zu verpflichten, 2 Prozent
des Betrages an Kreditoren und Depositen als eisernes Guthaben bei
der Neichsbcmk zu unterhalten. Dies geschah hauptsächlich aus dem Gesichts¬
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[0107] Reichsspiegel ist ungenügend. Er ist, abgesehen von der Bank von England, der kleinste aller großen zentralen Notenbanken. Selbst der der österreichisch - ungarischen Bank ist um reichlich ein Vierten höher als der unsrige. Aus Gründen mancherlei Art, der im Durchschnitt ungünstigen Zahlungsbilanz Deutschlands, dein starken Abströmen von Gold in den inneren Verkehr, dem hohen industriellen Verbrauch an Gold, gelingt es der Reichsbank trotz aller Bemühungen nicht, ihren Goldvorrat dauernd auf eine höhere Stufe zu bringen. Diese unerfreuliche, aber nur sehr schwer zu ändernde Situation unseres zentralen Noteninstitutes wird nun zu einer wahrhaft gefährlichen durch die mangelnde Unterstützung und Rücksichtnahme der großen Banken. Sie schöpfen unbekümmert im Bedarfsfall aus dem Reservoir der Reichsbank, ohne dafür zu sorgen, daß es sür solche Entnahmen rechtzeitig und ausreichend gefüllt ist. Ihre Pflicht wäre es, dahin zu wirken, daß den beinahe ziffermäßig zu berechnenden Quartals¬ ansprüchen mit ausreichenden Barmitteln begegnet werden könnte. Statt dessen verfahren sie umgekehrt. Durch die forcierte Heranziehung von Depositengeldern vermehren sie die Zahl der Ansprüche, welche von Quartal zu Quartal Befriedigung heischen, während sie das Deckungsverhältnis ein immer schlechteres werden lassen. Dies ist ein bankpolitischer Fehler, der, wenn ihm nicht gesteuert wird, sich eines Tages schwer rächen muß. Nun bin ich zwar nicht der Ansicht, daß die Banken selbst Barbestände in einer Höhe unterhalten sollten, die als ausreichende Reserve angesehen werden kann und die man in diesem Fall auf mindestens 10 Prozent der Kreditoren und Depositen bemessen müßte. Ich halte die gegen das „Eiureservesystem" erhobenen Bedenken nicht für stichhaltig. Es ist zwar richtig, daß, wenn die einzige Barreserve bei der Reichsbank sich befindet, diese dein Abfluß in das Ausland stärker ausgesetzt ist als die Barreserven in den Kassen der Banken. Anderseits aber hat der Barbestand in den Händen der Reichsbank gleichsam die dreifache wirtschaftliche Kraft, da die Bank dagegen die dreifache Notenmenge ausgeben kann. Es genügt also, wenn die Banken bei der Neichsbcmk ein dauerndes Guthaben in ausreichender Höhe unterhalten. Ein solches Guthaben ist nämlich immer eine Barreserve oder wandelt sich doch automatisch in eine solche um. Denn es kann letzten Endes immer nur auf dreierlei Weise geschaffen werden: durch Einlieferung von Noten, von darein Geld oder Diskontierung von Wechseln. Für die Wechsel erhält die Bank bei Fälligkeit den baren Gegenwert; für jede ausgegebene und wieder zurückfließende Note hat die Bank Deckung zum Teil in bar, zum Teil in Wechseln, von denen das gleiche gilt, daß sie sich in Bardeckung verwandeln. Gelegentlich der Besprechung der Depositengelderfrage in der Bankenquete ist von den? Präsidenten der preußischen Zentralgenossenschaftskasse Heiligenstadt bereits der Vorschlag gemacht worden, die Banken gesetzlich zu verpflichten, 2 Prozent des Betrages an Kreditoren und Depositen als eisernes Guthaben bei der Neichsbcmk zu unterhalten. Dies geschah hauptsächlich aus dem Gesichts¬ punkt, für die Depositengläubiger einen Sicherungsfonds zu bilden und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/107>, abgerufen am 04.01.2025.