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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Till Lulenspiogel

Bürgermeister (

"Der an Gerichtsstell vorgeführte Jnkulpat
"

liest):

Verleugnet es zu sein.


Grober:

Verleugnet, gut.


Kanzler:

Ich protestier!

Was hat er zu bemerken?


Grober:

Ist schon dies alles ärgste Narretei,


Kanzler:

Die schwer euch ankomrn'n wird, so ist sogar
Auch das Verfahren falsch. Dem Jnkulpat
Ist nach Gesetz ein Beistand einzuräumen.


Grober:

Jedoch nur insoweit, als er nicht selbst

Den Beistand stellt. Greif er nicht immer vor!
Ich wollt die Frage eben an ihn richten. --
Sag', stellt er wen?


Kanzler:

Um ärgstes Narrentum

Zu überbieten, bitt ich dort den Herrn,

(auf Eulenspiegel weisend)

Der mir der schlimmste Schalk von allen scheint,
Um diese Mühewaltung.


Einige aus dem Volk:

Hört den Frechenl

Wenn er hier fortfährt mit Injurien


Grober:

Die Würde des Gerichtes zu verletzen,
Setz ich ihni Daumenschrauben, hört er, Mann? --
Doch muß ich Euch, dem Antrag folgend, fragen,
Verehrter Graf, ob Ihr ihm Beistand leistet.

Hört doch, der Kanzler soll den Schelm verteidigenl


Ein Bürger:
Eulenspiegel:

Zwar wird es mir nicht leicht, nachdem der Mann

Mich provoziert, noch seine Sach zu führen:
Doch glaub ich fast, der arme Schelm ist toll
Und arg verblendet: -- darum nehm ich's an.


Ein Bürger:
(Bewegung.)

Hört nur, er nimmt es aut


Grober:

Dann bitt ich, nehmet Euren Platz hiervor. --

Die Anklag, bitte!


Lobwasser:

Hohes Kriminal,

Till Eulenspiegel, der hier vor euch steht,
Und leugnet es zu sein, ich klag ihn an
notorisch hier vor euch und allem Volk
Begangener Verbrechen, als da sind:
Des crimon majestatis, der Verletzung
Schuld'gen Respekts vor unserm Kaiser Karl, --
Des weitern unter diesem Punkt, -- des weitern, ja --
Ein kaiserlich Sigill gefälscht zu haben.
Des weitern des Urfehdebruches schuldig.
Da er trotz Acht das Land betreten hat: --
Des weitern schuldig grober Injurie,
Begangen gegen Fürst und Fürstenhof.
Des weitern, ja -- des weitern -- ja, ganz recht --


Zuruf:

Der Schlüssel!

Ja, der Schlüssel! Ja, ganz recht.


Lob wasser:

Des weitern dann mit einem falschen Schlüssel
Versuchten Eintritts schuldig in ein Haus, -
Das ist wohl alles, ja.


Till Lulenspiogel

Bürgermeister (

„Der an Gerichtsstell vorgeführte Jnkulpat
"

liest):

Verleugnet es zu sein.


Grober:

Verleugnet, gut.


Kanzler:

Ich protestier!

Was hat er zu bemerken?


Grober:

Ist schon dies alles ärgste Narretei,


Kanzler:

Die schwer euch ankomrn'n wird, so ist sogar
Auch das Verfahren falsch. Dem Jnkulpat
Ist nach Gesetz ein Beistand einzuräumen.


Grober:

Jedoch nur insoweit, als er nicht selbst

Den Beistand stellt. Greif er nicht immer vor!
Ich wollt die Frage eben an ihn richten. —
Sag', stellt er wen?


Kanzler:

Um ärgstes Narrentum

Zu überbieten, bitt ich dort den Herrn,

(auf Eulenspiegel weisend)

Der mir der schlimmste Schalk von allen scheint,
Um diese Mühewaltung.


Einige aus dem Volk:

Hört den Frechenl

Wenn er hier fortfährt mit Injurien


Grober:

Die Würde des Gerichtes zu verletzen,
Setz ich ihni Daumenschrauben, hört er, Mann? —
Doch muß ich Euch, dem Antrag folgend, fragen,
Verehrter Graf, ob Ihr ihm Beistand leistet.

