Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa

Stammes selbst früher jene Kultur von unseren arischen Urvettern, den Hindus,
übernommen haben. Bis auf unsere Tage reicht sogar der Handelsverkehr der
Orang Keling mit den Orang Malaiu (Malaien) und durch ihn sind letztere
so manchen herrlichen Kulturgeschenkes vom asiatischen Kontinente her teilhaftig
geworden. Ich erwähne nur den Rohrzucker, den Indigo, den Pfeffer, sowie
die köstlichen Früchte der Mangas und Djambus, welche alle den Malaien unter
Telinga- resp. Sanskrit- und Hindunamen bekannt geworden und geblieben
sind. Auch dravidische Tannen haben zweifellos den Völkern der Malaienländer
verschiedene Kulturgeschenke zugeführt, so z. B. das Pferd (malaiisch Kuda,
launisch Kudirai; abgeleitet von Kuäi springen).

Wenden wir uns nun wieder den Verbindungen zu, welche zwischen den
Ländern Europas und dem kontinentalen Indien schon sehr früh bestanden haben
müssen, so ist, soweit mir bekannt, Hecataeus von Milet (549 bis 486 v. Chr.)
der erste Schriftsteller, der deutlich von Indien redet. Das Wissen des länder¬
kundigen Herodot (geb. 484 v. Chr.) reicht in Beziehung auf Indien nicht weiter
als bis zum Jndusflusse und auch der Arzt Ctesias, welcher eine Zeitlang in
Persien verbrachte (gegen 400 v. Chr.), weiß uns noch wenig über Indien zu
berichten, wiewohl er schon von den indischen Affen und Papageien, Farbstoffen
und anderen industriellen Produkten erzählt. Das Indien, welches östlich vom
Indus gelegen ist, wurde den Nationen Europas eigentlich erst durch den kühnen
Heereszug des großen Alexander, welcher, den genannten Fluß abfahrend, im
Juli des Jahres 325 am Indischen Ozeane anlangte und dann den Rückzug
durch Belutschistan, das alte Gedrosten, antrat, bekannt. Von dem. was Gefährten
Alexanders über Indien zu erzählen wußten, haben dann namentlich Strabo,
Plinius und Arrian geschöpft, und besonders auch war es, gegen Ende des
dritten Jahrhunderts vor Christi, Mcgastenes, welcher als Gesandter an einem
Fürstenhöfe im Herzen von Bengalen Gelegenheit gehabt hatte, genaue Unter¬
suchungen über Land und Volk von Indien anzustellen, der als Auctorität in
indischen Dingen ausgenutzt wurde. Auf der anderen Seite aber drang der
Ruf der Waffentaten des großen Sohnes des Westens, Alexander, vom kon¬
tinentalen Indien bis weit nach Siam und den malaiischen Inseln in der so
vielfach aufgeschmückten Jskandersage. In nicht geringer Eitelkeit leiteten selbst
malaiische Fürsten auf Sumatra, wo sich die Herkunft ihrer Familie in dem
Dunkel der Vorzeit verlor, ihre Urahnen von ihm, dem in Sage und Lied so
gefeierten Alexander, ab.

Es ist, als ob sich mit dem Zuge des großen Makedoniers die Handels¬
straße zwischen Indien und den Ländern von Europa mehr geöffnet hätte, bis sie
später der lange Zeit ganz Kleinasien und das nördliche Afrika beherrschende Islam
wieder mehr und mehr veröden ließ, ja gänzlich abschloß"). Wie viele Erzeugnisse



") So berichtet uns Strabo (17. 1), einige Jahrzehnte vor unserer Zeitrechnung! "In
früherer Zeit wagten sich kaum zwanzig Schiffe aus dem Arabischen Meerbusen (im Noten
Meere) heraus, wogegen jetzt große Flotten nach Indien und bis ans äußerste Ende von
Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa

