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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Zinsen nicht bringt, die man von ihm erwarten muß, so kann dies unter Um¬
ständen zum Ruin des Vaterlandes führen." Damals war schon von der
Heeresverwaltung eine Zählkartenstatistik "ernstlich in Erwägung genommen
worden". Aber sehr langsam, es dauerte noch dreizehn Jahre, entschloß man
sich zur Ausführung dieses Gedankens. Professor Dr. Greeff fand im Jahre
1904 unter den Schülern des Friedrich-Werderschen Gymnasiums, des Wilhelms-
Gymnasiums und des Gymnasiums zum grauen Kloster zu Berlin 32, 30,
30 Prozent Kurzsichtige, von Sexta bis Oberprima eine Steigerung von 16 bis
38 Prozent. Oberstabsarzt Dr. Nicolai stellt ebenfalls im Jahre 1904 bei
eingestellten Einjährig-Freiwilligen 36,9 Prozent Kurzsichtige fest.

Durch eine Verfügung des preußischen Kriegsministeriums vom 9. April 1904,
der sich das bayerische Kriegsministerium anschloß, wurde die Ausfüllung einer
Zählkarte über jeden jungen Mann, der sich zum einjährig-freiwilligen Dienst
meldete, angeordnet. Aus dem Zeitraum 1904 bis 1906 erhielt man die Zähl¬
karten über 80454 zum einjährigen Dienst berechtigte junge Leute. Von diesen
waren nach den Zählkarten dauernd untauglich 18406, zeitlich untauglich 27804,
zusammen 46210, also 57,4 Prozent. Die 27804 zeitlich Untauglichen wurden
bei den weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt. Die Beschränkung der
Untersuchungen auf die 52650 endgültig Abgefertigten hatte die Folge, daß das
Verhältnis zwischen den Tauglichen und den dauernd Untauglichen der unter¬
suchten Jahrgänge nicht ganz richtig festgestellt werden konnte. Eine weitere,
die endgültige Entscheidung über sämtliche Zurückgestellten der Jahrgänge 1904
bis 1906, also den Ablauf mehrerer Jahre voraussetzende Untersuchung wird
diese Zahlen richtig stellen. Die Tabelle über die Verbreitung der Kurzsichtigkeit,
die Oberstabsarzt Dr. Nicolai nach diesen Zählkarten aufgestellt hat, gebe ich
hier. Nicht nur von reichem und von kargen Boden, sondern auch von Sorge
und Sorglosigkeit ist darin die Ernte verzeichnet:

Von den zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten waren kurzsichtig:


[Beginn Spaltensatz]
Prozent
in Schleswig-Holstein .... 24,5
" Westfalen, Schaumburg-Lippe,
Lippe.......26,8
im Rheinland......27,5
in Hessen-Nassau, Waldeck . . 28,2
" Elsaß-Lothringen .... 29,1
" Hessen........29,5
" den Hansestädten .... 30,8
Hannover, Oldenburg, Braun-
schweig.......31,0
,, Ostpreußen......31,7
" Westpreußen......32,3
" Mittelfranken......32,7

[Spaltenumbruch]
Prozent
in Baden........35,4
" Schlesien.......36,1
" Preußisch Sachsen, Anhalt . 36,3
" Unterfranken......36,4
" Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz. . . 36.5
" Posen........36,8
" Württemberg...... 37,4
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" Oberfranken......39,7
im Königreich Sachsen . . . 39,8
in der Oberpfalz . . . . . 40,2
" den thüringischen Staaten . 40,8

[Ende Spaltensatz]
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Zinsen nicht bringt, die man von ihm erwarten muß, so kann dies unter Um¬
ständen zum Ruin des Vaterlandes führen." Damals war schon von der
Heeresverwaltung eine Zählkartenstatistik „ernstlich in Erwägung genommen
worden". Aber sehr langsam, es dauerte noch dreizehn Jahre, entschloß man
sich zur Ausführung dieses Gedankens. Professor Dr. Greeff fand im Jahre
1904 unter den Schülern des Friedrich-Werderschen Gymnasiums, des Wilhelms-
Gymnasiums und des Gymnasiums zum grauen Kloster zu Berlin 32, 30,
30 Prozent Kurzsichtige, von Sexta bis Oberprima eine Steigerung von 16 bis
38 Prozent. Oberstabsarzt Dr. Nicolai stellt ebenfalls im Jahre 1904 bei
eingestellten Einjährig-Freiwilligen 36,9 Prozent Kurzsichtige fest.

