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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die Uaiseridee

Langobardenreiches Rom samt dem Papst seinem Reiche einverleibt, dem Papst
persönlich die Rolle eines fränkischen Reichsbischofs zugewiesen, welcher dem
Frankenherrscher Wahlanzeige und Treueid schuldete und an ihm den zuständigen
Richter fand. Auch nach der Kaiserkrönung huldigte Papst Leo sofort Karl
als Untertan, indem er ihn in herkömmlicher Form adorierte. So sehr schon
vor 800 in Karls gelehrter Umgebung die Auffassung geäußert war, daß Karl
eine kaiserliche Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei -- so dachte
man für die Ausführung dieser Idee doch nicht an die Initiative des Papstes,
sondern an eine selbständige Tat des Frankenkönigs nach eingeholter Zustimmung
des oströmischen Kaisers. Nach glaubhaften Bericht äußerte Karl nach der
Kaiserkrönung, er wäre trotz des hohen Festtags nicht zur Kirche gegangen,
wenn er um den Plan gewußt hätte; und in der Tat, erst nachdem seine
Kaiserwürde vom griechischen Kaiser anerkannt worden, tat er die deutlichen
Schritte, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und seinem Geschlecht
zu verbinden. Mit Zustimmung der fränkischen Großen erhob Karl 813 seinen
Sohn Ludwig deu Ersten zum Mitkaiser, indem er ihn: befahl, die auf dem Altar
liegende Kaiserkrone zu ergreifen und sich auf das Haupt zu setzen. Ebenso
empfing Lothar der Erste die Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, als
dieser ihn zum Mitregenten ernannte. So mußten selbst die Päpste anfa"gs
den Rechtssatz anerkennen, daß das Kaisertum sich aus sich selbst heraus, ohne
Mitwirkung des Papsttums, erneuern könne. Aber mit zäher Beharrlichkeit
verfolgte das Papsttum uach dem Hinscheiden des großen Frankenherrschers das
Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem päpstlichen Monopol zu gestalten, und
dank den im Karolingerhause eintretenden Spaltungen erreichte man bereits
in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts das Ziel in einem Grade,
daß das Papsttum sich dabei nicht einmal mehr an die Nachkommenschaft des
großen Karl gebunden fühlte. Nachdem bereits der Karolinger Ludwig der
Zweite in einem Schreiben an den oströmischen Kaiser Basilius seine Kaiser¬
würde auf die päpstliche Salbung zurückgeführt hatte, verlieh darauf der päpst¬
liche Wille selbst einem Wido und Lambert von Spoleto das Kaisertum.

Auch die in einem Germanenlönig erneuerte Jmperatorenwürde verlieh
nach der Zeitanschauung rechtlich eine Oberhoheit im ganzen westlichen Europa,
^veins ol'biZ clvmini nennt in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts
Papst Johann der Achte die Kaiser, alle Königreiche seien ihnen Untertan.
Tatsächlich wurde allerdings im neunten Jahrhundert nur ein Karl der Große
solcher Anschauungsweise gerecht, wie derselbe auch nach byzantinischem Muster
selbst dem Papst gegenüber an der Spitze des fränkischen Reichsepiskopats als
der eigentliche Lenker der Kirche, selbst für das Gebiet des Dogmas, sich
bewährte. Als dann nach dem Aussterben des Karolingerhauses das selb¬
ständig gewordene deutsche Königtum seit 962 mit Otto dem Großen eine
Verbindung mit der römischen Kaiserwürde einging, hat es allerdings auch
nur in seinen kräftigsten Trägern, wie Otto dem Großen und dem Salier


Die Uaiseridee

Langobardenreiches Rom samt dem Papst seinem Reiche einverleibt, dem Papst
persönlich die Rolle eines fränkischen Reichsbischofs zugewiesen, welcher dem
Frankenherrscher Wahlanzeige und Treueid schuldete und an ihm den zuständigen
Richter fand. Auch nach der Kaiserkrönung huldigte Papst Leo sofort Karl
als Untertan, indem er ihn in herkömmlicher Form adorierte. So sehr schon
vor 800 in Karls gelehrter Umgebung die Auffassung geäußert war, daß Karl
eine kaiserliche Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei — so dachte
man für die Ausführung dieser Idee doch nicht an die Initiative des Papstes,
sondern an eine selbständige Tat des Frankenkönigs nach eingeholter Zustimmung
des oströmischen Kaisers. Nach glaubhaften Bericht äußerte Karl nach der
Kaiserkrönung, er wäre trotz des hohen Festtags nicht zur Kirche gegangen,
wenn er um den Plan gewußt hätte; und in der Tat, erst nachdem seine
Kaiserwürde vom griechischen Kaiser anerkannt worden, tat er die deutlichen
Schritte, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und seinem Geschlecht
zu verbinden. Mit Zustimmung der fränkischen Großen erhob Karl 813 seinen
Sohn Ludwig deu Ersten zum Mitkaiser, indem er ihn: befahl, die auf dem Altar
liegende Kaiserkrone zu ergreifen und sich auf das Haupt zu setzen. Ebenso
empfing Lothar der Erste die Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, als
dieser ihn zum Mitregenten ernannte. So mußten selbst die Päpste anfa«gs
den Rechtssatz anerkennen, daß das Kaisertum sich aus sich selbst heraus, ohne
Mitwirkung des Papsttums, erneuern könne. Aber mit zäher Beharrlichkeit
verfolgte das Papsttum uach dem Hinscheiden des großen Frankenherrschers das
Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem päpstlichen Monopol zu gestalten, und
dank den im Karolingerhause eintretenden Spaltungen erreichte man bereits
in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts das Ziel in einem Grade,
daß das Papsttum sich dabei nicht einmal mehr an die Nachkommenschaft des
großen Karl gebunden fühlte. Nachdem bereits der Karolinger Ludwig der
Zweite in einem Schreiben an den oströmischen Kaiser Basilius seine Kaiser¬
würde auf die päpstliche Salbung zurückgeführt hatte, verlieh darauf der päpst¬
liche Wille selbst einem Wido und Lambert von Spoleto das Kaisertum.

