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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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zusetzen, ohne daß man nötig hätte, das schwere Geschütz der Gesetzgebung
anzuwenden.

Der Ultimo und Quartalsschluß steht vor der Tür. Zum erstenmal
soll sich erweisen, ob die neuen Bestimmungen der Reichsbank über den Zins¬
zuschlag auf Lombarddarlehen eine Einschränkung der Ansprüche zur Folge haben
werden. Ich habe bereits früher (Heft 22, S.431) darauf hingewiesen, daß die Ma߬
regel nur eine bisher übliche, vom Standpunkt der Reichsbank aus unerwünschte Art
der Gelddisposition verhindern, ein Nachlassen der Ansprüche im ganzen aber
kaum herbeiführen wird. Es werden die Lombardierungen sich verringern, die
Wechseldiskontierungen dagegen voraussichtlich steigern. Für den Status der
Reichsbank wird dies die erwünschten Erfolge haben, daß die Belastung des
Lombardkontos zurückgehen und das Deckungsverhältuis der Noten ein besseres
sein wird. Dieser voraussichtliche Erfolg der Maßregel wird durch das Verhalten
der Bankett gefördert, die auch ihrerseits für Kredite am Quartalsschluß eine
besondere Provision in Anrechnung bringen werden. Angesichts der neuen
Verhältnisse, mit denen Geldgeber wie Kreditbedürftige am bevorstehenden
Monatsschluß zu rechnen haben, hat die Geldversorguug früher eingesetzt als
sonst. Und zwar stellen sich die Zinssätze, wie nicht anders zu erwarten war,
ziemlich hoch, Ultimogeld auf 5^ Prozent. Da es sich aber nur um eine
für die Tagesspekulation zwar empfindliche, im übrigen aber doch nur vorüber¬
gehende Geldverteuerung handelt, so ist eine dauernde Rückwirkung auf die
Kapitalausprüche uicht zu erwarten. Die Großbanken werden mit der Neu¬
ordnung der Dinge sogar sehr zufrieden sein: hohe Zinssätze sind ihnen, als
den Geldgebern, wenn sie nicht aus irgendeinen: Grunde gerade Interesse an
billigem Geld haben, durchaus erwünscht. Und da sie, wie gesagt, Vorsorge
getroffen haben, die neuen Lasten auf die Kundschaft abzuwälzen, so sehen sie
der Entwicklung der Dinge mit Gleichmut entgegen. Nun hat aber der Verein
für die Interessen der Fondsbörse dem Börsenvorstand einen Antrag unter¬
breitet, vom nächsten Jahre ab die monatlichen Zahltage vom letzten Werktag
auf einen der nächsten Tage des neuen Monats zu verlegen. Die Begründung
dieses Antrags ist einleuchtend und schlüssig; sie verweist auf die gleiche Gepflogen¬
heit auswärtiger Börsen und ans die Notwendigkeit, das Zusammendrängen von
Zahlungsverpflichtungen am Monatsschluß zu vermeiden. Der Verein wird bei
diesem Vorhaben von der Rücksichtnahme auf die kleineren Firmen geleitet, die
in erster Linie die Zeche in Gestalt teurer Zinssätze zu bezahlen haben. Diesem
Vorgehen widersetzen sich nun, bezeichnend genug, die Banken. Das Verleihen
von Ultimogeld ist ein sehr lukratives Geschäft und verspricht durch die Neu-
ordnung der Dinge fortan noch gewinnbringender zu werden. Also wieder ein
Fall, in dem das Interesse der Banken und das der Allgemeinheit auseinander¬
gehen! Hoffentlich erweist sich aber ihre Macht doch nicht stark genug, ihrer
egoistischen Politik zum Siege zu verhelfen.


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zusetzen, ohne daß man nötig hätte, das schwere Geschütz der Gesetzgebung
anzuwenden.

