Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichssxiegel

sich nicht unberechtigt. Nichts drückt vielleicht unserer arischen Kultur so sehr
den Stempel auf, als der Individualismus, die Achtung vor dein Individuum,
die ihn: auch über den Tod hinaus noch ein unter Umständen langes Fortleben
auf Erden in der Erinnerung von Freunden und Verwandten sichert. Darin
unterscheiden wir uns wesentlich von anderen nur als Masse, als Volksindivi¬
dualitäten in Betracht kommenden Rassen, die grundsätzlich das Individuum
zugunsten der Gesamtheit unterdrücken. Zweifellos findet die Pflege des
Individuums auch über den Tod hinaus, Fannlienzusammenhcmg, Pietät und
freundlich ernstes Gedenken teurer Verstorbenen in der Erdbestattung eine ganz
andere Stütze als in der Feuerbestattung, weil hier viel mehr als bei der
Feuerbestattung der Gedanke mitwirkt, daß dort unten im Schoß der Erde tat¬
sächlich das ruht, was irdisch war an einem uns teuren Menschen. Eine
natürliche Folge dieses Empfindens ist auch die oft viele Jahrzehnte dauernde
treue Pflege der Gräber, die diejenigen, die sie ausüben, in ihrem Empfinden
adelt und vertieft. Gewiß schließt anch die Beisetzung der Aschenreste eines
Verstorbenen nicht das treue Gedenken an seine Persönlichkeit aus, aber es fehlt
doch die äußere Pflege der Grabstätte, die auch wieder vertiefend einwirkt auf
die geistige Beschäftigung mit dem Dahingegangenen. Selbst der alte "Heide"
Goethe hat in den "Wahlverwandtschaften" geschrieben: "Neben denen einst
zu ruhen, die man liebt, ist die angenehmste Vorstellung, welche der Mensch
haben kann, wenn er einmal über das Leben hinaus denkt. Zu den Seinigen
versammelt zu werden, ist ein so herzlicher Eindruck." Die deutsche Landschaft
und das deutsche Gemütsleben würden beide viel verlieren, wollte man den
Friedhof, diese Stätte des Friedens nach des Lebens Mühen und Kampf --
mag auch die ethvmologische Herleitung des Wortes Friedhof eine andere sein --,
aus ihnen streichen.

Auch wir hoffen daher mit dem Oberlandesgerichtspräsidentcn v. Plehwe-
Königsberg und Prof. Adolf Wagner, daß der Brauch der Feuerbestattung nicht
allgemein werden wird, weil dadurch zweifellos bedeutsame Gefühlswerte in
unserem Volksempfinden zerstört werden würden. Das soll aber nicht aus¬
schließen, daß man anderseits auch wieder dem Empfinden Andersdenkender
gegenüber Gerechtigkeit und Toleranz walten läßt und vor allem berücksichtigt,
daß unter manchen Verhältnissen die Erdbestattung eine pietätvolle äußere Pflege
des Gedächtnisses des Verstorbenen geradezu ausschließt. Das gilt besonders
in den Großstädten, daneben aber anch in einer Reihe kleinerer Städte, aus
deren Friedhöfen infolge äußerer Verhältnisse ein so rascher Turnus eingeführt
ist, daß dadurch eine äußere Pflege des Gedächtnisses an die Verstorbenen
völlig ausgeschlossen wird, oder, was man im gegnerischen Lager doch gerade
von der Feuerbestattung befürchtete, ein Privilegium der Wohlhabenden wird.
So betragen die Kosten für die dauernde Einlösung eines Grabes, wie Prof.
Adolf Wagner ausführte, nahezu 2000 Mark. In München, im katholischen
München sei nur eine siebenjährige Frist für die Erhaltung der Gräber gegeben,


Reichssxiegel

sich nicht unberechtigt. Nichts drückt vielleicht unserer arischen Kultur so sehr
den Stempel auf, als der Individualismus, die Achtung vor dein Individuum,
die ihn: auch über den Tod hinaus noch ein unter Umständen langes Fortleben
auf Erden in der Erinnerung von Freunden und Verwandten sichert. Darin
unterscheiden wir uns wesentlich von anderen nur als Masse, als Volksindivi¬
dualitäten in Betracht kommenden Rassen, die grundsätzlich das Individuum
zugunsten der Gesamtheit unterdrücken. Zweifellos findet die Pflege des
Individuums auch über den Tod hinaus, Fannlienzusammenhcmg, Pietät und
freundlich ernstes Gedenken teurer Verstorbenen in der Erdbestattung eine ganz
andere Stütze als in der Feuerbestattung, weil hier viel mehr als bei der
Feuerbestattung der Gedanke mitwirkt, daß dort unten im Schoß der Erde tat¬
sächlich das ruht, was irdisch war an einem uns teuren Menschen. Eine
natürliche Folge dieses Empfindens ist auch die oft viele Jahrzehnte dauernde
treue Pflege der Gräber, die diejenigen, die sie ausüben, in ihrem Empfinden
adelt und vertieft. Gewiß schließt anch die Beisetzung der Aschenreste eines
Verstorbenen nicht das treue Gedenken an seine Persönlichkeit aus, aber es fehlt
doch die äußere Pflege der Grabstätte, die auch wieder vertiefend einwirkt auf
die geistige Beschäftigung mit dem Dahingegangenen. Selbst der alte „Heide"
Goethe hat in den „Wahlverwandtschaften" geschrieben: „Neben denen einst
zu ruhen, die man liebt, ist die angenehmste Vorstellung, welche der Mensch
haben kann, wenn er einmal über das Leben hinaus denkt. Zu den Seinigen
versammelt zu werden, ist ein so herzlicher Eindruck." Die deutsche Landschaft
und das deutsche Gemütsleben würden beide viel verlieren, wollte man den
Friedhof, diese Stätte des Friedens nach des Lebens Mühen und Kampf —
mag auch die ethvmologische Herleitung des Wortes Friedhof eine andere sein —,
aus ihnen streichen.

