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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Sorgen und Stützen britischer ZVeltxolitik

sein kanadisches Reich, in Mittelamerika sein Jamaika usw., in Südamerika
sein Guyana, und zwischen Ostasien und Australien einerseits, der Westküste
von Amerika anderseits dehnt sich ein breiter Gürtel britischer Inseln. Aber
gerade im Großen Ozean ist die vorherrschende Stellung Englands auf den
großen Weltoerkehrsstraßen doch schon intensiv unterbrochen; zwischen Hongkong
und Australien liegen die amerikanischen Philippinen; zwischen Japan und
Australien bilden die deutschen Inselgruppen, obenan aber das amerikanische
Guam, Stationen, zwischen dem ganzen Osten des Großen Ozeans und dem
Westen der in amerikanischem Besitz befindliche Hauptknotenpuukt Honolulu.
Mit zäher Energie ist Japan beflissen, den Verkehr über den Großen Ozean
in seine Hand zu bringen -- vor kurzem weilte der Leiter der namhaftesten
japanischen Reederei wieder an der amerikanischen Pazifikküste, um neue Ma߬
regeln zur Förderung des japanisch-amerikanischen Verkehrs zu ergreisen. Ver¬
schiedene japanische Äußerungen aus jüngster Zeit haben weiterhin dargetan,
welches Interesse die Japaner den holländischen Inseln zwischen Japan und
Australien entgegenbringen -- ein sür Holland nichts weniger als unverfäng¬
liches Interesse, das aber auch in England Beachtung erheischt.

Zu den Unterbrechungen der englischen Verkehrsstützpunkte, wie wir sie im
Stillen Ozean finden, gesellt sich nun in naher Zeit wieder wohl die bedeutendste
Durchbrechung seiner Verkehrsstellung, die es bisher je erlebt: nämlich die
Beherrschung des Panamakanals durch die Vereinigten Staaten. Es hat Zeiten
gegeben, in denen es geradezu undenkbar erschienen wäre, eine solche Hochstraße
des Weltverkehrs in anderen als englischen Händen zu sehen. Vor sechzig
Jahren wollte England den Plan eines amerikanischen Panamakanals nicht
aufkommen lassen; es verständigte sich im Jahre 1850 durch den berühmten
Clayton-Bulwer-Vertrag mit den Vereinigten Staaten dahin, daß keine der
beiden Mächte einen solchen Kanal bauen oder gar befestigen dürfe. In den
Zeiten des Burenkrieges ist es dann den Vereinigten Staaten bekanntlich gelungen,
diesen Vertrag zu beseitigen und England die Einwilligung in den Bau des
Panamakanals durch die Vereinigten Staaten abzutrotzen, ohne daß dabei die
Befestigung dieses Kanals durch Amerika ausgeschlossen worden wäre.

Solange die Weltpolitik im wesentlichen eine Politik der europäischen Gro߬
mächte war, konnte England in aller Behaglichkeit diese europäischen Großmächte
auf dem Kontinent beschäftigen und gegeneinander ausspielen, um seinerseits
Ruhe zu haben, sich auf dem Erdenrunde häuslich niederzulassen und die Hoch¬
straßen des Weltverkehrs unter seine Herrschaft zu nehmen. Die Zeiten dieser
engen Umgrenzung der Weltpolitik sind vorüber -- amerikanische und asiatische
Großmächte sind den europäischen an die Seite getreten und wirken in hohem
Grade mitbestimmend auf den Gang der Weltpolitik; sie haben sich angeschickt,
ihrerseits Anteil zu nehmen an der Beherrschung der großen Weltstraßen. Seitdem
die Japaner ihre Expansionspolitik im Großen Ozean begonnen, die Amerikaner
ihren Stationen auf diesem Weltmeer den Panamakanal hinzugefügt, hat Eng-


Sorgen und Stützen britischer ZVeltxolitik

sein kanadisches Reich, in Mittelamerika sein Jamaika usw., in Südamerika
sein Guyana, und zwischen Ostasien und Australien einerseits, der Westküste
von Amerika anderseits dehnt sich ein breiter Gürtel britischer Inseln. Aber
gerade im Großen Ozean ist die vorherrschende Stellung Englands auf den
großen Weltoerkehrsstraßen doch schon intensiv unterbrochen; zwischen Hongkong
und Australien liegen die amerikanischen Philippinen; zwischen Japan und
Australien bilden die deutschen Inselgruppen, obenan aber das amerikanische
Guam, Stationen, zwischen dem ganzen Osten des Großen Ozeans und dem
Westen der in amerikanischem Besitz befindliche Hauptknotenpuukt Honolulu.
Mit zäher Energie ist Japan beflissen, den Verkehr über den Großen Ozean
in seine Hand zu bringen — vor kurzem weilte der Leiter der namhaftesten
japanischen Reederei wieder an der amerikanischen Pazifikküste, um neue Ma߬
regeln zur Förderung des japanisch-amerikanischen Verkehrs zu ergreisen. Ver¬
schiedene japanische Äußerungen aus jüngster Zeit haben weiterhin dargetan,
welches Interesse die Japaner den holländischen Inseln zwischen Japan und
Australien entgegenbringen — ein sür Holland nichts weniger als unverfäng¬
liches Interesse, das aber auch in England Beachtung erheischt.

Zu den Unterbrechungen der englischen Verkehrsstützpunkte, wie wir sie im
Stillen Ozean finden, gesellt sich nun in naher Zeit wieder wohl die bedeutendste
Durchbrechung seiner Verkehrsstellung, die es bisher je erlebt: nämlich die
Beherrschung des Panamakanals durch die Vereinigten Staaten. Es hat Zeiten
gegeben, in denen es geradezu undenkbar erschienen wäre, eine solche Hochstraße
des Weltverkehrs in anderen als englischen Händen zu sehen. Vor sechzig
Jahren wollte England den Plan eines amerikanischen Panamakanals nicht
aufkommen lassen; es verständigte sich im Jahre 1850 durch den berühmten
Clayton-Bulwer-Vertrag mit den Vereinigten Staaten dahin, daß keine der
beiden Mächte einen solchen Kanal bauen oder gar befestigen dürfe. In den
Zeiten des Burenkrieges ist es dann den Vereinigten Staaten bekanntlich gelungen,
diesen Vertrag zu beseitigen und England die Einwilligung in den Bau des
Panamakanals durch die Vereinigten Staaten abzutrotzen, ohne daß dabei die
Befestigung dieses Kanals durch Amerika ausgeschlossen worden wäre.

Solange die Weltpolitik im wesentlichen eine Politik der europäischen Gro߬
mächte war, konnte England in aller Behaglichkeit diese europäischen Großmächte
auf dem Kontinent beschäftigen und gegeneinander ausspielen, um seinerseits
Ruhe zu haben, sich auf dem Erdenrunde häuslich niederzulassen und die Hoch¬
straßen des Weltverkehrs unter seine Herrschaft zu nehmen. Die Zeiten dieser
engen Umgrenzung der Weltpolitik sind vorüber — amerikanische und asiatische
Großmächte sind den europäischen an die Seite getreten und wirken in hohem
Grade mitbestimmend auf den Gang der Weltpolitik; sie haben sich angeschickt,
ihrerseits Anteil zu nehmen an der Beherrschung der großen Weltstraßen. Seitdem
die Japaner ihre Expansionspolitik im Großen Ozean begonnen, die Amerikaner
ihren Stationen auf diesem Weltmeer den Panamakanal hinzugefügt, hat Eng-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/508>, abgerufen am 23.07.2024.