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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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dessen nichts Neues. Denn das gleiche hat sie auch schon in früheren Fällen
getan, so beispielsweise, als sie die Zulassung der Aktien der Bodengesellschaft
Berlin-Nord ablehnte, weil die im Besitz der Gründungsbanken befindlichen
nicht voll gezählten Aktien die Gefahr der Motorisierung der Aktionäre nahe¬
legten, so noch jüngst, als sie die Zulassung der Tempelhofer-Feld-Meier von
einem teilweisen Verzicht der Banken auf das Stimmrecht der nicht voll bezahlten
Aktien abhängig machte. Das Neue in der Motivierung der Znlassuugsstelle
liegt in der Beanstandung von Obligationen ohne reale Sicherheit
und in der Verurteilung einer derartigen Kapitalbeschaffung zum
Zwecke monopolistischer Tendenzen.

Mit der Aufstellung solcher Richtlinien tritt die Zulassungsstelle in einen
scharfen Gegensatz zu der heute durchweg und überall befolgten Methode der
Finauzierungskunst. Was sie hier beanstandet, ist in unzähligen Fällen geübt
und von ihr selbst gebilligt oder wenigstens nicht gerügt worden. Vermutlich
wird daher den Beschluß der Zulassungsstelle dasselbe Schicksal treffen, wie den
im oben erwähnten Falle Berlin-Nord: die Handelskammer wird ihn aufheben.
Damit wird aber nichts an der Tatsache geändert, daß die Stellungnahme der
Zulassuugsstelle ein Programm bedeutet: das Programm der Zukunft.

Die Verwendung konsolidierter Schulden, sogenannter Obligations¬
anleihen, nimmt in der modernen Finanzierungstechnik einen immer breiteren
Raum ein. An sich ist die Ausnahme solcher fuudierter Schulden nur da
gerechtfertigt, wo es sich um die Beschaffung der Mittel zur Herstellung
produktiver Anlagen, vornehmlich bei Erweiterung des Betriebes handelt. In
solchen Fällen ist es wirtschaftlich richtig, diese Mittel nicht ausschließlich durch
Vermehrung des Gesellschaftskapitals, sondern durch Aufnahme einer amortisabeln
Anleihe zu beschaffen, der die Anlagenwerte hypothekarisch als Sicherheit hasten.
Eine solche Kreditaufnahme liegt ebensosehr im Interesse der Gesellschaft selbst,
der die Mittel zu erheblich billigeren Bedingungen zur Verfügung steheu, als wenn
sie neue Aktien aufgäbe oder gar Bankkredit in Anspruch nähme, -- wie auch
im Interesse der Gläubiger, die in den Obligationen Titel erhalten, die ihnen
eine angemessene Verzinsung und gute Sicherheit bieten, sofern nur die Höhe
der Anleihe in angemessenen Verhältnis sowohl zu den: Werte der verpfändeten
Anlagen als zu dem verantwortlichen Kapital des Unternehmens steht. Von
diesen Grundsätzen ist man aber längst abgekommen. Mehr und mehr ist man
dazu übergegangen, Obligationen ohne spezielle Sicherheit auszugeben, höchstens
noch mit der Zusicherung. späteren Anleihen keine besseren Rechte einzuräumen.
Auch nahm man es nicht mehr allzu genau mit der Forderung, daß Obligations¬
anleihen uur etwa zwei Drittel des Grundkapitals betragen sollten. Und
schließlich ward diese Kreditbeschaffung die Unterlage, auf der sich die modernen
Beteiligungsgesellschaften aufbauten. Das oft nach vielen, ja nach Hunderten
von Millionen zählende Kapital, das durch die Ausgabe von Obligationen auf¬
genommen worden ist, wird in Aktien anderer Gesellschaften angelegt, die somit


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dessen nichts Neues. Denn das gleiche hat sie auch schon in früheren Fällen
getan, so beispielsweise, als sie die Zulassung der Aktien der Bodengesellschaft
Berlin-Nord ablehnte, weil die im Besitz der Gründungsbanken befindlichen
nicht voll gezählten Aktien die Gefahr der Motorisierung der Aktionäre nahe¬
legten, so noch jüngst, als sie die Zulassung der Tempelhofer-Feld-Meier von
einem teilweisen Verzicht der Banken auf das Stimmrecht der nicht voll bezahlten
Aktien abhängig machte. Das Neue in der Motivierung der Znlassuugsstelle
liegt in der Beanstandung von Obligationen ohne reale Sicherheit
und in der Verurteilung einer derartigen Kapitalbeschaffung zum
Zwecke monopolistischer Tendenzen.

Mit der Aufstellung solcher Richtlinien tritt die Zulassungsstelle in einen
scharfen Gegensatz zu der heute durchweg und überall befolgten Methode der
Finauzierungskunst. Was sie hier beanstandet, ist in unzähligen Fällen geübt
und von ihr selbst gebilligt oder wenigstens nicht gerügt worden. Vermutlich
wird daher den Beschluß der Zulassungsstelle dasselbe Schicksal treffen, wie den
im oben erwähnten Falle Berlin-Nord: die Handelskammer wird ihn aufheben.
Damit wird aber nichts an der Tatsache geändert, daß die Stellungnahme der
Zulassuugsstelle ein Programm bedeutet: das Programm der Zukunft.

Die Verwendung konsolidierter Schulden, sogenannter Obligations¬
anleihen, nimmt in der modernen Finanzierungstechnik einen immer breiteren
Raum ein. An sich ist die Ausnahme solcher fuudierter Schulden nur da
gerechtfertigt, wo es sich um die Beschaffung der Mittel zur Herstellung
produktiver Anlagen, vornehmlich bei Erweiterung des Betriebes handelt. In
solchen Fällen ist es wirtschaftlich richtig, diese Mittel nicht ausschließlich durch
Vermehrung des Gesellschaftskapitals, sondern durch Aufnahme einer amortisabeln
Anleihe zu beschaffen, der die Anlagenwerte hypothekarisch als Sicherheit hasten.
Eine solche Kreditaufnahme liegt ebensosehr im Interesse der Gesellschaft selbst,
der die Mittel zu erheblich billigeren Bedingungen zur Verfügung steheu, als wenn
sie neue Aktien aufgäbe oder gar Bankkredit in Anspruch nähme, — wie auch
im Interesse der Gläubiger, die in den Obligationen Titel erhalten, die ihnen
eine angemessene Verzinsung und gute Sicherheit bieten, sofern nur die Höhe
der Anleihe in angemessenen Verhältnis sowohl zu den: Werte der verpfändeten
Anlagen als zu dem verantwortlichen Kapital des Unternehmens steht. Von
diesen Grundsätzen ist man aber längst abgekommen. Mehr und mehr ist man
dazu übergegangen, Obligationen ohne spezielle Sicherheit auszugeben, höchstens
noch mit der Zusicherung. späteren Anleihen keine besseren Rechte einzuräumen.
Auch nahm man es nicht mehr allzu genau mit der Forderung, daß Obligations¬
anleihen uur etwa zwei Drittel des Grundkapitals betragen sollten. Und
schließlich ward diese Kreditbeschaffung die Unterlage, auf der sich die modernen
Beteiligungsgesellschaften aufbauten. Das oft nach vielen, ja nach Hunderten
von Millionen zählende Kapital, das durch die Ausgabe von Obligationen auf¬
genommen worden ist, wird in Aktien anderer Gesellschaften angelegt, die somit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/655>, abgerufen am 01.07.2024.