Auch wir hoffen daher mit dem Oberlandesgerichtspräsidentcn v. Plehwe-
Königsberg und Prof. Adolf Wagner, daß der Brauch der Feuerbestattung nicht
allgemein werden wird, weil dadurch zweifellos bedeutsame Gefühlswerte in
unserem Volksempfinden zerstört werden würden. Das soll aber nicht aus¬
schließen, daß man anderseits auch wieder dem Empfinden Andersdenkender
gegenüber Gerechtigkeit und Toleranz walten läßt und vor allem berücksichtigt,
daß unter manchen Verhältnissen die Erdbestattung eine pietätvolle äußere Pflege
des Gedächtnisses des Verstorbenen geradezu ausschließt. Das gilt besonders
in den Großstädten, daneben aber anch in einer Reihe kleinerer Städte, aus
deren Friedhöfen infolge äußerer Verhältnisse ein so rascher Turnus eingeführt
ist, daß dadurch eine äußere Pflege des Gedächtnisses an die Verstorbenen
völlig ausgeschlossen wird, oder, was man im gegnerischen Lager doch gerade
von der Feuerbestattung befürchtete, ein Privilegium der Wohlhabenden wird.
So betragen die Kosten für die dauernde Einlösung eines Grabes, wie Prof.
Adolf Wagner ausführte, nahezu 2000 Mark. In München, im katholischen
München sei nur eine siebenjährige Frist für die Erhaltung der Gräber gegeben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319051"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichssxiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> sich nicht unberechtigt. Nichts drückt vielleicht unserer arischen Kultur so sehr<lb/>
den Stempel auf, als der Individualismus, die Achtung vor dein Individuum,<lb/>
die ihn: auch über den Tod hinaus noch ein unter Umständen langes Fortleben<lb/>
auf Erden in der Erinnerung von Freunden und Verwandten sichert. Darin<lb/>
unterscheiden wir uns wesentlich von anderen nur als Masse, als Volksindivi¬<lb/>
dualitäten in Betracht kommenden Rassen, die grundsätzlich das Individuum<lb/>
zugunsten der Gesamtheit unterdrücken. Zweifellos findet die Pflege des<lb/>
Individuums auch über den Tod hinaus, Fannlienzusammenhcmg, Pietät und<lb/>
freundlich ernstes Gedenken teurer Verstorbenen in der Erdbestattung eine ganz<lb/>
andere Stütze als in der Feuerbestattung, weil hier viel mehr als bei der<lb/>
Feuerbestattung der Gedanke mitwirkt, daß dort unten im Schoß der Erde tat¬<lb/>
sächlich das ruht, was irdisch war an einem uns teuren Menschen. Eine<lb/>
natürliche Folge dieses Empfindens ist auch die oft viele Jahrzehnte dauernde<lb/>
treue Pflege der Gräber, die diejenigen, die sie ausüben, in ihrem Empfinden<lb/>
adelt und vertieft. Gewiß schließt anch die Beisetzung der Aschenreste eines<lb/>
Verstorbenen nicht das treue Gedenken an seine Persönlichkeit aus, aber es fehlt<lb/>
doch die äußere Pflege der Grabstätte, die auch wieder vertiefend einwirkt auf<lb/>
die geistige Beschäftigung mit dem Dahingegangenen. Selbst der alte &#x201E;Heide"<lb/>
Goethe hat in den &#x201E;Wahlverwandtschaften" geschrieben: &#x201E;Neben denen einst<lb/>
zu ruhen, die man liebt, ist die angenehmste Vorstellung, welche der Mensch<lb/>
haben kann, wenn er einmal über das Leben hinaus denkt. Zu den Seinigen<lb/>
versammelt zu werden, ist ein so herzlicher Eindruck." Die deutsche Landschaft<lb/>
und das deutsche Gemütsleben würden beide viel verlieren, wollte man den<lb/>
Friedhof, diese Stätte des Friedens nach des Lebens Mühen und Kampf &#x2014;<lb/>
mag auch die ethvmologische Herleitung des Wortes Friedhof eine andere sein &#x2014;,<lb/>
aus ihnen streichen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Auch wir hoffen daher mit dem Oberlandesgerichtspräsidentcn v. Plehwe-<lb/>
Königsberg und Prof. Adolf Wagner, daß der Brauch der Feuerbestattung nicht<lb/>
allgemein werden wird, weil dadurch zweifellos bedeutsame Gefühlswerte in<lb/>
unserem Volksempfinden zerstört werden würden. Das soll aber nicht aus¬<lb/>
schließen, daß man anderseits auch wieder dem Empfinden Andersdenkender<lb/>
gegenüber Gerechtigkeit und Toleranz walten läßt und vor allem berücksichtigt,<lb/>
daß unter manchen Verhältnissen die Erdbestattung eine pietätvolle äußere Pflege<lb/>
