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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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unter der Kontrolle jener stehen, während das Kapital der letzteren selbst nieist
wieder in den Händen einer Muttergesellschaft oder eines Bankkonsortiums ist.
Auf diese Weise ist, um nur ein Beispiel für viele zu nennen, der mächtige
Konzern der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft mit seinen zahlreichen Tochter-
und Untergesellschaften konstruiert. Es kommt dabei hauptsächlich darauf an,
der führenden Gesellschaft unter möglichst geringer eigener Kapitalinvestition
eine möglichst vollständige Beherrschung der abhängigen Glieder zu sichern.
Hierfür erweist sich die Obligationsanleihe als ein uniibertreffliches Mittel.
Daher ist sie recht eigentlich das Rückgrat der modernen finanziellen Entwicklung
geworden, die Handhabe, deren sich das Großkapital zur Durchsetzung seiner
Monopolabsichten mit Erfolg bedient hat. Auf nicht weniger als 4 Milliarden
Mark ist der umlaufende Betrag solcher Jndustrieobligationen zu veranschlagen --
also ein erheblicher Teil des Nationalvermögens. Da ist denn doch wohl eine
Untersuchung am Platze, ob den so angelegten Kapitalien eine genügende Sicherheit
verbürgt ist. Diese Frage läßt sich nicht schlechthin bejahen. Freilich siud
Fälle, in denen große Summen verloren gegangen sind, bisher glücklicherweise
selten gewesen; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Obligationen
schlechter fundiert sind, als man es von einer Anlage verlangen muß, die
solche Summen des privaten Kapitals an sich zieht. Zwar steht den Obligations¬
schulden das Effektenportefeuille der Gesellschaften gegenüber; aber dieses ist
keineswegs eine reale Sicherheit, die Gesellschaften haben vollständig freie Hand,
die Zusammensetzung der Effektenbestände zu verändern, unrentable abzustoßen
und andere hereinzunehmen. Ja, meist geben die Geschäftsberichte nicht einmal
genügend Auskunft über die Bestände und die Art der Effekten, geschweige
denn, daß sie die Bilanzen oder Geschäftsberichte derselben mitteilten. So sind
die Obligationäre jeder Einflußnahme auf die materiell doch ihnen gehörigen
Werte beraubt, ein Stimmrecht in der Gesellschaft selbst steht ihnen natürlich
nicht zu, und ebensowenig haben sie auch nur den geringsten Einstich auf die
Verwaltung und die Direktion. Sie liefern lediglich die Mittel, welche diesen
eine immer größere Machtfülle und eine schließlich nahezu unbeschränkte Herr¬
schaft über ganze Industriezweige ermöglichen. Das ist in der Tat ein Zustand,
der große Bedenken wachrufen muß. Und solchen Bedenken hat zum erstenmal
die Zulassungsstelle offen Ausdruck ausgegeben ; die maßgebende reale Sicherheit
und die monopolistische Tendenz sind vollkommen zutreffend von ihr beanstandet
worden. Ohne der wirtschaftlichen Entwicklung Fesseln anlegen zu wollen,
wird man doch größere Garantien verlangen müssen, als sie gegenwärtig den
Obligationsanleihen zugestanden werden. Die Öffentlichkeit wird sich in Zukunft
immer wieder wieder mit der Frage beschäftigen; sie erheischt dringend eine
Lösung. Vielleicht wird letztere darin gefunden, daß durch geeignete Bilcmz-
und Publizitätsvorschriften die öffentliche Kontrolle verschärft wird, oder daß
man überhaupt Obligationen ohne Pfand sich erben nicht zuläßt. Die
Sperrung der Börse würde vollkommen ausreichen, diese Forderung durch-


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unter der Kontrolle jener stehen, während das Kapital der letzteren selbst nieist
wieder in den Händen einer Muttergesellschaft oder eines Bankkonsortiums ist.
Auf diese Weise ist, um nur ein Beispiel für viele zu nennen, der mächtige
Konzern der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft mit seinen zahlreichen Tochter-
und Untergesellschaften konstruiert. Es kommt dabei hauptsächlich darauf an,
der führenden Gesellschaft unter möglichst geringer eigener Kapitalinvestition
eine möglichst vollständige Beherrschung der abhängigen Glieder zu sichern.
Hierfür erweist sich die Obligationsanleihe als ein uniibertreffliches Mittel.
Daher ist sie recht eigentlich das Rückgrat der modernen finanziellen Entwicklung
geworden, die Handhabe, deren sich das Großkapital zur Durchsetzung seiner
Monopolabsichten mit Erfolg bedient hat. Auf nicht weniger als 4 Milliarden
Mark ist der umlaufende Betrag solcher Jndustrieobligationen zu veranschlagen —
also ein erheblicher Teil des Nationalvermögens. Da ist denn doch wohl eine
Untersuchung am Platze, ob den so angelegten Kapitalien eine genügende Sicherheit
verbürgt ist. Diese Frage läßt sich nicht schlechthin bejahen. Freilich siud
Fälle, in denen große Summen verloren gegangen sind, bisher glücklicherweise
selten gewesen; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Obligationen
schlechter fundiert sind, als man es von einer Anlage verlangen muß, die
solche Summen des privaten Kapitals an sich zieht. Zwar steht den Obligations¬
schulden das Effektenportefeuille der Gesellschaften gegenüber; aber dieses ist
keineswegs eine reale Sicherheit, die Gesellschaften haben vollständig freie Hand,
die Zusammensetzung der Effektenbestände zu verändern, unrentable abzustoßen
und andere hereinzunehmen. Ja, meist geben die Geschäftsberichte nicht einmal
genügend Auskunft über die Bestände und die Art der Effekten, geschweige
denn, daß sie die Bilanzen oder Geschäftsberichte derselben mitteilten. So sind
die Obligationäre jeder Einflußnahme auf die materiell doch ihnen gehörigen
Werte beraubt, ein Stimmrecht in der Gesellschaft selbst steht ihnen natürlich
nicht zu, und ebensowenig haben sie auch nur den geringsten Einstich auf die
Verwaltung und die Direktion. Sie liefern lediglich die Mittel, welche diesen
eine immer größere Machtfülle und eine schließlich nahezu unbeschränkte Herr¬
schaft über ganze Industriezweige ermöglichen. Das ist in der Tat ein Zustand,
der große Bedenken wachrufen muß. Und solchen Bedenken hat zum erstenmal
die Zulassungsstelle offen Ausdruck ausgegeben ; die maßgebende reale Sicherheit
und die monopolistische Tendenz sind vollkommen zutreffend von ihr beanstandet
worden. Ohne der wirtschaftlichen Entwicklung Fesseln anlegen zu wollen,
wird man doch größere Garantien verlangen müssen, als sie gegenwärtig den
Obligationsanleihen zugestanden werden. Die Öffentlichkeit wird sich in Zukunft
immer wieder wieder mit der Frage beschäftigen; sie erheischt dringend eine
Lösung. Vielleicht wird letztere darin gefunden, daß durch geeignete Bilcmz-
und Publizitätsvorschriften die öffentliche Kontrolle verschärft wird, oder daß
man überhaupt Obligationen ohne Pfand sich erben nicht zuläßt. Die
Sperrung der Börse würde vollkommen ausreichen, diese Forderung durch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/656>, abgerufen am 29.06.2024.