Stammes selbst früher jene Kultur von unseren arischen Urvettern, den Hindus,
übernommen haben. Bis auf unsere Tage reicht sogar der Handelsverkehr der
Orang Keling mit den Orang Malaiu (Malaien) und durch ihn sind letztere
so manchen herrlichen Kulturgeschenkes vom asiatischen Kontinente her teilhaftig
geworden. Ich erwähne nur den Rohrzucker, den Indigo, den Pfeffer, sowie
die köstlichen Früchte der Mangas und Djambus, welche alle den Malaien unter
Telinga- resp. Sanskrit- und Hindunamen bekannt geworden und geblieben
sind. Auch dravidische Tannen haben zweifellos den Völkern der Malaienländer
verschiedene Kulturgeschenke zugeführt, so z. B. das Pferd (malaiisch Kuda,
launisch Kudirai; abgeleitet von Kuäi springen).

Wenden wir uns nun wieder den Verbindungen zu, welche zwischen den
Ländern Europas und dem kontinentalen Indien schon sehr früh bestanden haben
müssen, so ist, soweit mir bekannt, Hecataeus von Milet (549 bis 486 v. Chr.)
der erste Schriftsteller, der deutlich von Indien redet. Das Wissen des länder¬
kundigen Herodot (geb. 484 v. Chr.) reicht in Beziehung auf Indien nicht weiter
als bis zum Jndusflusse und auch der Arzt Ctesias, welcher eine Zeitlang in
Persien verbrachte (gegen 400 v. Chr.), weiß uns noch wenig über Indien zu
berichten, wiewohl er schon von den indischen Affen und Papageien, Farbstoffen
und anderen industriellen Produkten erzählt. Das Indien, welches östlich vom
Indus gelegen ist, wurde den Nationen Europas eigentlich erst durch den kühnen
Heereszug des großen Alexander, welcher, den genannten Fluß abfahrend, im
Juli des Jahres 325 am Indischen Ozeane anlangte und dann den Rückzug
durch Belutschistan, das alte Gedrosten, antrat, bekannt. Von dem. was Gefährten
Alexanders über Indien zu erzählen wußten, haben dann namentlich Strabo,
Plinius und Arrian geschöpft, und besonders auch war es, gegen Ende des
dritten Jahrhunderts vor Christi, Mcgastenes, welcher als Gesandter an einem
Fürstenhöfe im Herzen von Bengalen Gelegenheit gehabt hatte, genaue Unter¬
suchungen über Land und Volk von Indien anzustellen, der als Auctorität in
indischen Dingen ausgenutzt wurde. Auf der anderen Seite aber drang der
Ruf der Waffentaten des großen Sohnes des Westens, Alexander, vom kon¬
tinentalen Indien bis weit nach Siam und den malaiischen Inseln in der so
vielfach aufgeschmückten Jskandersage. In nicht geringer Eitelkeit leiteten selbst
malaiische Fürsten auf Sumatra, wo sich die Herkunft ihrer Familie in dem
Dunkel der Vorzeit verlor, ihre Urahnen von ihm, dem in Sage und Lied so
gefeierten Alexander, ab.

Es ist, als ob sich mit dem Zuge des großen Makedoniers die Handels¬
straße zwischen Indien und den Ländern von Europa mehr geöffnet hätte, bis sie
später der lange Zeit ganz Kleinasien und das nördliche Afrika beherrschende Islam
wieder mehr und mehr veröden ließ, ja gänzlich abschloß"). Wie viele Erzeugnisse