Hört doch, der Kanzler soll den Schelm verteidigenl


Ein Bürger:
Eulenspiegel:

Zwar wird es mir nicht leicht, nachdem der Mann

Mich provoziert, noch seine Sach zu führen:
Doch glaub ich fast, der arme Schelm ist toll
Und arg verblendet: — darum nehm ich's an.


Ein Bürger:
(Bewegung.)

Hört nur, er nimmt es aut


Grober:

Dann bitt ich, nehmet Euren Platz hiervor. —

Die Anklag, bitte!


Lobwasser:

Hohes Kriminal,

Till Eulenspiegel, der hier vor euch steht,
Und leugnet es zu sein, ich klag ihn an
notorisch hier vor euch und allem Volk
Begangener Verbrechen, als da sind:
Des crimon majestatis, der Verletzung
Schuld'gen Respekts vor unserm Kaiser Karl, —
Des weitern unter diesem Punkt, — des weitern, ja —
Ein kaiserlich Sigill gefälscht zu haben.
Des weitern des Urfehdebruches schuldig.
Da er trotz Acht das Land betreten hat: —
Des weitern schuldig grober Injurie,
Begangen gegen Fürst und Fürstenhof.
Des weitern, ja — des weitern — ja, ganz recht —


Zuruf:

Der Schlüssel!

Ja, der Schlüssel! Ja, ganz recht.


Lob wasser:

Des weitern dann mit einem falschen Schlüssel
Versuchten Eintritts schuldig in ein Haus, -
Das ist wohl alles, ja.


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[0635] Till Lulenspiogel Bürgermeister ( „Der an Gerichtsstell vorgeführte Jnkulpat " liest): Verleugnet es zu sein. Grober: Verleugnet, gut. Kanzler: Ich protestier! Was hat er zu bemerken? Grober: Ist schon dies alles ärgste Narretei, Kanzler: Die schwer euch ankomrn'n wird, so ist sogar Auch das Verfahren falsch. Dem Jnkulpat Ist nach Gesetz ein Beistand einzuräumen. Grober: Jedoch nur insoweit, als er nicht selbst Den Beistand stellt. Greif er nicht immer vor! Ich wollt die Frage eben an ihn richten. — Sag', stellt er wen? Kanzler: Um ärgstes Narrentum Zu überbieten, bitt ich dort den Herrn, (auf Eulenspiegel weisend) Der mir der schlimmste Schalk von allen scheint, Um diese Mühewaltung. Einige aus dem Volk: Hört den Frechenl Wenn er hier fortfährt mit Injurien Grober: Die Würde des Gerichtes zu verletzen, Setz ich ihni Daumenschrauben, hört er, Mann? — Doch muß ich Euch, dem Antrag folgend, fragen, Verehrter Graf, ob Ihr ihm Beistand leistet. Hört doch, der Kanzler soll den Schelm verteidigenl Ein Bürger: Eulenspiegel: Zwar wird es mir nicht leicht, nachdem der Mann Mich provoziert, noch seine Sach zu führen: Doch glaub ich fast, der arme Schelm ist toll Und arg verblendet: — darum nehm ich's an. Ein Bürger: (Bewegung.) Hört nur, er nimmt es aut Grober: Dann bitt ich, nehmet Euren Platz hiervor. — Die Anklag, bitte! Lobwasser: Hohes Kriminal, Till Eulenspiegel, der hier vor euch steht, Und leugnet es zu sein, ich klag ihn an notorisch hier vor euch und allem Volk Begangener Verbrechen, als da sind: Des crimon majestatis, der Verletzung Schuld'gen Respekts vor unserm Kaiser Karl, — Des weitern unter diesem Punkt, — des weitern, ja — Ein kaiserlich Sigill gefälscht zu haben. Des weitern des Urfehdebruches schuldig. Da er trotz Acht das Land betreten hat: — Des weitern schuldig grober Injurie, Begangen gegen Fürst und Fürstenhof. Des weitern, ja — des weitern — ja, ganz recht — Zuruf: Der Schlüssel! Ja, der Schlüssel! Ja, ganz recht. Lob wasser: Des weitern dann mit einem falschen Schlüssel Versuchten Eintritts schuldig in ein Haus, - Das ist wohl alles, ja.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/635>, abgerufen am 03.07.2024.