Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sorgen und Stützen britischer Iveltpolitik

Sorgen und stützen britischer Weltpolitik
von Arthur Dix

is vor kurzem stand die Welt staunend vor der Monopolstellung,
die Großbritannien allgemein auf den Hochstraßen des Weltverkehrs
zu erringen gewußt hatte. Allüberall, wo wichtige Stationen
auf den Wegen zwischen den fünf Erdteilen liegen, hatte England
Fuß gefaßt; überall stößt man an markanten Knotenpunkten auf
englische Kolonien, englische Kohlenstationen, englische Kabelstationen. Vor allen
Dingen ist es der Weg nach Britisch-Indien und nach Ostasien, den England
mit seinen befestigten Kohlenstationen gepflastert hat. Nicht nur der Hauptweg
nach Britisch-Jndien durch das Mittelmeer und den Suezkanal ist in jeder mög¬
lichen Weise durch England gesichert, sondern es hat stets sein Augenmerk darauf
gerichtet, alle gangbaren Wege dorthin zu kontrollieren.

Die Beherrschung der Snezftraße freilich scheint den Briten heute nicht
mehr sicher genug -- sie halten ihr Augenmerk fortgesetzt auch auf die daneben
bestehenden Reservewege gerichtet. Auf der ganzen großen Völkerbrücke, die
gebildet wird durch den Zusammenstoß Europas, Asiens und Afrikas, auf der
Völkerbrücke zwischen dem Kaukasus und dem Nil, wollen sie keine Hochstraße
des Weltverkehrs aufkommen lassen, auf der sie nicht das Verkehrsmonopol
haben. Es ist seit Jahrzehnten eine wichtige Frage des Weltverkehrs und der
Weltpolitik, ob auf dieser Völkerbrücke freier Verkehr für alle oder englisches
Verkehrsmonopol herrschen soll. Ursprünglich konzentrierte sich das Problem
für England in der Frage der Beherrschung des Suezkanals; wie es weiterhin
aber auch um die Neservewege besorgt war, zeigte sich beim Bau der Uganda¬
bahn, der in erster Linie nicht zur Erschließung von Britisch-Ostafrika bestimmt
war, sondern dazu, in Verbindung mit dem Nil einen englischen Reserveweg
nach Indien aufrechtzuerhalten. Die schwerste Sorge aber machte und macht
England die Straße durch Mesopotamien und den Persischen Golf. Der ganze
Streit um die Vagdadbahn entspringt lediglich der englischen Sorge, auf den
europäisch-indischen Verkehrsstraßen das alte Monopol sich nicht entwinden zu
lassen').

Nun sind aber die Zeiten vorüber, in denen England als Beherrscher der
Hochstraßen des Weltverkehrs immer nur auf Deutschland scheel sehen durfte,
wenn es den Überlandweg von Zentraleuropa nach dem Persischen Golf aus¬
zubauen trachtete; denn andere Konkurrenten sind auf anderen Hochstraßen
erstanden und drohen Englands Monopolstellung ganz anders zu erschüttern,
als das Stückchen Vagdadbahn sie erschüttern könnte. Wohl fehlt es England
auch auf den Verbindungen zwischen anderen Erdteilen als Europa und Asien
nicht an Stützpunkten: jenseits des Atlantischen Ozeans hat es in Nordamerika



") In den Grenzboten 1911 Ur. 13 ausführlich behandelt.
Sorgen und Stützen britischer Iveltpolitik

Sorgen und stützen britischer Weltpolitik
von Arthur Dix

is vor kurzem stand die Welt staunend vor der Monopolstellung,
die Großbritannien allgemein auf den Hochstraßen des Weltverkehrs
zu erringen gewußt hatte. Allüberall, wo wichtige Stationen
auf den Wegen zwischen den fünf Erdteilen liegen, hatte England
Fuß gefaßt; überall stößt man an markanten Knotenpunkten auf
englische Kolonien, englische Kohlenstationen, englische Kabelstationen. Vor allen
Dingen ist es der Weg nach Britisch-Indien und nach Ostasien, den England
mit seinen befestigten Kohlenstationen gepflastert hat. Nicht nur der Hauptweg
nach Britisch-Jndien durch das Mittelmeer und den Suezkanal ist in jeder mög¬
lichen Weise durch England gesichert, sondern es hat stets sein Augenmerk darauf
gerichtet, alle gangbaren Wege dorthin zu kontrollieren.

