Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Till Lulcuspicgcl Laurentia: Ohne Fährlichkeit? Ich bitt Euch, der Besuch des Kanzlers füllt Oder macht sie blind! Eulenspiegel: Freund, Freund, ich bitt Euch herzlich, laßt es sein; Laurentia: Es kann Gefahr Euch bringen. Eulenspiegel: Pah, Gefahr! Der Tod packt den nur, der zu Ende ist In ein'gen Tagen kommt? Dann seid getrost! (Laurentia nickt) Laurentia: Ich will Euch glauben; hier ist meine Hand! Wenngleich ich nicht zu sehn vermag, warum Eulenspiegel: Fragt die Lerche, Warum sie steigen muß, der Fisch, warum In meine nehme, tief vertrauensvoll. (Er kW ihre Hand.) Laurentia: Lieber, du! -- Doch muß ich jetzt zu Hofe. -- Nur daß du weißt, wie sehr ich dir vertraue, "Kund und zu wissen tut der hohe Rat (mit Neckerei) Euch Bürgern dieser Stadt, daß trotz Verbot --" Eulenspiegel: Laurentia! Stimmt's? (Sie entschlüpft lachend.) Laurentia: Das war ein frischer Wind! Eulenspiegel: (Er bleibt einen Augenblick nachsinnend untätig; dann zu den Gehilfen gewandt) Seid ihr fertig? Lamme (tritt hinter dem Gebüsch hertwr): Prost Till! Sollst leben! Eulenspiegel: Schuft! Mich so zu foltern! Ein Leckerbraten und ein Eierfladen Lamme: Ich hab doch weidlich lange warten müssen, Eh Euer Gnaden mir Audienz erteilt, ^ulenspiegel: Weil du zu spät kamst. Und betrunken scheinst Du auch! ^amene: Nur etwas duselig, Till. Till Lulcuspicgcl Laurentia: Ohne Fährlichkeit? Ich bitt Euch, der Besuch des Kanzlers füllt Oder macht sie blind! Eulenspiegel: Freund, Freund, ich bitt Euch herzlich, laßt es sein; Laurentia: Es kann Gefahr Euch bringen. Eulenspiegel: Pah, Gefahr! Der Tod packt den nur, der zu Ende ist In ein'gen Tagen kommt? Dann seid getrost! (Laurentia nickt) Laurentia: Ich will Euch glauben; hier ist meine Hand! Wenngleich ich nicht zu sehn vermag, warum Eulenspiegel: Fragt die Lerche, Warum sie steigen muß, der Fisch, warum In meine nehme, tief vertrauensvoll. (Er kW ihre Hand.) Laurentia: Lieber, du! — Doch muß ich jetzt zu Hofe. — Nur daß du weißt, wie sehr ich dir vertraue, „Kund und zu wissen tut der hohe Rat (mit Neckerei) Euch Bürgern dieser Stadt, daß trotz Verbot —" Eulenspiegel: Laurentia! Stimmt's? (Sie entschlüpft lachend.) Laurentia: Das war ein frischer Wind! Eulenspiegel: (Er bleibt einen Augenblick nachsinnend untätig; dann zu den Gehilfen gewandt) Seid ihr fertig? Lamme (tritt hinter dem Gebüsch hertwr): Prost Till! Sollst leben! Eulenspiegel: Schuft! Mich so zu foltern! Ein Leckerbraten und ein Eierfladen Lamme: Ich hab doch weidlich lange warten müssen, Eh Euer Gnaden mir Audienz erteilt, ^ulenspiegel: Weil du zu spät kamst. Und betrunken scheinst Du auch! ^amene: Nur etwas duselig, Till. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0583" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318866"/> <fw type="header" place="top"> Till Lulcuspicgcl</fw><lb/> <note type="speaker"> Laurentia:</note><lb/> <p xml:id="ID_3664"> Ohne Fährlichkeit?</p><lb/> <p xml:id="ID_3665"> Ich bitt Euch, der Besuch des Kanzlers füllt<lb/> Sie mit Erwartung, und die Spannung schärft<lb/> Sonst trübe Augen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3666"> Oder macht sie blind!