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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Till Lulenspicgel

Eulenspiegel:

Ich hoffe auch vor Eurem strengen Urteil,

Mein schönes Kind, mit Ehren zu bestehen,


Laurentia
Simmer anzüglicher werdend):

Wär auch ein Jammer um das schöne Geld
Und Zeit und Arbeit. -- Aber noch begreif ich
Es immer nicht, wie Ihr so malen könntI
Ihr fast den Hof ein einzig Mal zusammen
Und ließt ein' jeden nur vorbeipassieren --
Und doch wollt eines jeden treffend Bild
Ihr auf den i-Punkt auf der Fläche hallen!?
Das ist erstaunlich, Meisterlein, Ihr müßt
Ein ganz fürtreffliches Gedächtnis haben.


Eulenspiegel:

Ich male stets nur mit dem Kopf und dem,

Was mir Erinnerung gibt, Madmoiselle.
Das ist der künstlerische Blick. Ihr hättet
Erst meinen Meister Tizian sehen müssen!
Er malte Dinge, die er nie gesehen.


Laurentia:

Auch andern zur Lektion?

Was kommt Euch bei?!


Eulenspiegel:
Laurentia:

Nun grad heraus und keinen Firlefanz:
'

Liebster, wie stehts um Eure Sicherheit?


Eulenspiegel:

Um meine Sicherheit?

Ja, Hand aufs Herz!


Laurentia:

Es könnte ja doch sein, daß Ihr die Probe
Nicht voll besteht. Habt Ihr ein Letztes dann,
Das Euch der Peinlichkeit enthebt? -- Im Ernst!

Glaubt Ihr, ich sei ein Narr, daß ich die Tür


Eulenspiegel:

In fremdem Haus vergäße?

Zuverlässig?


Laurentia:
Eulenspiegel:

So wahr Erzvater Jakob seine Engel

Herniedersteigen sah auf einer Leiter;
Denn ohne Leiter wären sie gefallen.
Traut Ihr mir solchen Fall zu?

Lieber Freund,


Laurentia:
Zögernd)

Sagt -- aber dann?

Ich bau auf Euch. --


Eulenspiegel:

Komm ich

Euch abzuholen.

Ja, in Nacht und Nebel.


Laurentia:

Sind Nacht und Nebel nicht Gefährten, die


Eulenspiegel:

Seit Anbeginn der Liebe Tun beschützten?
Auch stehen Pferde in der Lindenschenke
Für morgen Nacht bereit. Doch hört Ihr noch
Von mir, da ich zu meiner weitern Lebensfahrt
Noch ein'ge Federn brauche.


Laurentia:

Wem gerupft,

Ihr Toller?

Hoher Weisheit, die das Volk


Eulenspiegel:

Über die Achsel ansieht. Ihren Gnaden
Gilt die Visite.


Till Lulenspicgel

Eulenspiegel:

Ich hoffe auch vor Eurem strengen Urteil,

Mein schönes Kind, mit Ehren zu bestehen,


Laurentia
Simmer anzüglicher werdend):

Wär auch ein Jammer um das schöne Geld
Und Zeit und Arbeit. — Aber noch begreif ich
Es immer nicht, wie Ihr so malen könntI
Ihr fast den Hof ein einzig Mal zusammen
Und ließt ein' jeden nur vorbeipassieren —
Und doch wollt eines jeden treffend Bild
Ihr auf den i-Punkt auf der Fläche hallen!?
Das ist erstaunlich, Meisterlein, Ihr müßt
Ein ganz fürtreffliches Gedächtnis haben.


Eulenspiegel:

Ich male stets nur mit dem Kopf und dem,

Was mir Erinnerung gibt, Madmoiselle.
Das ist der künstlerische Blick. Ihr hättet
Erst meinen Meister Tizian sehen müssen!
Er malte Dinge, die er nie gesehen.


Laurentia:

Auch andern zur Lektion?

Was kommt Euch bei?!


Eulenspiegel:
Laurentia:

Nun grad heraus und keinen Firlefanz:
'

Liebster, wie stehts um Eure Sicherheit?


Eulenspiegel:

Um meine Sicherheit?