Die Beherrschung der Snezftraße freilich scheint den Briten heute nicht
mehr sicher genug — sie halten ihr Augenmerk fortgesetzt auch auf die daneben
bestehenden Reservewege gerichtet. Auf der ganzen großen Völkerbrücke, die
gebildet wird durch den Zusammenstoß Europas, Asiens und Afrikas, auf der
Völkerbrücke zwischen dem Kaukasus und dem Nil, wollen sie keine Hochstraße
des Weltverkehrs aufkommen lassen, auf der sie nicht das Verkehrsmonopol
haben. Es ist seit Jahrzehnten eine wichtige Frage des Weltverkehrs und der
Weltpolitik, ob auf dieser Völkerbrücke freier Verkehr für alle oder englisches
Verkehrsmonopol herrschen soll. Ursprünglich konzentrierte sich das Problem
für England in der Frage der Beherrschung des Suezkanals; wie es weiterhin
aber auch um die Neservewege besorgt war, zeigte sich beim Bau der Uganda¬
bahn, der in erster Linie nicht zur Erschließung von Britisch-Ostafrika bestimmt
war, sondern dazu, in Verbindung mit dem Nil einen englischen Reserveweg
nach Indien aufrechtzuerhalten. Die schwerste Sorge aber machte und macht
England die Straße durch Mesopotamien und den Persischen Golf. Der ganze
Streit um die Vagdadbahn entspringt lediglich der englischen Sorge, auf den
europäisch-indischen Verkehrsstraßen das alte Monopol sich nicht entwinden zu
lassen').

Nun sind aber die Zeiten vorüber, in denen England als Beherrscher der
Hochstraßen des Weltverkehrs immer nur auf Deutschland scheel sehen durfte,
wenn es den Überlandweg von Zentraleuropa nach dem Persischen Golf aus¬
zubauen trachtete; denn andere Konkurrenten sind auf anderen Hochstraßen
erstanden und drohen Englands Monopolstellung ganz anders zu erschüttern,
als das Stückchen Vagdadbahn sie erschüttern könnte. Wohl fehlt es England
auch auf den Verbindungen zwischen anderen Erdteilen als Europa und Asien
nicht an Stützpunkten: jenseits des Atlantischen Ozeans hat es in Nordamerika