Durch eine Verfügung des preußischen Kriegsministeriums vom 9. April 1904,
der sich das bayerische Kriegsministerium anschloß, wurde die Ausfüllung einer
Zählkarte über jeden jungen Mann, der sich zum einjährig-freiwilligen Dienst
meldete, angeordnet. Aus dem Zeitraum 1904 bis 1906 erhielt man die Zähl¬
karten über 80454 zum einjährigen Dienst berechtigte junge Leute. Von diesen
waren nach den Zählkarten dauernd untauglich 18406, zeitlich untauglich 27804,
zusammen 46210, also 57,4 Prozent. Die 27804 zeitlich Untauglichen wurden
bei den weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt. Die Beschränkung der
Untersuchungen auf die 52650 endgültig Abgefertigten hatte die Folge, daß das
Verhältnis zwischen den Tauglichen und den dauernd Untauglichen der unter¬
suchten Jahrgänge nicht ganz richtig festgestellt werden konnte. Eine weitere,
die endgültige Entscheidung über sämtliche Zurückgestellten der Jahrgänge 1904
bis 1906, also den Ablauf mehrerer Jahre voraussetzende Untersuchung wird
diese Zahlen richtig stellen. Die Tabelle über die Verbreitung der Kurzsichtigkeit,
die Oberstabsarzt Dr. Nicolai nach diesen Zählkarten aufgestellt hat, gebe ich
hier. Nicht nur von reichem und von kargen Boden, sondern auch von Sorge
und Sorglosigkeit ist darin die Ernte verzeichnet:

Von den zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten waren kurzsichtig:


[Beginn Spaltensatz]
Prozent
in Schleswig-Holstein .... 24,5
„ Westfalen, Schaumburg-Lippe,
Lippe.......26,8
im Rheinland......27,5
in Hessen-Nassau, Waldeck . . 28,2
„ Elsaß-Lothringen .... 29,1
„ Hessen........29,5
" den Hansestädten .... 30,8
Hannover, Oldenburg, Braun-
schweig.......31,0
,, Ostpreußen......31,7
„ Westpreußen......32,3
„ Mittelfranken......32,7

[Spaltenumbruch]
Prozent
in Baden........35,4
„ Schlesien.......36,1
„ Preußisch Sachsen, Anhalt . 36,3
„ Unterfranken......36,4
„ Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz. . . 36.5
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„ Oberfranken......39,7
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[0561] psendokonservativismns in der Schule Zinsen nicht bringt, die man von ihm erwarten muß, so kann dies unter Um¬ ständen zum Ruin des Vaterlandes führen." Damals war schon von der Heeresverwaltung eine Zählkartenstatistik „ernstlich in Erwägung genommen worden". Aber sehr langsam, es dauerte noch dreizehn Jahre, entschloß man sich zur Ausführung dieses Gedankens. Professor Dr. Greeff fand im Jahre 1904 unter den Schülern des Friedrich-Werderschen Gymnasiums, des Wilhelms- Gymnasiums und des Gymnasiums zum grauen Kloster zu Berlin 32, 30, 30 Prozent Kurzsichtige, von Sexta bis Oberprima eine Steigerung von 16 bis 38 Prozent. Oberstabsarzt Dr. Nicolai stellt ebenfalls im Jahre 1904 bei eingestellten Einjährig-Freiwilligen 36,9 Prozent Kurzsichtige fest. Durch eine Verfügung des preußischen Kriegsministeriums vom 9. April 1904, der sich das bayerische Kriegsministerium anschloß, wurde die Ausfüllung einer Zählkarte über jeden jungen Mann, der sich zum einjährig-freiwilligen Dienst meldete, angeordnet. Aus dem Zeitraum 1904 bis 1906 erhielt man die Zähl¬ karten über 80454 zum einjährigen Dienst berechtigte junge Leute. Von diesen waren nach den Zählkarten dauernd untauglich 18406, zeitlich untauglich 27804, zusammen 46210, also 57,4 Prozent. Die 27804 zeitlich Untauglichen wurden bei den weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt. Die Beschränkung der Untersuchungen auf die 52650 endgültig Abgefertigten hatte die Folge, daß das Verhältnis zwischen den Tauglichen und den dauernd Untauglichen der unter¬ suchten Jahrgänge nicht ganz richtig festgestellt werden konnte. Eine weitere, die endgültige Entscheidung über sämtliche Zurückgestellten der Jahrgänge 1904 bis 1906, also den Ablauf mehrerer Jahre voraussetzende Untersuchung wird diese Zahlen richtig stellen. Die Tabelle über die Verbreitung der Kurzsichtigkeit, die Oberstabsarzt Dr. Nicolai nach diesen Zählkarten aufgestellt hat, gebe ich hier. Nicht nur von reichem und von kargen Boden, sondern auch von Sorge und Sorglosigkeit ist darin die Ernte verzeichnet: Von den zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten waren kurzsichtig: Prozent in Schleswig-Holstein .... 24,5 „ Westfalen, Schaumburg-Lippe, Lippe.......26,8 im Rheinland......27,5 in Hessen-Nassau, Waldeck . . 28,2 „ Elsaß-Lothringen .... 29,1 „ Hessen........29,5 " den Hansestädten .... 30,8 Hannover, Oldenburg, Braun- schweig.......31,0 ,, Ostpreußen......31,7 „ Westpreußen......32,3 „ Mittelfranken......32,7 Prozent in Baden........35,4 „ Schlesien.......36,1 „ Preußisch Sachsen, Anhalt . 36,3 „ Unterfranken......36,4 „ Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz. . . 36.5 „ Posen........36,8 „ Württemberg...... 37,4 „ Berlin........38,0 „ Oberfranken......39,7 im Königreich Sachsen . . . 39,8 in der Oberpfalz . . . . . 40,2 „ den thüringischen Staaten . 40,8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/561>, abgerufen am 01.07.2024.