Ja, Hand aufs Herz!


Laurentia:

Es könnte ja doch sein, daß Ihr die Probe
Nicht voll besteht. Habt Ihr ein Letztes dann,
Das Euch der Peinlichkeit enthebt? — Im Ernst!

Glaubt Ihr, ich sei ein Narr, daß ich die Tür


Eulenspiegel:

In fremdem Haus vergäße?

Zuverlässig?


Laurentia:
Eulenspiegel:

So wahr Erzvater Jakob seine Engel

Herniedersteigen sah auf einer Leiter;
Denn ohne Leiter wären sie gefallen.
Traut Ihr mir solchen Fall zu?

Lieber Freund,


Laurentia:
Zögernd)

Sagt — aber dann?

Ich bau auf Euch. —


Eulenspiegel:

Komm ich

Euch abzuholen.

Ja, in Nacht und Nebel.


Laurentia:

Sind Nacht und Nebel nicht Gefährten, die


Eulenspiegel:

Seit Anbeginn der Liebe Tun beschützten?
Auch stehen Pferde in der Lindenschenke
Für morgen Nacht bereit. Doch hört Ihr noch
Von mir, da ich zu meiner weitern Lebensfahrt
Noch ein'ge Federn brauche.


Laurentia:

Wem gerupft,

Ihr Toller?

Hoher Weisheit, die das Volk


Eulenspiegel:

Über die Achsel ansieht. Ihren Gnaden
Gilt die Visite.


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[0582] Till Lulenspicgel Eulenspiegel: Ich hoffe auch vor Eurem strengen Urteil, Mein schönes Kind, mit Ehren zu bestehen, Laurentia Simmer anzüglicher werdend): Wär auch ein Jammer um das schöne Geld Und Zeit und Arbeit. — Aber noch begreif ich Es immer nicht, wie Ihr so malen könntI Ihr fast den Hof ein einzig Mal zusammen Und ließt ein' jeden nur vorbeipassieren — Und doch wollt eines jeden treffend Bild Ihr auf den i-Punkt auf der Fläche hallen!? Das ist erstaunlich, Meisterlein, Ihr müßt Ein ganz fürtreffliches Gedächtnis haben. Eulenspiegel: Ich male stets nur mit dem Kopf und dem, Was mir Erinnerung gibt, Madmoiselle. Das ist der künstlerische Blick. Ihr hättet Erst meinen Meister Tizian sehen müssen! Er malte Dinge, die er nie gesehen. Laurentia: Auch andern zur Lektion? Was kommt Euch bei?! Eulenspiegel: Laurentia: Nun grad heraus und keinen Firlefanz: ' Liebster, wie stehts um Eure Sicherheit? Eulenspiegel: Um meine Sicherheit? Ja, Hand aufs Herz! Laurentia: Es könnte ja doch sein, daß Ihr die Probe Nicht voll besteht. Habt Ihr ein Letztes dann, Das Euch der Peinlichkeit enthebt? — Im Ernst! Glaubt Ihr, ich sei ein Narr, daß ich die Tür Eulenspiegel: In fremdem Haus vergäße? Zuverlässig? Laurentia: Eulenspiegel: So wahr Erzvater Jakob seine Engel Herniedersteigen sah auf einer Leiter; Denn ohne Leiter wären sie gefallen. Traut Ihr mir solchen Fall zu? Lieber Freund, Laurentia: Zögernd) Sagt — aber dann? Ich bau auf Euch. — Eulenspiegel: Komm ich Euch abzuholen. Ja, in Nacht und Nebel. Laurentia: Sind Nacht und Nebel nicht Gefährten, die Eulenspiegel: Seit Anbeginn der Liebe Tun beschützten? Auch stehen Pferde in der Lindenschenke Für morgen Nacht bereit. Doch hört Ihr noch Von mir, da ich zu meiner weitern Lebensfahrt Noch ein'ge Federn brauche. Laurentia: Wem gerupft, Ihr Toller? Hoher Weisheit, die das Volk Eulenspiegel: Über die Achsel ansieht. Ihren Gnaden Gilt die Visite.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/582>, abgerufen am 25.08.2024.