") So berichtet uns Strabo (17. 1), einige Jahrzehnte vor unserer Zeitrechnung! „In
früherer Zeit wagten sich kaum zwanzig Schiffe aus dem Arabischen Meerbusen (im Noten
Meere) heraus, wogegen jetzt große Flotten nach Indien und bis ans äußerste Ende von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318690"/>
          <fw type="header" place="top"> Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1750" prev="#ID_1749"> Stammes selbst früher jene Kultur von unseren arischen Urvettern, den Hindus,<lb/>
übernommen haben. Bis auf unsere Tage reicht sogar der Handelsverkehr der<lb/>
Orang Keling mit den Orang Malaiu (Malaien) und durch ihn sind letztere<lb/>
so manchen herrlichen Kulturgeschenkes vom asiatischen Kontinente her teilhaftig<lb/>
geworden. Ich erwähne nur den Rohrzucker, den Indigo, den Pfeffer, sowie<lb/>
die köstlichen Früchte der Mangas und Djambus, welche alle den Malaien unter<lb/>
Telinga- resp. Sanskrit- und Hindunamen bekannt geworden und geblieben<lb/>
sind. Auch dravidische Tannen haben zweifellos den Völkern der Malaienländer<lb/>
verschiedene Kulturgeschenke zugeführt, so z. B. das Pferd (malaiisch Kuda,<lb/>
launisch Kudirai; abgeleitet von Kuäi springen).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1751"> Wenden wir uns nun wieder den Verbindungen zu, welche zwischen den<lb/>
Ländern Europas und dem kontinentalen Indien schon sehr früh bestanden haben<lb/>
müssen, so ist, soweit mir bekannt, Hecataeus von Milet (549 bis 486 v. Chr.)<lb/>
der erste Schriftsteller, der deutlich von Indien redet. Das Wissen des länder¬<lb/>
kundigen Herodot (geb. 484 v. Chr.) reicht in Beziehung auf Indien nicht weiter<lb/>
als bis zum Jndusflusse und auch der Arzt Ctesias, welcher eine Zeitlang in<lb/>
Persien verbrachte (gegen 400 v. Chr.), weiß uns noch wenig über Indien zu<lb/>
berichten, wiewohl er schon von den indischen Affen und Papageien, Farbstoffen<lb/>
und anderen industriellen Produkten erzählt. Das Indien, welches östlich vom<lb/>
Indus gelegen ist, wurde den Nationen Europas eigentlich erst durch den kühnen<lb/>
Heereszug des großen Alexander, welcher, den genannten Fluß abfahrend, im<lb/>
Juli des Jahres 325 am Indischen Ozeane anlangte und dann den Rückzug<lb/>
durch Belutschistan, das alte Gedrosten, antrat, bekannt. Von dem. was Gefährten<lb/>
Alexanders über Indien zu erzählen wußten, haben dann namentlich Strabo,<lb/>
Plinius und Arrian geschöpft, und besonders auch war es, gegen Ende des<lb/>
dritten Jahrhunderts vor Christi, Mcgastenes, welcher als Gesandter an einem<lb/>
Fürstenhöfe im Herzen von Bengalen Gelegenheit gehabt hatte, genaue Unter¬<lb/>
suchungen über Land und Volk von Indien anzustellen, der als Auctorität in<lb/>
indischen Dingen ausgenutzt wurde. Auf der anderen Seite aber drang der<lb/>
Ruf der Waffentaten des großen Sohnes des Westens, Alexander, vom kon¬<lb/>
tinentalen Indien bis weit nach Siam und den malaiischen Inseln in der so<lb/>
vielfach aufgeschmückten Jskandersage. In nicht geringer Eitelkeit leiteten selbst<lb/>
malaiische Fürsten auf Sumatra, wo sich die Herkunft ihrer Familie in dem<lb/>
Dunkel der Vorzeit verlor, ihre Urahnen von ihm, dem in Sage und Lied so<lb/>
gefeierten Alexander, ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1752" next="#ID_1753"> Es ist, als ob sich mit dem Zuge des großen Makedoniers die Handels¬<lb/>
straße zwischen Indien und den Ländern von Europa mehr geöffnet hätte, bis sie<lb/>
später der lange Zeit ganz Kleinasien und das nördliche Afrika beherrschende Islam<lb/>