Der Ultimo und Quartalsschluß steht vor der Tür. Zum erstenmal
soll sich erweisen, ob die neuen Bestimmungen der Reichsbank über den Zins¬
zuschlag auf Lombarddarlehen eine Einschränkung der Ansprüche zur Folge haben
werden. Ich habe bereits früher (Heft 22, S.431) darauf hingewiesen, daß die Ma߬
regel nur eine bisher übliche, vom Standpunkt der Reichsbank aus unerwünschte Art
der Gelddisposition verhindern, ein Nachlassen der Ansprüche im ganzen aber
kaum herbeiführen wird. Es werden die Lombardierungen sich verringern, die
Wechseldiskontierungen dagegen voraussichtlich steigern. Für den Status der
Reichsbank wird dies die erwünschten Erfolge haben, daß die Belastung des
Lombardkontos zurückgehen und das Deckungsverhältuis der Noten ein besseres
sein wird. Dieser voraussichtliche Erfolg der Maßregel wird durch das Verhalten
der Bankett gefördert, die auch ihrerseits für Kredite am Quartalsschluß eine
besondere Provision in Anrechnung bringen werden. Angesichts der neuen
Verhältnisse, mit denen Geldgeber wie Kreditbedürftige am bevorstehenden
Monatsschluß zu rechnen haben, hat die Geldversorguug früher eingesetzt als
sonst. Und zwar stellen sich die Zinssätze, wie nicht anders zu erwarten war,
ziemlich hoch, Ultimogeld auf 5^ Prozent. Da es sich aber nur um eine
für die Tagesspekulation zwar empfindliche, im übrigen aber doch nur vorüber¬
gehende Geldverteuerung handelt, so ist eine dauernde Rückwirkung auf die
Kapitalausprüche uicht zu erwarten. Die Großbanken werden mit der Neu¬
ordnung der Dinge sogar sehr zufrieden sein: hohe Zinssätze sind ihnen, als
den Geldgebern, wenn sie nicht aus irgendeinen: Grunde gerade Interesse an
billigem Geld haben, durchaus erwünscht. Und da sie, wie gesagt, Vorsorge
getroffen haben, die neuen Lasten auf die Kundschaft abzuwälzen, so sehen sie
der Entwicklung der Dinge mit Gleichmut entgegen. Nun hat aber der Verein
für die Interessen der Fondsbörse dem Börsenvorstand einen Antrag unter¬
breitet, vom nächsten Jahre ab die monatlichen Zahltage vom letzten Werktag
auf einen der nächsten Tage des neuen Monats zu verlegen. Die Begründung
dieses Antrags ist einleuchtend und schlüssig; sie verweist auf die gleiche Gepflogen¬
heit auswärtiger Börsen und ans die Notwendigkeit, das Zusammendrängen von
Zahlungsverpflichtungen am Monatsschluß zu vermeiden. Der Verein wird bei
diesem Vorhaben von der Rücksichtnahme auf die kleineren Firmen geleitet, die
in erster Linie die Zeche in Gestalt teurer Zinssätze zu bezahlen haben. Diesem
Vorgehen widersetzen sich nun, bezeichnend genug, die Banken. Das Verleihen
von Ultimogeld ist ein sehr lukratives Geschäft und verspricht durch die Neu-
ordnung der Dinge fortan noch gewinnbringender zu werden. Also wieder ein
Fall, in dem das Interesse der Banken und das der Allgemeinheit auseinander¬
gehen! Hoffentlich erweist sich aber ihre Macht doch nicht stark genug, ihrer
egoistischen Politik zum Siege zu verhelfen.


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[0657] Reichsspicgcl zusetzen, ohne daß man nötig hätte, das schwere Geschütz der Gesetzgebung anzuwenden. Der Ultimo und Quartalsschluß steht vor der Tür. Zum erstenmal soll sich erweisen, ob die neuen Bestimmungen der Reichsbank über den Zins¬ zuschlag auf Lombarddarlehen eine Einschränkung der Ansprüche zur Folge haben werden. Ich habe bereits früher (Heft 22, S.431) darauf hingewiesen, daß die Ma߬ regel nur eine bisher übliche, vom Standpunkt der Reichsbank aus unerwünschte Art der Gelddisposition verhindern, ein Nachlassen der Ansprüche im ganzen aber kaum herbeiführen wird. Es werden die Lombardierungen sich verringern, die Wechseldiskontierungen dagegen voraussichtlich steigern. Für den Status der Reichsbank wird dies die erwünschten Erfolge haben, daß die Belastung des Lombardkontos zurückgehen und das Deckungsverhältuis der Noten ein besseres sein wird. Dieser voraussichtliche Erfolg der Maßregel wird durch das Verhalten der Bankett gefördert, die auch ihrerseits für Kredite am Quartalsschluß eine besondere Provision in Anrechnung bringen werden. Angesichts der neuen Verhältnisse, mit denen Geldgeber wie Kreditbedürftige am bevorstehenden Monatsschluß zu rechnen haben, hat die Geldversorguug früher eingesetzt als sonst. Und zwar stellen sich die Zinssätze, wie nicht anders zu erwarten war, ziemlich hoch, Ultimogeld auf 5^ Prozent. Da es sich aber nur um eine für die Tagesspekulation zwar empfindliche, im übrigen aber doch nur vorüber¬ gehende Geldverteuerung handelt, so ist eine dauernde Rückwirkung auf die Kapitalausprüche uicht zu erwarten. Die Großbanken werden mit der Neu¬ ordnung der Dinge sogar sehr zufrieden sein: hohe Zinssätze sind ihnen, als den Geldgebern, wenn sie nicht aus irgendeinen: Grunde gerade Interesse an billigem Geld haben, durchaus erwünscht. Und da sie, wie gesagt, Vorsorge getroffen haben, die neuen Lasten auf die Kundschaft abzuwälzen, so sehen sie der Entwicklung der Dinge mit Gleichmut entgegen. Nun hat aber der Verein für die Interessen der Fondsbörse dem Börsenvorstand einen Antrag unter¬ breitet, vom nächsten Jahre ab die monatlichen Zahltage vom letzten Werktag auf einen der nächsten Tage des neuen Monats zu verlegen. Die Begründung dieses Antrags ist einleuchtend und schlüssig; sie verweist auf die gleiche Gepflogen¬ heit auswärtiger Börsen und ans die Notwendigkeit, das Zusammendrängen von Zahlungsverpflichtungen am Monatsschluß zu vermeiden. Der Verein wird bei diesem Vorhaben von der Rücksichtnahme auf die kleineren Firmen geleitet, die in erster Linie die Zeche in Gestalt teurer Zinssätze zu bezahlen haben. Diesem Vorgehen widersetzen sich nun, bezeichnend genug, die Banken. Das Verleihen von Ultimogeld ist ein sehr lukratives Geschäft und verspricht durch die Neu- ordnung der Dinge fortan noch gewinnbringender zu werden. Also wieder ein Fall, in dem das Interesse der Banken und das der Allgemeinheit auseinander¬ gehen! Hoffentlich erweist sich aber ihre Macht doch nicht stark genug, ihrer egoistischen Politik zum Siege zu verhelfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/657>, abgerufen am 26.06.2024.