") In den Grenzboten 1911 Ur. 13 ausführlich behandelt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318790"/>
          <fw type="header" place="top"> Sorgen und Stützen britischer Iveltpolitik</fw><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Sorgen und stützen britischer Weltpolitik<lb/><note type="byline"> von Arthur Dix</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_2213"> is vor kurzem stand die Welt staunend vor der Monopolstellung,<lb/>
die Großbritannien allgemein auf den Hochstraßen des Weltverkehrs<lb/>
zu erringen gewußt hatte. Allüberall, wo wichtige Stationen<lb/>
auf den Wegen zwischen den fünf Erdteilen liegen, hatte England<lb/>
Fuß gefaßt; überall stößt man an markanten Knotenpunkten auf<lb/>
englische Kolonien, englische Kohlenstationen, englische Kabelstationen. Vor allen<lb/>
Dingen ist es der Weg nach Britisch-Indien und nach Ostasien, den England<lb/>
mit seinen befestigten Kohlenstationen gepflastert hat. Nicht nur der Hauptweg<lb/>
nach Britisch-Jndien durch das Mittelmeer und den Suezkanal ist in jeder mög¬<lb/>
lichen Weise durch England gesichert, sondern es hat stets sein Augenmerk darauf<lb/>
gerichtet, alle gangbaren Wege dorthin zu kontrollieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2214"> Die Beherrschung der Snezftraße freilich scheint den Briten heute nicht<lb/>
mehr sicher genug &#x2014; sie halten ihr Augenmerk fortgesetzt auch auf die daneben<lb/>
bestehenden Reservewege gerichtet. Auf der ganzen großen Völkerbrücke, die<lb/>
gebildet wird durch den Zusammenstoß Europas, Asiens und Afrikas, auf der<lb/>
Völkerbrücke zwischen dem Kaukasus und dem Nil, wollen sie keine Hochstraße<lb/>
des Weltverkehrs aufkommen lassen, auf der sie nicht das Verkehrsmonopol<lb/>
haben. Es ist seit Jahrzehnten eine wichtige Frage des Weltverkehrs und der<lb/>
Weltpolitik, ob auf dieser Völkerbrücke freier Verkehr für alle oder englisches<lb/>
Verkehrsmonopol herrschen soll. Ursprünglich konzentrierte sich das Problem<lb/>
für England in der Frage der Beherrschung des Suezkanals; wie es weiterhin<lb/>
aber auch um die Neservewege besorgt war, zeigte sich beim Bau der Uganda¬<lb/>
bahn, der in erster Linie nicht zur Erschließung von Britisch-Ostafrika bestimmt<lb/>
war, sondern dazu, in Verbindung mit dem Nil einen englischen Reserveweg<lb/>
nach Indien aufrechtzuerhalten. Die schwerste Sorge aber machte und macht<lb/>
England die Straße durch Mesopotamien und den Persischen Golf. Der ganze<lb/>
Streit um die Vagdadbahn entspringt lediglich der englischen Sorge, auf den<lb/>
europäisch-indischen Verkehrsstraßen das alte Monopol sich nicht entwinden zu<lb/>
lassen').</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2215" next="#ID_2216"> Nun sind aber die Zeiten vorüber, in denen England als Beherrscher der<lb/>
Hochstraßen des Weltverkehrs immer nur auf Deutschland scheel sehen durfte,<lb/>
wenn es den Überlandweg von Zentraleuropa nach dem Persischen Golf aus¬<lb/>
zubauen trachtete; denn andere Konkurrenten sind auf anderen Hochstraßen<lb/>
erstanden und drohen Englands Monopolstellung ganz anders zu erschüttern,<lb/>
als das Stückchen Vagdadbahn sie erschüttern könnte. Wohl fehlt es England<lb/>
auch auf den Verbindungen zwischen anderen Erdteilen als Europa und Asien<lb/>
nicht an Stützpunkten: jenseits des Atlantischen Ozeans hat es in Nordamerika</p><lb/>
          <note xml:id="FID_28" place="foot"> ") In den Grenzboten 1911 Ur. 13 ausführlich behandelt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0507] Sorgen und Stützen britischer Iveltpolitik Sorgen und stützen britischer Weltpolitik von Arthur Dix is vor kurzem stand die Welt staunend vor der Monopolstellung, die Großbritannien allgemein auf den Hochstraßen des Weltverkehrs zu erringen gewußt hatte. Allüberall, wo wichtige Stationen auf den Wegen zwischen den fünf Erdteilen liegen, hatte England Fuß gefaßt; überall stößt man an markanten Knotenpunkten auf englische Kolonien, englische Kohlenstationen, englische Kabelstationen. Vor allen Dingen ist es der Weg nach Britisch-Indien und nach Ostasien, den England mit seinen befestigten Kohlenstationen gepflastert hat. Nicht nur der Hauptweg nach Britisch-Jndien durch das Mittelmeer und den Suezkanal ist in jeder mög¬ lichen Weise durch England gesichert, sondern es hat stets sein Augenmerk darauf gerichtet, alle gangbaren Wege dorthin zu kontrollieren. Die Beherrschung der Snezftraße freilich scheint den Briten heute nicht mehr sicher genug — sie halten ihr Augenmerk fortgesetzt auch auf die daneben bestehenden Reservewege gerichtet. Auf der ganzen großen Völkerbrücke, die gebildet wird durch den Zusammenstoß Europas, Asiens und Afrikas, auf der Völkerbrücke zwischen dem Kaukasus und dem Nil, wollen sie keine Hochstraße des Weltverkehrs aufkommen lassen, auf der sie nicht das Verkehrsmonopol haben. Es ist seit Jahrzehnten eine wichtige Frage des Weltverkehrs und der Weltpolitik, ob auf dieser Völkerbrücke freier Verkehr für alle oder englisches Verkehrsmonopol herrschen soll. Ursprünglich konzentrierte sich das Problem für England in der Frage der Beherrschung des Suezkanals; wie es weiterhin aber auch um die Neservewege besorgt war, zeigte sich beim Bau der Uganda¬ bahn, der in erster Linie nicht zur Erschließung von Britisch-Ostafrika bestimmt war, sondern dazu, in Verbindung mit dem Nil einen englischen Reserveweg nach Indien aufrechtzuerhalten. Die schwerste Sorge aber machte und macht England die Straße durch Mesopotamien und den Persischen Golf. Der ganze Streit um die Vagdadbahn entspringt lediglich der englischen Sorge, auf den europäisch-indischen Verkehrsstraßen das alte Monopol sich nicht entwinden zu lassen'). Nun sind aber die Zeiten vorüber, in denen England als Beherrscher der Hochstraßen des Weltverkehrs immer nur auf Deutschland scheel sehen durfte, wenn es den Überlandweg von Zentraleuropa nach dem Persischen Golf aus¬ zubauen trachtete; denn andere Konkurrenten sind auf anderen Hochstraßen erstanden und drohen Englands Monopolstellung ganz anders zu erschüttern, als das Stückchen Vagdadbahn sie erschüttern könnte. Wohl fehlt es England auch auf den Verbindungen zwischen anderen Erdteilen als Europa und Asien nicht an Stützpunkten: jenseits des Atlantischen Ozeans hat es in Nordamerika ") In den Grenzboten 1911 Ur. 13 ausführlich behandelt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/507
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/507>, abgerufen am 23.07.2024.