des Gedächtnisses des Verstorbenen geradezu ausschließt. Das gilt besonders<lb/>
in den Großstädten, daneben aber anch in einer Reihe kleinerer Städte, aus<lb/>
deren Friedhöfen infolge äußerer Verhältnisse ein so rascher Turnus eingeführt<lb/>
ist, daß dadurch eine äußere Pflege des Gedächtnisses an die Verstorbenen<lb/>
völlig ausgeschlossen wird, oder, was man im gegnerischen Lager doch gerade<lb/>
von der Feuerbestattung befürchtete, ein Privilegium der Wohlhabenden wird.<lb/>
So betragen die Kosten für die dauernde Einlösung eines Grabes, wie Prof.<lb/>
Adolf Wagner ausführte, nahezu 2000 Mark. In München, im katholischen<lb/>
München sei nur eine siebenjährige Frist für die Erhaltung der Gräber gegeben,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] Reichssxiegel sich nicht unberechtigt. Nichts drückt vielleicht unserer arischen Kultur so sehr den Stempel auf, als der Individualismus, die Achtung vor dein Individuum, die ihn: auch über den Tod hinaus noch ein unter Umständen langes Fortleben auf Erden in der Erinnerung von Freunden und Verwandten sichert. Darin unterscheiden wir uns wesentlich von anderen nur als Masse, als Volksindivi¬ dualitäten in Betracht kommenden Rassen, die grundsätzlich das Individuum zugunsten der Gesamtheit unterdrücken. Zweifellos findet die Pflege des Individuums auch über den Tod hinaus, Fannlienzusammenhcmg, Pietät und freundlich ernstes Gedenken teurer Verstorbenen in der Erdbestattung eine ganz andere Stütze als in der Feuerbestattung, weil hier viel mehr als bei der Feuerbestattung der Gedanke mitwirkt, daß dort unten im Schoß der Erde tat¬ sächlich das ruht, was irdisch war an einem uns teuren Menschen. Eine natürliche Folge dieses Empfindens ist auch die oft viele Jahrzehnte dauernde treue Pflege der Gräber, die diejenigen, die sie ausüben, in ihrem Empfinden adelt und vertieft. Gewiß schließt anch die Beisetzung der Aschenreste eines Verstorbenen nicht das treue Gedenken an seine Persönlichkeit aus, aber es fehlt doch die äußere Pflege der Grabstätte, die auch wieder vertiefend einwirkt auf die geistige Beschäftigung mit dem Dahingegangenen. Selbst der alte „Heide" Goethe hat in den „Wahlverwandtschaften" geschrieben: „Neben denen einst zu ruhen, die man liebt, ist die angenehmste Vorstellung, welche der Mensch haben kann, wenn er einmal über das Leben hinaus denkt. Zu den Seinigen versammelt zu werden, ist ein so herzlicher Eindruck." Die deutsche Landschaft und das deutsche Gemütsleben würden beide viel verlieren, wollte man den Friedhof, diese Stätte des Friedens nach des Lebens Mühen und Kampf — mag auch die ethvmologische Herleitung des Wortes Friedhof eine andere sein —, aus ihnen streichen. Auch wir hoffen daher mit dem Oberlandesgerichtspräsidentcn v. Plehwe- Königsberg und Prof. Adolf Wagner, daß der Brauch der Feuerbestattung nicht allgemein werden wird, weil dadurch zweifellos bedeutsame Gefühlswerte in unserem Volksempfinden zerstört werden würden. Das soll aber nicht aus¬ schließen, daß man anderseits auch wieder dem Empfinden Andersdenkender gegenüber Gerechtigkeit und Toleranz walten läßt und vor allem berücksichtigt, daß unter manchen Verhältnissen die Erdbestattung eine pietätvolle äußere Pflege des Gedächtnisses des Verstorbenen geradezu ausschließt. Das gilt besonders in den Großstädten, daneben aber anch in einer Reihe kleinerer Städte, aus deren Friedhöfen infolge äußerer Verhältnisse ein so rascher Turnus eingeführt ist, daß dadurch eine äußere Pflege des Gedächtnisses an die Verstorbenen völlig ausgeschlossen wird, oder, was man im gegnerischen Lager doch gerade von der Feuerbestattung befürchtete, ein Privilegium der Wohlhabenden wird. So betragen die Kosten für die dauernde Einlösung eines Grabes, wie Prof. Adolf Wagner ausführte, nahezu 2000 Mark. In München, im katholischen München sei nur eine siebenjährige Frist für die Erhaltung der Gräber gegeben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/102>, abgerufen am 01.01.2025.