</p><lb/> <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/> <p xml:id="ID_3667"> Freund, Freund, ich bitt Euch herzlich, laßt es sein;</p><lb/> <note type="speaker"> Laurentia: </note><lb/> <p xml:id="ID_3668"> Es kann Gefahr Euch bringen.</p><lb/> <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/> <p xml:id="ID_3669"> Pah, Gefahr!</p><lb/> <p xml:id="ID_3670"> Der Tod packt den nur, der zu Ende ist<lb/> Mit Kraft und Weisheit. — Nur das Eine sagt:<lb/> Das ist gewiß, daß Euer Kanzler erst</p><lb/> <p xml:id="ID_3671"> In ein'gen Tagen kommt?</p><lb/> <p xml:id="ID_3672"> Dann seid getrost!</p><lb/> <stage> (Laurentia nickt)</stage><lb/> <note type="speaker"> Laurentia:</note><lb/> <p xml:id="ID_3673"> Ich will Euch glauben; hier ist meine Hand!</p><lb/> <p xml:id="ID_3674"> Wenngleich ich nicht zu sehn vermag, warum<lb/> Dies Unternehmen nötig.</p><lb/> <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/> <p xml:id="ID_3675"> Fragt die Lerche,</p><lb/> <p xml:id="ID_3676"> Warum sie steigen muß, der Fisch, warum<lb/> Er in die Tiefen taucht, der Wind, warum<lb/> Er weht? 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Till Lulcuspicgcl
Laurentia:
Ohne Fährlichkeit?
Ich bitt Euch, der Besuch des Kanzlers füllt
Sie mit Erwartung, und die Spannung schärft
Sonst trübe Augen.
Oder macht sie blind!
Eulenspiegel:
Freund, Freund, ich bitt Euch herzlich, laßt es sein;
Laurentia:
Es kann Gefahr Euch bringen.
Eulenspiegel:
Pah, Gefahr!
Der Tod packt den nur, der zu Ende ist
Mit Kraft und Weisheit. — Nur das Eine sagt:
Das ist gewiß, daß Euer Kanzler erst
In ein'gen Tagen kommt?
Dann seid getrost!
(Laurentia nickt)
Laurentia:
Ich will Euch glauben; hier ist meine Hand!
Wenngleich ich nicht zu sehn vermag, warum
Dies Unternehmen nötig.
Eulenspiegel:
Fragt die Lerche,
Warum sie steigen muß, der Fisch, warum
Er in die Tiefen taucht, der Wind, warum
Er weht? Fragt Temp'ramene, Natur: Warum?
Seht, nur der kluge Mensch stellt seine Fragen,
Krätze an den Rinden der Natur und ist
Erst froh, wenn er ein Nichts erklügelt hat
Und köstlich pflegt im Prunkschrein. — Nein, mein Kind,
Nehmt mich nur hin, wie mich der Himmel schuf,
So wie ich diese liebe feste Hand
In meine nehme, tief vertrauensvoll.
(Er kW ihre Hand.)
Laurentia:
Lieber, du! — Doch muß ich jetzt zu Hofe. —
Nur daß du weißt, wie sehr ich dir vertraue,
Mein lieber, liebster unbekannter Freund: —
„Kund und zu wissen tut der hohe Rat
(mit Neckerei)
Euch Bürgern dieser Stadt, daß trotz Verbot —"
Eulenspiegel:
Laurentia!
Stimmt's?
(Sie entschlüpft lachend.)
Laurentia:
Das war ein frischer Wind!
Eulenspiegel:
(Er bleibt einen Augenblick nachsinnend untätig; dann zu den Gehilfen gewandt)
Seid ihr fertig?
Dann packt euch fort! — Doch einer bleibt zurück
Zur Hilfeleistung! — Stell er dort sich auf
Und halt er mit der Leiter sich parat.
Leg er sie hinten an das Gartenhaus. —
Lamme
(tritt hinter dem Gebüsch hertwr):
Prost Till! Sollst leben!
Eulenspiegel:
Schuft! Mich so zu foltern!
Ein Leckerbraten und ein Eierfladen
Lag wohl im Weg, du konnt'se nicht drüber weg? I
Lamme:
Ich hab doch weidlich lange warten müssen,
Eh Euer Gnaden mir Audienz erteilt,
^ulenspiegel:
Weil du zu spät kamst. Und betrunken scheinst
Du auch!
^amene:
Nur etwas duselig, Till.
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