Auch die in einem Germanenlönig erneuerte Jmperatorenwürde verlieh
nach der Zeitanschauung rechtlich eine Oberhoheit im ganzen westlichen Europa,
^veins ol'biZ clvmini nennt in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts
Papst Johann der Achte die Kaiser, alle Königreiche seien ihnen Untertan.
Tatsächlich wurde allerdings im neunten Jahrhundert nur ein Karl der Große
solcher Anschauungsweise gerecht, wie derselbe auch nach byzantinischem Muster
selbst dem Papst gegenüber an der Spitze des fränkischen Reichsepiskopats als
der eigentliche Lenker der Kirche, selbst für das Gebiet des Dogmas, sich
bewährte. Als dann nach dem Aussterben des Karolingerhauses das selb¬
ständig gewordene deutsche Königtum seit 962 mit Otto dem Großen eine
Verbindung mit der römischen Kaiserwürde einging, hat es allerdings auch
nur in seinen kräftigsten Trägern, wie Otto dem Großen und dem Salier


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[0463] Die Uaiseridee Langobardenreiches Rom samt dem Papst seinem Reiche einverleibt, dem Papst persönlich die Rolle eines fränkischen Reichsbischofs zugewiesen, welcher dem Frankenherrscher Wahlanzeige und Treueid schuldete und an ihm den zuständigen Richter fand. Auch nach der Kaiserkrönung huldigte Papst Leo sofort Karl als Untertan, indem er ihn in herkömmlicher Form adorierte. So sehr schon vor 800 in Karls gelehrter Umgebung die Auffassung geäußert war, daß Karl eine kaiserliche Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei — so dachte man für die Ausführung dieser Idee doch nicht an die Initiative des Papstes, sondern an eine selbständige Tat des Frankenkönigs nach eingeholter Zustimmung des oströmischen Kaisers. Nach glaubhaften Bericht äußerte Karl nach der Kaiserkrönung, er wäre trotz des hohen Festtags nicht zur Kirche gegangen, wenn er um den Plan gewußt hätte; und in der Tat, erst nachdem seine Kaiserwürde vom griechischen Kaiser anerkannt worden, tat er die deutlichen Schritte, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und seinem Geschlecht zu verbinden. Mit Zustimmung der fränkischen Großen erhob Karl 813 seinen Sohn Ludwig deu Ersten zum Mitkaiser, indem er ihn: befahl, die auf dem Altar liegende Kaiserkrone zu ergreifen und sich auf das Haupt zu setzen. Ebenso empfing Lothar der Erste die Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, als dieser ihn zum Mitregenten ernannte. So mußten selbst die Päpste anfa«gs den Rechtssatz anerkennen, daß das Kaisertum sich aus sich selbst heraus, ohne Mitwirkung des Papsttums, erneuern könne. Aber mit zäher Beharrlichkeit verfolgte das Papsttum uach dem Hinscheiden des großen Frankenherrschers das Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem päpstlichen Monopol zu gestalten, und dank den im Karolingerhause eintretenden Spaltungen erreichte man bereits in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts das Ziel in einem Grade, daß das Papsttum sich dabei nicht einmal mehr an die Nachkommenschaft des großen Karl gebunden fühlte. Nachdem bereits der Karolinger Ludwig der Zweite in einem Schreiben an den oströmischen Kaiser Basilius seine Kaiser¬ würde auf die päpstliche Salbung zurückgeführt hatte, verlieh darauf der päpst¬ liche Wille selbst einem Wido und Lambert von Spoleto das Kaisertum. Auch die in einem Germanenlönig erneuerte Jmperatorenwürde verlieh nach der Zeitanschauung rechtlich eine Oberhoheit im ganzen westlichen Europa, ^veins ol'biZ clvmini nennt in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts Papst Johann der Achte die Kaiser, alle Königreiche seien ihnen Untertan. Tatsächlich wurde allerdings im neunten Jahrhundert nur ein Karl der Große solcher Anschauungsweise gerecht, wie derselbe auch nach byzantinischem Muster selbst dem Papst gegenüber an der Spitze des fränkischen Reichsepiskopats als der eigentliche Lenker der Kirche, selbst für das Gebiet des Dogmas, sich bewährte. Als dann nach dem Aussterben des Karolingerhauses das selb¬ ständig gewordene deutsche Königtum seit 962 mit Otto dem Großen eine Verbindung mit der römischen Kaiserwürde einging, hat es allerdings auch nur in seinen kräftigsten Trägern, wie Otto dem Großen und dem Salier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/463>, abgerufen am 23.07.2024.