wieder mehr und mehr veröden ließ, ja gänzlich abschloß"). Wie viele Erzeugnisse</p><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot" next="#FID_20"> ") So berichtet uns Strabo (17. 1), einige Jahrzehnte vor unserer Zeitrechnung! &#x201E;In<lb/>
früherer Zeit wagten sich kaum zwanzig Schiffe aus dem Arabischen Meerbusen (im Noten<lb/>
Meere) heraus, wogegen jetzt große Flotten nach Indien und bis ans äußerste Ende von</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa Stammes selbst früher jene Kultur von unseren arischen Urvettern, den Hindus, übernommen haben. Bis auf unsere Tage reicht sogar der Handelsverkehr der Orang Keling mit den Orang Malaiu (Malaien) und durch ihn sind letztere so manchen herrlichen Kulturgeschenkes vom asiatischen Kontinente her teilhaftig geworden. Ich erwähne nur den Rohrzucker, den Indigo, den Pfeffer, sowie die köstlichen Früchte der Mangas und Djambus, welche alle den Malaien unter Telinga- resp. Sanskrit- und Hindunamen bekannt geworden und geblieben sind. Auch dravidische Tannen haben zweifellos den Völkern der Malaienländer verschiedene Kulturgeschenke zugeführt, so z. B. das Pferd (malaiisch Kuda, launisch Kudirai; abgeleitet von Kuäi springen). Wenden wir uns nun wieder den Verbindungen zu, welche zwischen den Ländern Europas und dem kontinentalen Indien schon sehr früh bestanden haben müssen, so ist, soweit mir bekannt, Hecataeus von Milet (549 bis 486 v. Chr.) der erste Schriftsteller, der deutlich von Indien redet. Das Wissen des länder¬ kundigen Herodot (geb. 484 v. Chr.) reicht in Beziehung auf Indien nicht weiter als bis zum Jndusflusse und auch der Arzt Ctesias, welcher eine Zeitlang in Persien verbrachte (gegen 400 v. Chr.), weiß uns noch wenig über Indien zu berichten, wiewohl er schon von den indischen Affen und Papageien, Farbstoffen und anderen industriellen Produkten erzählt. Das Indien, welches östlich vom Indus gelegen ist, wurde den Nationen Europas eigentlich erst durch den kühnen Heereszug des großen Alexander, welcher, den genannten Fluß abfahrend, im Juli des Jahres 325 am Indischen Ozeane anlangte und dann den Rückzug durch Belutschistan, das alte Gedrosten, antrat, bekannt. Von dem. was Gefährten Alexanders über Indien zu erzählen wußten, haben dann namentlich Strabo, Plinius und Arrian geschöpft, und besonders auch war es, gegen Ende des dritten Jahrhunderts vor Christi, Mcgastenes, welcher als Gesandter an einem Fürstenhöfe im Herzen von Bengalen Gelegenheit gehabt hatte, genaue Unter¬ suchungen über Land und Volk von Indien anzustellen, der als Auctorität in indischen Dingen ausgenutzt wurde. Auf der anderen Seite aber drang der Ruf der Waffentaten des großen Sohnes des Westens, Alexander, vom kon¬ tinentalen Indien bis weit nach Siam und den malaiischen Inseln in der so vielfach aufgeschmückten Jskandersage. In nicht geringer Eitelkeit leiteten selbst malaiische Fürsten auf Sumatra, wo sich die Herkunft ihrer Familie in dem Dunkel der Vorzeit verlor, ihre Urahnen von ihm, dem in Sage und Lied so gefeierten Alexander, ab. Es ist, als ob sich mit dem Zuge des großen Makedoniers die Handels¬ straße zwischen Indien und den Ländern von Europa mehr geöffnet hätte, bis sie später der lange Zeit ganz Kleinasien und das nördliche Afrika beherrschende Islam wieder mehr und mehr veröden ließ, ja gänzlich abschloß"). Wie viele Erzeugnisse ") So berichtet uns Strabo (17. 1), einige Jahrzehnte vor unserer Zeitrechnung! „In früherer Zeit wagten sich kaum zwanzig Schiffe aus dem Arabischen Meerbusen (im Noten Meere) heraus, wogegen jetzt große Flotten nach Indien und bis ans äußerste Ende von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/407>, abgerufen am 29.06.2024.